5.6.07
The Namesake - Zwei Welten, eine Reise
USA 2006 (The Namesake) Regie: Mira Nair mit Kal Penn, Irfan Khan, Tabu 122 Min. FSK: ab 6
Schon die erste Szene in den USA schmerzt vor Einsamkeit: Eine leere, dunkle Wohnung, grau verschneite Straßen, ein nicht besonders einfühlsamer Partner. Die junge Bengalin Ashima folgte ihrem Mann Ashoke nach der arrangierten Hochzeit vom sonnenüberfluteten, farbigen und lebendigen Indien an die kalte Ostküste der USA. Das ist der Beginn eines großen Familienepos über die Heimatlosigkeit zwischen zwei Welten.
Über Jahrzehnte und zwei Generationen verfolgt "The Namesake", wie sich erst der Vater und dann der Sohn Gogol assimilieren. In einer Verlegenheit nach dem russischen Autor benannt, hat der junge Mann Gogol nur Probleme mit seinem Namespatron (Namesake) und legt sich deshalb gleich auch einen neuen amerikanischen Nachnamen zu. Dazu eine blonde Freundin aus gänzlich anderem Milieu. Dieser Tief-Punkt der Entfremdung kann auch nach dem Tod des Vaters nicht mit dem anderen Extrem ausgeglichen werden: Die Heirat mit einer schon zu weit emanzipierten Bengali scheitert. Mitten in dieser zusammengerafften Entwicklung leidet die zerrissene Seele Ashimas.
Die Generationen der Männer bilden die handelnden Gegenpole: Ein Vater, dessen Liebe erst spät erkannt wird. Ebenso wie die Bedeutung des Namens "Gogol", der nicht für einen verrückten Russe stand, sondern auch für den Beginn eines neuen Lebens, für den Mantel der Liebe, den Ashoke für seine Kinder ausbreitet.
Die unstillbare Sehnsucht nach der Heimat zeigt sich immer wieder in Bilder aus Indien, die den kalten Straßenzügen, den mit Metall und Stein verbauten Blicken, gegenüber gestellt werden. Die beiden Kinder wirken in Indien schon kurios, bald treibt aber die ganze Familie bei Urlauben dort ängstlich wie Touristen in den Farb- und Menschenmeeren.
Trotz großer Zeitsprünge mit den passenden Wechseln in reizvollen Retro-Kostümen und -Kulissen bleibt Mira Nair liebevoll nah an ihren Figuren. Dass sie auf so vielen Ebenen erzählt, in Landschafts-Stimmungen abdriftet, dann Familien- ebenso wie ganz einsame Szenen meistert, macht "The Namesake" zu einem außergewöhnlich reichen, ebenso üppigen wie dichten Film.
Die aus Indien stammende und in Amerika arbeitende Mira Nair erzählte schon immer gleichzeitig mit guten, dichten Bildern und mit einfachen, klaren Dialogen. Nach dem ersten Erfolg "Salaam Bombay!" (1988) folgten "indische-amerikanische" Filme wie "Mississippi Masala" oder "Monsoon Wedding" aber auch Auftragsarbeiten ohne besondere Handschrift, von denen "Vanity Fair" den Tiefpunkt bildete.