20.9.25

Maria Reiche

Die Deutschperuanerin Maria Reiche restaurierte in den 1930er Jahren die sagenhaften Nazca-Linien in der peruanischen Wüste und rettete sie so vor dem Verfall. Ihre faszinierende Biografie verbindet die Einzigartigkeit dieses Kulturphänomens mit dem Porträt einer unabhängigen Frau.

Zu den fantastischen Nazca-Linien, den sogenannten Scharrbildern, gehören unweigerlich eindrucksvoll weite Landschaften. Wie bei „Lawrence von Arabien" schimmert auch bei „Maria Reiche" eine Figur am flirrenden Horizont. Doch diesmal nähert sich kein stolzer Scheich, sondern eine Frau, die in der Wüste Staub fegt. Eine grandiose erste Szene!

Von dort geht es zurück in ein dunkles Klassenzimmer, in dem die Dresdnerin Maria Reiche (Devrim Lingnau) von ihren Schülern genervt ist. Im Gegensatz zu ihrer mondänen, US-amerikanischen Freundin Amy (Olivia Ross), die in Lima in der 30er Jahre ein Caféhaus betreibt, sind der stets schlicht gekleideten Aushilfslehrerin gesellschaftliche Abende ein Graus. Sie spricht gut Spanisch, Englisch und Französisch und nimmt das Angebot des Archäologen Paul D'Harcourt (Guillaume Gallienne), die Aufzeichnungen eines deutschen Kollegen zu übersetzen, spontan an. Vor Ort in der Wüste bei Nazca sieht Maria Reiche eine ewig lange Linie am Boden: Kieselsteine wurden zur Seite geschoben und gaben die weiße Gipsschicht frei. Die Frau, die Mathematik, Physik und Geografie studiert hat, ist direkt fasziniert. Nichts hält sie von nun an davon ab, allein in der Wüste zu forschen. Sie campt in der Nähe von Einheimischen und läuft Tag für Tag den langen Linien nach. Fotos von kleinen Hügeln und einer wackeligen Leiter vermitteln nur einen ungefähren Eindruck von den riesigen, in den Staub gezeichneten Figuren von Kolibris, Affen oder Spinnen. Es wird schnell klar, dass diese Phänomene durch einen Menschen eigentlich nicht fassbar sind. Unermüdlich versucht Maria Reiche, das Jahrtausende alte Menschheitsrätsel zu entschlüsseln. Die Besessene sagt Paul, dass die Figuren restauriert werden müssen, stößt aber auf Desinteresse. Also kauft sie drei Besen und fegt eigenhändig eine erste Spirale und dann weitere Figuren frei. Als ein lokaler Großfarmer die Linien zerstört, um Baumwolle anzubauen, kämpft sie, bis das peruanische Parlament für den Erhalt seines kulturellen Erbes stimmt.

Die zwischen 200 v. Chr. und 600 n. Chr. von der indigenen Nazca-Kultur erschaffenen Geoglyphen wurden 1994 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. In der Region im Südosten von Peru existieren mehr als 1500 dieser Bilder. Ihre Wiederentdeckung ist auch die Geschichte einer beinahe verlorenen, durch den Kolonialismus zerstörten einheimischen Kultur. Die Biografie ihrer Wiederentdeckerin, der deutsch-peruanischen Altamerikanistin Reiche, ist eher unspektakulär. Es gibt keine Fieberträume mit Peyote und animierten Nazca-Wesen. Doch der Film ist darstellerisch und fotografisch sehr gut in Szene gesetzt. In der Hauptrolle brilliert European Shooting Star Devrim Lingnau, bekannt aus der Netflix-Serie „Die Kaiserin". Sie spielt eine getriebene Einzelgängerin, die in der Wüste ihre Bestimmung findet. Aber auch in den Wahnsinn abzudriften droht. Da passt es, dass „Lady Nazca", so der englische Titel, mehr als 40 Jahre in einer Hütte am Rande der Wüste bei „ihren" Linien verbrachte und sich letztlich auch neben ihnen begraben ließ.

Tatsächlich waren einige Dinge anders als die Film-Biografie „Maria Reiche" zusammenfasst. So ließ sich die Forscherin – bereits im Auftrag eines amerikanischen Historikers – an die Kufen eines Hubschraubers binden, um erste Luftaufnahmen der Figuren zu machen. Weitergehende Beziehungen zu Frauen werden nur angedeutet. Doch auch wenn nicht alle Details stimmen, spricht etwas anderes für eine besondere Authentizität: Regisseur und Autor Damien Dorsaz hat Maria Reiche zwei Jahre vor ihrem Tod im Jahr 1998 noch persönlich getroffen und bereits 2006 den Dokumentarfilm „Maria Reiche, la Dame de Nasca" gedreht.

(Deutschland 2025), Regie: Damien Dorsaz, mit Devrim Lingnau, Olivia Ross, Guillaume Gallienne, 99 Min., FSK: ab 6