26.6.18

Love, Simon

USA 2017 Regie: Greg Berlanti, mit Nick Robinson, Katherine Langford, Alexandra Shipp 110 Min. FSK ab 0

Ja, es ist immer einer der ganz schweren Momente im Leben eines Jugendlichen, wenn der Sohn den entsetzten Eltern erklären muss, dass er ein Mädchen liebt. Oder die Tochter verschämt gesteht, dass sie auf Jungen steht. Diese Umkehrung unserer hetero-normierten Gesellschaft in witzigen Szenen zu erleben, gehört zu den vielen guten Momenten beim Coming Out des schwulen Schülers Simon. „Love, Simon" traut sich etwas im Deckmäntelchen eines typischen us-amerikanischen Highschool-Films, überzeugt aber vor allem durch sympathische Figuren.

Es wird anfangs etwas sehr betont, dass der 17-jährige Simon (Nick Robinson) ja „ein normales Leben" hat. Normal als Junge, der selbstverständlich mit Mädchen Beziehungen hat und das volle Heten-Programm normal mitmacht. So outet sich der beliebte Schüler, der Kinks vom Plattenspieler hört und sich zu Halloween als John Lennon verkleidet, nicht bei seiner Kindergarten-Freundin, nicht in der vertrauten Clique, sondern erst mal anonym online im Chat mit einem Unbekannten namens „Blue". Simon wird sich dabei richtig klar, was er nur leise ahnte: Er steht auf Männer und gerade besonders auf den knackigen Gärtner nebenan. Das Coming out passiert also per Email - was Simon nebenbei zum Smartphone-Abhängigen macht. Und dem herrlich verrückten Schuldirektor mit seiner Tirade gegen die Allgegenwart von Smartphones einen grandiosen Auftritt verschafft.

Denn „Love, Simon" ist gerade kein „Problem-Film". Das flott inszenierte Schülerleben wirkt sehr lebensnah, recht echt. Die Highschool-Welt mit den täglichen Ritualen, lebendig und originell ins Bild gebracht, dreht sich einfach weiter. Regisseur Greg Berlanti („Dawson's Creek", „Brothers & Sisters") baut zwar die komplette Highschool-Kulisse mit exzessiver Party und Football-Spiel auf, aber lässt alle dazugehörigen Klischees links liegen, um seine eigene Geschichte zu erzählen. Bei der dann ein wirklich eklig aufdringlicher und unangenehmer Mitschüler Simons Emails entdeckt und ihn erpresst. Der unausstehliche Sonderling will mit Simons Freundin Abby (Alexandra Shipp) zusammenkommen. Und der eigentlich sympathische und besonnene Junge verrät tatsächlich seine Freunde, damit er nicht geoutet wird.

Wie wunderbar, diese Vorstellung einer Welt, in denen sich die Heteros für ihre Vorliebe bei Eltern und Mitschülern erklären müssen. Und auch die Vision einer komplett schwulen Schule a la „Fame" macht mächtig Spaß. Nett, wie er sich den jeweiligen heißen Verdächtigen für sein ebenfalls anonymen Gesprächspartner vorstellt. Hier wird nebenbei mitfühlbar, wie repressiv das „Normale" der heterosexuellen Norm ist. Dabei ist „Love, Simon" allerdings kein „Call me by your name", kein traumhaft schönes Coming Out im Kreise gebildeter, einfühlsamer Menschen.

In „Love, Simon" bringt es selbst die Psychologen-Mutter nicht fertig, dass das Coming Out im Familienkreis wie eine Trauerfeier wirkt. Und im vertraulichen Gespräch wird Simon zum Wesen von einem anderen Planeten gemacht: „Das ist deine Sache", da kann ein „normaler" Mensch dann wohl nicht mehr helfen. Doch auch wenn der Film selbst seltsame Probleme mit Simons Vorlieben hat, sein Protagonist ist überzeugend in den schönen und auch immer wieder nett inszenierten Gedanken. Dieser fast ohne Panik suchende junge Mensch wird mit all den vielen Gefühlslagen von Nick Robinson („Du neben mir", „Jurassic World") sehr gut gespielt.

Obwohl - so gut und glaubwürdig alles gezeigt wird, erscheint der Verrat an seinen Freunden dramaturgisch schwierig. Man traut diesem recht vernünftigen Kerl so etwas nicht zu. Dann macht es allerdings klar, wie groß Simons Angst ist, geoutet zu werden. Und es verstärkt das Gefühl von Einsamkeit nachdem es dann doch alle wissen. Das Vorspiel zum voll romantischen Finale wirkt allerdings wie eine Pflichtübung, ausgeführt von einem anderen Team. Alle klärenden Gespräche stehen aufgereiht Schlange. Verdächtig demonstrativ betont jeder, dass alles bleibt, wie es war. Während die Schlussmontage das viel eleganter hinbekommt.

Die Umsetzung von Becky Albertallis Buch durch von Isaac Aptaker und Elizabeth Berger („This is us") überzeugt mit ein paar großen, schönen, bewegenden Momente und einer tollen Hauptfigur. „Love, Simon" bietet den besseren Highschool-Film und ein gut gemeintes Plädoyer für viele mutige Coming Outs.