4.6.18

Auf der Suche nach Oum Kulthum

BRD, Österreich, Italien, Marokko 2017 (Looking for Oum Kulthum) Regie: Shirin Neshat mit Neda Rahmanian, Yasmin Raeis, Mehdi Moinzadeh, Kais Nashif 91 Min. FSK ab 0

Mitra wandelt mit ihrer modernen Bekleidung quasi in der Vergangenheit der berühmten ägyptischen Sängerin Oum Kulthum (1904-1975) herum. Folgt in einem Dorf in vergilbten Farbtönen dem jungen Mädchen, das zur Zwangsheirat weggeben wird. Die Puppe als Symbol der Kindheit fliegt in eine Ecke. Das staunende Mitfühlen zeigt sich auf dem Gesicht der Filmemacherin. Plötzlich steht ein kleiner Junge in der historischen Szene und ruft „Mama!". Ihr Sohn ruft sie zurück in die Gegenwart. Dort castet die Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian) für ihren Film über Oum Kulthum. Ein Dreh mit einigen Problemen, an denen die zerrissene Künstlerin fast zerbricht.

Shirin Neshat, die iranisch-amerikanische Regisseurin von „Women without Men" (2009), realisierte keine gewöhnliche Biografie, das wird schon in den ersten Bildern deutlich. Die bildende Künstlerin verknüpft aussagekräftig das Leben des bewunderten Stars Oum Kulthum mit Frauen von heute: Oum Kulthum, die „Maria Callas Ägyptens", die durch ihre Berühmtheit in einer sehr patriarchalen Welt relativ unabhängig sein konnte. Dann die Lehrerin Ghada (Yasmin Raeis), die für die Rolle der Sängerin gecastet wurde, aber nur zögerlich die Aufgabe annimmt. Und schließlich Mitra zwischen den Welten, angefeindet für ihre Interpretation und als Exil-Iranerin, als „Fremde, die nicht mal Arabisch spricht". Bei Mitra wird der gefeierte Mythos der noch vierzig Jahre nach ihrem Tod in der muslimischen Welt verehrten Sängerin entzaubert und politisiert, wobei auffällig viel vom eigenen Karriere-Kampf der Regisseurin einfließt.

Immer wieder gibt es überraschende Wechsel zwischen Film und historischem Film-im-Film, die Gefühle und Situationen spiegeln sich. Shirin Neshat will vor allem mit Bildern, Farben und poetischen Szenen etwas vermitteln, auch wenn die Fakten nicht ausgespart bleiben. Ägyptens Geschichte von Nassers Revolution in den 50er Jahren bildet auch den Hintergrund für so etwas wie einen Polit-Krimi über die Haltung des Stars zum Herrscher. Frauen-Proteste für politische Rechte und Bildung gab es übrigens schon 1914, sie wurden allerdings blutig unterdrückt. Dies sind allerdings recht bekannte Positionen. Wie vieles wird hier eher der Status quo bestätigt, selten blitzen neue Erkenntnisse auf. Die Bilder zwischen den gesellschaftskritischen Behauptungen behalten trotzdem ihre eigenwillige Kraft. Und selbstverständlich auch die Musik von Oum Kulthum, die in nachgespielten Szenen nicht zu kurz kommt.