14.5.18

Nach einer wahren Geschichte (2017)

Frankreich, Polen, Belgien 2017 (Based on a true Story - D'après une histoire vraie) Regie: Roman Polanski mit Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez 101 Min. FSK ab 12

Die leere, weiße Seite auf dem Bildschirm des Rechners. Immer wieder sitzt sie davor, die erfolgreiche Pariser Schriftstellerin Delphine (Emmanuelle Seigner), aber das Blatt bleibt leer. Seit ihr Roman über die Mutter zu einem Bestseller wurde. Und seitdem kommen auch die anonymen Drohbriefe angeblich im Namen ihrer Mutter, die Delphine beleidigen und ihr vorwerfen, eine wahre Familiengeschichte ausgebeutet zu haben. Bei einer Signierstunde trifft die unsichere Autorin auf Elle (Eva Green). Cool gestylt und kalt selbst im Lächeln schleicht sich diese Ghostwriterin für Berühmtheiten in Delphines Leben. Denn die Kinder sind aus dem Haus und ihr Mann, ein berühmter Literatur-Kritiker, muss gerade wieder T.C. Boyle und Ian McEwan in den USA und Großbritannien interviewen.

Dankbar lässt die erschöpfte Literatin die neue Freundin in die Wohnung einziehen und gibt auch ihr Computer-Passwort preis, damit Elle lästige Termine erledigen kann. Dafür wird die mysteriöse Frau, die vorher im Hochhaus gegenüber lebte, Delphine immer ähnlicher. So weit, dass sie sogar Lesungen an Schulen als Double übernehmen will. Die Pillen, die ihr gefüttert werden, machen die müde Autorin nicht wirklich fitter. Dann bricht die Handlung noch einiges übers Knie und Delphine aus heiterem Himmel ein Bein. Zum Glück ist die gefährliche Freundin, die gerade doch schon rausgeworfen wurde, wieder nicht weit und darf sich weiter kümmern. Und damit beide ihre Schreibaufträge endlich in Ruhe angehen können, fahren sie zu einem schön abgelegenen Ferienhaus, in dem Elle leckeren Tee kocht und es Delphine immer schlechter geht...

Der neue Film von Roman Polanski nach einem Roman von Delphine de Vigan drängt sich überdeutlich als Psychothriller auf. Elles Gesicht wird in den Reflexionen eines Glases in mehrere Facetten gebrochen - für den, der da noch nicht begriffen hat, dass diese Frau gefährlich wirken soll. Da wäre auch der exzessive Gewaltausbruch gegenüber einem Mixer, der nicht funktionieren will, nicht mehr nötig gewesen. Höchstens als Weckruf für Delphine, dass bei ihrem Gast auch etwas nicht richtig funktioniert. Dass dann Elles Erzählungen aus der Vergangenheit mit dramatischen Ereignissen, einer virtuellen Freundin und sogar Leichen gepflastert sind, wirkt geradezu albern. Komisch, auch weil Polanski das Drehbuch sogar mit Olivier Assayas („Personal Shopper", „Die Wolken von Sils Maria", „Carlos - Der Schakal") zusammen schrieb, der Psychologie noch im Schlaf richtig buchstabieren kann.

Doch Polanski, der Regisseur von „Der Ghostwriter", „Die neun Pforten" oder „Rosemaries Baby", inszeniert „Nach einer wahren Geschichte" etwas ungelenk und verweigert konsequent die Auflösung in Richtung Thriller. Wie einer, der das nicht kann. Dabei kann Polanski einiges, wenn nicht sogar alles. Also auch einen recht anspruchsvollen Subtext in dieses unerfüllte Genreversprechen hineinweben: Dass die Ghostwriterin Elle, was auf französisch sehr unspezifisch nur „sie" heißt, wie ein Geist nie von einem der Bekannten Delphines gesehen wird, ist unübersehbar. Wer könnte sie also sein, beziehungsweise, wenn soll sie symbolisieren? Eine schizophrene Abspaltung der Autorin wäre viel zu billig. Dazu drängt Elle Delphine dauernd, endlich mal etwas von sich selbst zu schreiben. Wogegen Delphine sich vehement wehrt. So ist ein vermeintlicher Gegensatz von Wahrheit und Fiktion dauernd präsent. Und die Auflösung erfolgt nicht in einem Thriller-Finale, sondern im Zusammenfallen von Wahrheit und Fiktion. Wie er begann, endet „Nach einer wahren Geschichte" mit einer Signierstunde. Mit Delphines neuem Roman, vom dem nicht klar ist, ob sich seine Geschichte wahrhaftig ereignet hat. Von dem nicht mal klar ist, wer ihn geschrieben hat. Delphine? Eine Ghostwriterin? Oder ein Geist, den Delphine erfunden hat...