18.12.22

Oskars Kleid


Deutschland 2022, Regie: Hüseyin Tabak, mit Laurì, Florian David Fitz, Marie Burchard, 122 Min., FSK: ab 6

Ben (Florian David Fitz) ist das Muster eines frustrierten geschiedenen Familienvaters: Der Polizist ist nicht nur als Vater ein Versager, dazu ist er auch noch Ausländer- und Schwulen-feindlich, aggressiv, in jeder Hinsicht inkorrekt, ein netter Idiot und Ekel als Hauptfigur. Als seine Ex-Frau Mira (Marie Burchard) wegen einer schwierigen Schwangerschaft ins Krankenhaus muss, entführt er die gemeinsamen Kinder Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) zu sich, obwohl das eindeutig die schlechtere Lösung ist. Nun nimmt der gar nicht „woke" Wachmann die Kinder mit in den Dienst und gibt sie in der Spielecke vom Möbelhaus ab, während er sich mit Demonstranten prügelt.

Doch die wahre Herausforderung liegt darin, dass der neunjährige Sohn Oskar am liebsten Kleider trägt und jetzt Lili heißen will. Er wird von Mutter und Stiefvater Diego (Juan Lo Sasso) „als Transgender gelesen". Für Ben, der nicht besonders viel mit seiner Ex redet (und scheinbar seine Kinder nicht allzu oft sieht), ein Schock. Er schmeißt Oskars Lieblingskleid in den Müll, doch Diego bringt einen ganzen Koffer mit Mädchen-Klamotten. Oskar selbst hat keine Probleme, wird zum Unglauben der alten Männer nicht in der Schule verhauen. Was allerdings an einem Trick der Mutter liegt, die ihn als Mädchen an der Schule anmeldete. In seinem blindwütigen Aktionismus startet der Vater ein Umerziehungsprogramm, macht betont „Männersachen" und schickt Oskar mit Jungens-Kram in die Schule, was zu einer Katastrophe führt. 

Drehbuchautor Florian David Fitz und Regisseur Hüseyin Tabak wollten sich in der Vater-Sohn-Geschichte „Oskars Kleid" mit dem lange Zeit wenig beachteten Thema Transgender-Kinder „auf nachdenkliche und zugleich unterhaltsame Weise" beschäftigen. Herausgekommen ist ein überfrachteter Krampf, der als grobe Klamotte beginnt und so gerade die Kurve zu einer einfühlsamen Geschichte bekommt. Nun mag der Wandel von grob zu mitfühlend exakt dem Zustand des Polizisten Ben entsprechend. Glaubhafter wäre diese Figur allerdings, wenn sie nicht in allen Facetten unmöglich starten würde. Denn auf der Strecke bleiben zu viele Kollateralschaden: Nur weil Ben nun seinen Sohn Lili nennt und ihn selbst im Rock zur neuen Schule bringt, soll das mit der Ausländerfeindlichkeit ok sein? Und weil der verzweifelte Grobian bei einem alten Transvestiten Rat sucht, wird er diese später anständiger behandeln? Überhaupt, in welcher Zeit sind wir, wenn Transvestiten-Demonstrationen auf der Polizeistation enden?

Im Gegensatz zu wirklich einfühlsamen Filmen wie „Tomboy" von Céline Sciamma oder „Girl" von Lukas Dhont erleben wir nicht die Perspektive des Transgender-Kindes. Hier staunen die Außenstehenden, dass ein Neunjähriger sagt, seine Kinderbilder seien „falsch". Das ist teilweise die Verlagerung von Positionen einer krampfhaften Diskussion in einen krampfhaft komischen Film. In „Oskars Kleid" diskutiert auch die Generation der Großeltern: „Aber das ist doch eine interessante Frage. Wie kann sich ein Kind in dem Alter sicher sein, dass es in der falschen Haut steckt? Woher kommt das?" Trotz viel thematischem Geholpere bringt die routinierte Kompetenz des deutschen Komödien-Kinos die Geschichte zu einem rührenden und glücklichen Ende. So gut können Kida Khodr Ramadan, Burghart Klaußner und Senta Berger allerdings nicht spielen, dass man die Webfehler vergessen würde.