9.8.22

Nope


USA 2022, Regie: Jordan Peele, mit Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Brandon Perea, 131 Min., FSK: ab 12

Science-Fiction und Horror, Hollywood und Rassismus – bei Regisseur und Oscar-Gewinner Jordan Peele, der mit „Get Out" und „Wir" den Horror-Film raffiniert gegen Unterdrückung einsetzte, passt das alles zusammen. Bei „Nope" benutzt er die Hülle eines kleinen B-Movies, um das große Hollywood mit seiner Geschichte des Rassen- und Klassenkampfes vorzuführen. Und auch noch gekonnt recht spannend zu unterhalten.

Emerald (Keke Palmer) und OJ Haywood (Daniel Kaluuya) versuchen, mit einer Farm für Hollywood-Filmpferde über die Runden zu kommen, nachdem ihr Vater bei einem mysteriösen Ereignis von umherfliegenden Metallstückchen erschlagen wurde. Ihre kalifornische Haywood-Ranch ist seit Jahrzehnten in Familienbesitz. Doch der stille Zureiter OJ zeigt sich im Showbetrieb überfordert. Seine verantwortungslose schrille Schwester „Em" interessiert sich eher für eigene Jobs vor der Kamera und träumt von einer Filmkarriere. So verlieren sie den nächsten Job und müssen ein Pferd an den erfolgreichen Westernpark des einstigen Kinderstars Ricky „Jupe" Park (Steven Yeun) abgeben. Mehr Erfolg als mit der alten Goldgräber-Geschichte hat Ricky mit der Multimedia-Präsentation einer UFO-Sichtung. Deshalb erhoffen sich auch Emerald und OJ Rettung, als eines Nachts der Strom ausfällt und er eine unerklärliche Erscheinung am Himmel sieht. Mit Hilfe des UFO-affinen Angestellten vom Technik-Supermarkt soll ein Kamera-System den Beweis für die Außerirdischen liefern. Doch die Sache entwickelt sich komplizierter und vor allem bösartiger...

1887 fertigte Eadweard Muybridge die berühmte Serienaufnahme von 16 aufeinanderfolgenden Fotografien eines schwarzen Jockeys auf einem Pferd an. Hintergrund war der Beweis, dass zu einem Moment alle Beine des Tieres in der Luft sind. Als Nebeneffekt wurde diese früheste Chronofotografie Vorlage für bewegte Bilder, für den Film. Emerald Haywood beruft sich in „Nope" auf den unbekannten Jockey als einen ihrer Vorfahren und Gründer der Haywood-Ranch. Womit der Film während seiner langen und ruhigen Einführung den kämpferischen Themenpunkt des afroamerikanischen Regisseurs Jordan Peele setzt: Ein Buch über Muybridge war für ihn der Einstieg, „um sich mit einigen Aspekten und Medienmechanismen in Hollywood und der Filmindustrie an sich zu beschäftigen – und um die Ausbeutung aufzudecken, die dieser Industrie schon immer innewohnte." Jordan war von der Idee fasziniert, dass Muybridges Jockey den Urtyp des Filmstars – ob Schauspieler, Stuntman oder Tierpfleger – verkörpert: Ein unbekannter schwarzer Mann, der auf ewig weiterreitet". Im Film treten die Geschwister Haywood dieses Erbe sowohl auf wörtlicher als auch auf metaphorischer Ebene an.

Als Science-Fiction bedient sich „Nope" mit dem Schreien und dem Blutregen der Aliens deutlich bei den Film-Fassungen von H.G. Wells' „Krieg der Welten". Eine weitere Inspiration war „Die unheimliche Begegnung der 3. Art". Auffällig im Genre der Außerirdischen ist jedoch, dass in „Nope" kein FBI im Stil von „Akte X" auffährt, um Aliens zu jagen. Es geht Peele nur um das Verhältnis von außerirdischen Erscheinungen und Darstellbarkeit in den sozialen Medien. Es gilt nicht mehr Mulders „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen", die einzige Wahrheit, die noch existiert, ist im Netz. In der Cloud, der Wolke, in der sich das Ufo tatsächlich dauernd versteckt. Und so lässt sich im anderen großen Themenkomplex des Films, der Aufmerksamkeitsökonomie, mit viel interpretatorischem Verbiegen im UFO ein Auge erkennen. Im Stil eines B-Movies sehen wir nämlich anfangs eine unspektakuläre Schüssel - nicht glänzend, nicht glatt, eher ein graues Spiegelei. Doch es verschlingt alles, was zu ihm aufblickt. Zufällig rettet dies den bescheidenen OJ, da er wie seine Pferde selten jemandem direkt ins Auge blickt.

Die eher solide als spektakuläre Handlung bleibt auch mit einem wahnsinnigen Kameramann, der mit mechanisch angetriebener Kamera von einem militärischen Unterstand die Aliens abschießen will, auch trotz zunehmender Spannung, übersichtlich. Die Subtexte sind dagegen mannigfaltig: Da ist die andere große Metapher der Tierdressur, die sich unweigerlich auf Schauspielerinnen und Schauspieler übertragen lässt. Das Starsystem täuscht kaum drüber hinweg, dass unsere Idole wenig mehr als austauschbare Zirkustiere sind. Zentral stehen dabei die Rückblenden auf Parks Vergangenheit und das legendär horrende Massaker eines Schimpansen während einer Familien-Show. Reichlich Kopf-Futter für einen nur scheinbar kleinen Film.