21.4.14

The invisible woman

Großbritannien 2013 Regie: Ralph Fiennes mit Ralph Fiennes, Felicity Jones, Kristin Scott Thomas, Tom Hollander 111 Min.

Den großen englischen Dichter Charles Dickens verliebt als ein naives, großes Kind zu zeigen, das erlaubt sich Ralph Fiennes als Regisseur und in der männlichen Hauptrolle. Dabei lässt er die Frauen um sich herum sowohl in der historischen Geschichte als auch im Schauspiel besser aussehen. Leider konnte er sich wohl wegen vieler wunderschöner Bilder nicht von zu vielen Filmmetern trennen, was „The invisible woman" überpräsent und -lang macht.

„Ihr Männer lebt euer Leben, während wir warten müssen. Ihr habt eine Freiheit, die wir nicht erleben." Da hat doch tatsächlich die viel jüngere Bewundrerin und Geliebte Nelly Ternan (Felicity Jones) den besten Satz. Nicht das literarische Schwergewicht Charles Dickens (1812-1870), der Autor von „Oliver Twist", „David Copperfield", „Große Erwartungen" sowie „Eine Weihnachtsgeschichte". Der bleibt trotz aller Weisheiten, aller Erfahrungen aus einer Jugend im Elend, bei allem Ruhm ein unsicherer, etwas ungeschickter Mann – zumindest in der Umgebung von Nelly. Diese jüngste Tochter einer rein weiblichen Schauspielerfamilie schwärmt klug und kenntnisreich für den guten Bekannten ihrer Mutter Mrs. Ternan (Kristin Scott Thomas). Mit 18 Jahren und nicht wirklich schauspielerisch begabt, verfällt sie dem verehrten und angesehenen Mann, so wie dieser für sie alles aufgibt. Dickens trennt sich von seiner resoluten Ehefrau Catherine (Joanna Scanlan) und Mutter seiner zehn Kinder.

Obwohl Nelly selbst streng über das Zusammenleben ohne Trauschein von Dickens bestem Freund urteilt, bleibt sie wegen der gemeinsamen Leidenschaft für seine Literatur bis zu Dickens Tod mit ihm zusammen. Auch nach Nellys Heirat mit jemand anderem bedrückt sie eine Traurigkeit, die Fortsetzung einer Verzweiflung, die in allen Arrangements steckte, die Nelly zur Aussätzigen und schließlich einsamen Geliebten machten. Die Liebe soll - gemäß des Buches „The Invisible Woman" von Claire Tomalin - in den Figuren Pip und Estella aus „Große Erwartungen" festgehalten worden sein.

Dem berühmten Schauspieler Ralph Fiennes („Grand Budapest Hotel", „Schindlers Liste") gelingen mit Hilfe der Kamera von Rob Hardy immer wieder wunderbare Gemälde, wie dieser Tag an der Rennstrecke und all die anderen Bildkompositionen, die Innenszenen mit umrahmenden Kunstwerken, genau geplantem Lichteinfall, Spiegelbildern und viel feiner Gestaltung mehr. Dazu kommt ein intensiver Musikeinsatz durch die Kompositionen von Ilan Eshkeri, überhaupt die Tonspur, die sich viel, sogar auch Stille erlaubt. Aber trotz interessanter biographischer Details wie der revolutionären Lesung vor Arbeitern, den Theateraufführungen am Rande und vor allem dem heftigen Zugunglück, entwickelt sich die Handlung gemächlich und beschaulich. So wie Dickens schon mal selbst zu Fuß nach London marschiert, wenn am Tag gerade kein Zug fährt. „The invisible woman" vermeidet bewusst schnellere Gangarten. Das lässt auch viel Zeit, die stärkeren Frauenfiguren, das Leiden von Ehefrau und Geliebter zu erleben. Regisseur Fiennes lässt die Darstellerinnen neben sich still auftrumpfen und wird selbst zur unsichtbaren Berühmtheit.