28.5.18

Feinde - Hostiles

USA 2017 (Hostiles) Regie: Scott Cooper, mit Christian Bale, Rosamund Pike, Wes Studi 134 Min. FSK ab 16

Ist „Hostiles" ein äußerst dummer „Cowboy und Indianer"-Film? Da werden in einem Film von 2018 doch tatsächlich noch „arme weiße Landräuber" dreist von den Ureinwohnern überfallen! Aber Regisseur Scott Cooper („Crazy Heart", „Black Mass") setzt dem direkt die Schreie einer gefesselten und gefolterten Apachen-Familie entgegen, die von US-Soldaten wie Vieh in Käfige eingesperrt wird.

Es ist das Jahr 1892 in New Mexico, die Besetzung des Landes scheint abgeschlossen. Die ursprünglichen Bewohner sind weitgehend „befriedet", also tot oder in Reservaten vegetierend. Die Soldaten haben bereits die Entlassung erhalten, doch der berüchtigte Indianerhasser und Offizier Joseph Blocker (Christian Bale) erhält den Auftrag, den totkranken Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi), der die vergangenen sieben Jahre im Gefängnis verbrachte, zum Sterben in dessen Stammesland nach Montana zu begleiten. Blocker würde sich fast lieber erschießen, als auf Befehl des US-Präsidenten den verhassten Gegner zu eskortieren, aber schafft es nicht. So muss er antreten, sonst wird ihm die Pension gestrichen.

So zieht ein kleiner Trupp los. Den Häuptling begleiten seine Kinder und Enkel. Blocker hat seinen alten Kumpel, einen unerfahrenen jungen Franzose und einen Neuling von der Elite-Akedamie West Point dabei. Doch sobald man aus der Sichtweite der liberalen Presse ist, werden die Cheyenne in Ketten gelegt. Und bald trifft man auf die junge Witwe Rosalie Quaid (Rosamund Pike), die als einzige den grausamen Komantschen-Überfall aus der ersten Szene überlebte. Mit der völlig traumatisierten Frau geht der harte Offizier Blocker äußerst einfühlsam um, gewährt ihr so ausführlich Zeit für einen Trauerprozess, als hätte er genau die richtigen Ratgeber dazu gelesen. Das gibt dem Film und Rosamund Pike Raum für eine Reihe ergreifender Schauspielmomente. Selbst um den „Kameraden", der zum ersten Mal einen Menschen umgebracht hat, kümmert man sich im Gespräch. Ist das hier Wilder Westen oder eine Selbsthilfe-Gruppe von Afghanistan-Veteranen?

Derweil haben die üblen Komantschen längst wieder zugeschlagen, den Trupp dezimiert und Blocker letztlich doch dazu gebracht, seinen anvertrauten Cheyenne die Ketten abzunehmen, damit man gemeinsam gegen die blutlüsternen Bösen kämpfen kann.

Anfangs wirkt es, als verteidige „Hostiles" in übler Genre-Tradition die Mörder und Sadisten in Uniform, weil „man ja so wird", da an der einen oder anderen Front. Dabei ist das Hinterhältige des Films, dass er gewaltig gut argumentiert und Eindruck schindet. Vor allem Christian Bale („Batman") gibt dem hasserfüllten Soldaten ein fesselnd eindringliches Gesicht. Während er noch in seinem Grimm und seinem Krieg steckt, findet um ihn herum bereits langsam Völkerverständigung statt. Dabei bewegen sich der kleine Trupp und der Film faszinierend ruhig fort, still begleitet von der exzellent eingesetzten Musik Max Richters („Waltz with Bashir", „Arrival", „Lore"). Auch die zwangsläufigen Überfälle der tatsächlich wild gewordenen Komantschen werden bodenständig unspektakulär inszeniert. Trotzdem steigt die Spannung enorm.

Nach einer Stunde scheint ein neuer Film anzufangen, als Blocker noch einen weißen Gefangenen transportieren soll - der ein alter Kampfgefährte von ihm ist. Beide haben bei der Ausrottung der Indianer grausame Dinge getan. Nun liegt der eine in Ketten, der andere bekommt eine Pension. Jetzt ist das Bild komplett für spannende Gedankengänge ums Morden, Hassen und Vergeben. Um eine gewisse Regelgebung beim Kriegs-Morden und den Umgang mit den psychologischen Folgen. Überall wird über Lager diskutiert. Nur dass es damals keine Flüchtlingslager, sondern Reservate waren. Wobei dieses ungewöhnliche Thema mehr ist als Gedankenspiel, da es in hervorragend gespielten und glaubhaften Figuren lebt.

Ein Treck der Geschundenen zieht mal nicht gen Westen, sondern von Süd nach Nord, durch gewaltiges Western-Dekor. Diese eindrucksvolle Umgebung steht im krassen Gegensatz zu einer Landschaft völlig verwüsteter Menschen. Wobei die letztendliche Mehrschichtigkeit der Figur von Blocker sich etwas einfach ergibt und das doch relativ weit verbreitete Schuldbewusstsein unter den Soldaten ein wenig realitätsfern erscheint. Trotzdem lässt sich ein atemberaubender Wandel im Laufe dieses Films mitmachen.

Aus etwas Güte und Hoffnung, die mitreiten, ergibt sich statt endloser Blutsfehden eine Verbrüderung im Leid. Der gegenseitige Respekt ist groß, auch der Respekt des Films, der die „native americans" ihre Sprache sprechen lässt. Wobei Regisseur und Autor Scott Cooper für seinen Anti-Helden Blocker und für die Zuschauer noch so etwas wie eine Abschlussprüfung im Stile des großartigen Eastwood-Western „Unforgiven" einfügt. Ein letztes, furchtbares Aufbäumen von rechtloser Gewalt der Ewiggestrigen fordert den müden Kämpfer noch einmal ...