30.7.18

Grenzenlos

Grenzenlos (2017)

USA, BRD, Frankreich, Spanien 2017 (Submergence) Regie: Wim Wenders mit Alicia Vikander, James McAvoy 112 Min. FSK ab 12

Nach seiner unsäglichen „Papst Franzikus"–Beweihräucherung macht Wim Wenders nun endlich wieder himmlische Bilder. Wenders, als Film-Regisseur und nicht als naiver Messdiener, beschert uns einen Liebesfilm, der auf der Höhe seiner Kunst die Sorge um die Welt in moderner Form ausdrückt. Alicia Vikander und James McAvoy lassen in „Grenzenlos" als schönes und ungewöhnliches Paar Liebe in der Trennung aufleben.

Es sind einzigartige Bilder wie der weiße Arm, der in der sengenden Sonne Somalias bettelnd aus einer Mauer ragt, die Wenders direkt als Groß-Meister des Films ausweisen. Die Erdnuss, die ein Junge in die bittende Hand legt, verschlingt im düsteren Verließ hinter der Wand James Moore (James McAvoy), ein Gefangener der dortigen militanten Religiösen. Es ist hier die Abwesenheit des lebenswichtigen Elements Wasser, die auf die große Metapher des Films und der Vorlage des Briten J.M. Ledgard hinweist. Denn verliebt hat sich James Moore in Dieppe, am Strand der Normandie. In die Biomathematikerin Danny Flinders (Alicia Vikander), die an einem Tiefsee-Tauchprojekt arbeitet, um den Ursprung des Lebens zu erforschen.

Ein sehr netter, gewitzter Flirt bringt die beiden zusammen, die sich eigentlich gerade allein auf ihr jeweils wichtiges Projekt vorbereiten wollen. Danny wird mit teuren Geräten auf gefährliche 3.400 Meter Tiefe abtauchen. Und James erzählt, dass er als Ingenieur in Südsomalia ein Wasserprojekt aufbauen will, doch eigentlich soll er für den britischen Geheimdienst eine Organisation infiltrieren, die Selbstmordattentäter nach Europa entsendet. So folgt den intensiven Tagen am Strand eine schwere Trennung. Schwer und definitiv, da James direkt nach seiner Ankunft von religiösen Kämpfern verhaftet wird.

Nun sind islamistische Attentate nicht wirklich ein großes Problem der Menschheit, mörderische Autos und der Alkohol wären da vorrangig anzugehen. Aber man darf Wenders und J.M. Ledgard zugute halten, dass sie nicht bei dieser dummen populistischen Argumentation stehen bleiben. Im sich selbst reproduzierenden Krieg der Religionen von Vor-Vorgestern stellt die Frage nach Gott eine der extremen Pole dieser grenzenlosen Geschichte dar. Eine Frage, in der die Liebenden durchaus anderer Meinung sind. Was einer grenzenlosen Liebe aber nicht im Wege steht.

„Ich war noch nie zuvor einsam", so drückt Danny ihr Gefühl aus. Und die Frau, der man so ziemlich alles zutraut, ist zunehmend irritiert, weil sie nichts mehr von James hört. (Alice Vikander ist hier wieder ihrem Typ entsprechend als junge, zarte Frau zu sehen und nicht aufgedonnert als „Lara Croft".) Die reizvoll geschnittene, intelligente Romanze „Grenzenlos" hält die Liebenden mit Rückblenden zusammen. Die Liebenden, die nun in jeweils eigener Isolation mit ihren Sehnsüchten und Gedanken fertig werden müssen. Sie bleiben filmisch miteinander verbunden, wie irgendwie alle Menschen auf dieser Erde miteinander verbunden sind.

„Grenzenlos" ist ein romantischer Film, aber in den Gesprächen und bildlichen Metaphern auch mythisch und dann wissenschaftlich bis zum Science-Fiction. Wim Wenders wendet sich wieder den großen Fragen der Menschheit zu, diesmal zum Glück in großer filmischer Form, wie schon bei „Bis ans Ende der Welt". Im Museum betrachtet James das Gemälde „Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich. (Dessen „Wanderer über dem Nebelmeer" stellt Wenders dabei verspielt leibhaftig ins Museum.) Dass es dabei tatsächlich mit einem Yellow Submarine an die Grenzen und den Ursprung des Lebens geht, ist noch so eine nette Spielerei, die „Grenzlos" auch schwerelos macht. Dabei ist er auf äußerst konzentrierte Weise packend bis zur letzten Begegnung im Wasser. Ein sehr komplexer und reizvoller Film, auf viele Weisen spannend, dabei nie laut, der reichlich Stoff zum Weiterdenken bietet. Die Todsünde des Papst-Films sei Wenders hiermit vergeben.