30.5.18

Tully

USA 2018 Regie: Jason Reitman, mit Charlize Theron, Mackenzie Davis, Mark Duplass, Ron Livingston, 96 Min., FSK ab 12

Nach der jungen Schwangerschafts-Komödie „Juno" erzählen Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody nun von der nicht so schönen Seite der Mutterschaft. Hauptdarstellerin Charlize Theron verkörpert mit viel Mut zur Normalität Marlo, die gerade ihr drittes Kind bekommen hat. Nicht geplant, denn schon nach dem zweiten bekam sie psychische Probleme. Doch auch wenn der Film genüsslich vorführt, dass Muttersein kein Zuckerschlecken ist, macht man sich um Marlo mit ihrem frechen Humor lange keine Sorgen.

Und so ist es ein großer Spaß, dem zuzusehen, was kein Spaß ist: Schon die Geburt erweist sich wieder nicht als der propagierte, große Glücksmoment. Der tagsüber schwer beschäftigte Ehemann ist keine große Hilfe, gelinde gesagt. Abends liegt er nur mit Computerspielen im Bett. Während das dauerschreiende Baby an den Nerven sägt, muss Marlo noch ihren autistischen Sohn besonders pflegen. Eine tägliche Streicheleinheit mit sanfter Bürste verhindert allerdings nicht, dass der Kleine jeden anderen als den gewohnten Parkplatz mit Gebrüll verweigert, auch wenn alles schon viel zu spät und mega stressig ist.

Schließlich willigt die völlig übernächtigte Marlo doch in den Vorschlag des reichen Bruders und seiner in allen Erziehungsphilosophien gewaschenen Muster-Frau ein, eine Night-Nanny zu engagieren. Also einen Babysitter nur für die Nacht, die das Kind sogar zum Stillen ans Bett der Mutter bringt, die danach sofort weiterschlafen kann.

Die junge fröhliche Nanny namens Tully (Mackenzie Davis) übernimmt in Minuten den chaotischen Haushalt bei Marlo, schickt die völlig ausgelaugte Mutter ins Bett und am nächsten Morgen gibt es noch eine aufgeräumte Wohnung sowie Cupcakes für die Kindergartenklasse des Sohns. Tully ist ein Wunder und traumhaft wie Julie Andrews als „Mary Poppins". Dabei aber mit mehreren Beziehungen ziemlich lebenslustig. In den nächsten Abenden und Nächten kommen sich Marlo und Tully immer näher, reden, lachen und erzählen von ihren Leben. Der Sonnenschein für die Nacht wird Therapeutin und Freundin.

Jason Reitman und seine Drehbuchautorin Diablo Cody schaffen es erneut, sehr realistische und glaubhafte Menschen in schwierigen Lebensphasen zu zeigen, und das mit lachendem und weinendem Auge zu präsentieren. Ausgerechnet der größte Stress für Marlo ist eine großartig komödiantische, genial flott geschnittene Szene. Das ehemalige Model Charlize Theron geht mit (künstlich) ausuferndem Körper ganz in dieser Rolle auf. Schon 2003 hat die Schauspielerin, die sich auch gerne in Action-Rollen wie bei „Fast & Furious" oder als „Atomic Blonde" zeigt, für „Monster" mal so eine extreme Transformation mitgemacht und dafür den Oscar erhalten.

Nun spielt Theron hervorragend, vor allem der wache Witz der ansonsten völlig erledigten Marlo gelingt ihr gut. Doch „Tully" ist so wunderbar und großartig wegen der Geschichte von Marlo, der Art des Erzählens von Reitman und der äußerst raffinierten Konstruktion des Films, der noch mit einer dicken Überraschung aufwartet. Einer echten Überraschung, ausnahmsweise! Selbst kleine, scherzhafte Verweise zu Horrorfilmen, wo die Mama als einzige überlebt und am Stock geht, werden später mit einem Augenzwinkern aufgegriffen. Ein ganz erstaunliches Kunststück über die noch größere Kunst, den ganz normalen Familienalltag als Frau zu meistern.