5.6.07

Shooting Dogs


GB/BRD 2005 (Shooting Dogs) R: Michael Caton-Jones mit John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Claire-Hope Ashitey, Louis Mahoney, Nicola Walker, Steve Toussaint 114 Min.
 
Der dritte Film, der den Genozid in Ruanda "nachspielt", erweist sich als der umstrittenste. Das brutale Abschlachten von 800.000 Tutsi durch die verfeindete Bevölkerungsgruppe der Hutu im Jahre 1994 zeigt sich in "Shooting Dogs" als Randerscheinung. Die Schuld einer Handvoll Europäer spielt die Hauptrolle...
 
Auf dem Gelände einer katholischen Schule finden ein paar Tutsi Unterschlupf. In einer gespannten Situation fühlen sie sich neben den belgischen UN-Soldaten sicherer. Als der ruandische Präsident in seinem Flugzeug abgeschossen wird, starten die hasserfüllten Aufrufe eines Radiosprechers das schon lange geplante Morden der Hutu an den Tutsi. Die Straßen füllen sich mit durch Machetenhiebe grausam niedergemetzelten Körpern. 2500 Tutsi fliehen in die Schule, wo sich eine europäische Dreifaltigkeit aufopferungsvoll kümmert. Der idealistische, junge Lehrer Joe Connor (Hugh Dancy), der englische Pater Christopher (John Hurt) und der belgische UN-Offizier Capitaine Charles Delon (Dominique Horwitz). Obwohl sich die Meuchelhorden um den Zaun der Schule versammeln, bleibt den Soldaten nichts anderes übrig, als die Hunde zu erschießen, die sich über die Leichen hermachen. Die Mörder durfte die UN-Mission gemäß Mandat nicht stoppen! Das meint auch der zynische Filmtitel.
 
Es geht in "Shooting Dogs" nicht um die Hintergründe des Genozids, auch die Mechanismen des gesteuerten Volkszorns werden nur angedeutet. Das Grauen bleibt meist am Rande, das Bangen um die paar weißen Helfer erscheint viel wichtiger. Sie sollen, für "uns" verständlicher, das Ungeheuerliche spiegeln. Aber ist das nicht ähnliche Geringschätzung afrikanischer Figuren oder Schauspieler, die auch letztlich mit der Geringschätzung afrikanischen Lebens Hand in Hand geht? Erst das himmelschreiende Desinteresse der Weltgemeinschaft machte das Schlachten über 100 Tage möglich. Die Europäer wurden evakuiert und auch hier spielen sie die Hauptrolle.
 
"Last King of Scottland" thematisierte noch die eingeschränkte Perspektive des jungen, europäischen Leibarztes des Diktators und Schlächters Idi Amin, dramatisierte einen Erkenntnisprozess. Auch die beiden anderen Ruanda-Filme, Terry Georges "Hotel Ruanda" und Raoul Pecks "Sometimes in April", nehmen die Perspektive der Opfer ein.
 
Was nicht heißt, dass man nicht jedes Mal von Wut, Entsetzen und Abscheu überwältigt wird, wenn die Rassentrennung vor den rettenden Lastern stattfindet. Indem "Shooting Dogs" das Einpacken der Soldaten und den abschließenden Segen des Priesters parallel montiert, höhnt er den einfachen Trost des Glaubens. Allerdings ist Pater Christopher der einzige aufrechte Weiße. Er gibt alles, um seine Kinder zu retten. Im Finale treibt "Shooting Dogs" den real stattgefundenen Zynismus auf die Spitze. Lässt keine Hoffnung überleben.
 
Der weise Priester und Menschenfreund Christopher hat den stärksten Part, was wohl auch an John Hurt liegt, der jeder Rolle etwas Besonderes gibt. Dominique Horwitz wirkt etwas zu weich als belgischer Offizier. In "Hotel Ruanda" konnte Nick Nolte dem harten Soldaten mit den fast depressiven Zügen angesichts der von oben befohlenen Tatenlosigkeit viel mehr Profil geben. Wobei es vielleicht als gute Besetzung erschien, dass die vom jüdischen Horwitz gespielte Figur ihre Motivation aus einer Holocaust-Geschichte gewinnt.
 
Der umstrittene Film wurde an Originalschauplätzen gedreht, mit Hutu, die den Genozid überlebt haben. Erst im Abspann werden ihre Geschichten kurz ausgeleuchtet. Vielleicht der beste Teil des Films.