7.4.21

Jesus Rolls / digitaler Download, DVD, Blu-ray


Unter den klassischen Szenen des großen Genres Bowling-Filme gibt es Bill Murray mit wehendem Toupet in „Kingpin" und John Turturro im lila Glitzer-Dress, der in „The Big Lebowski" als Jesus Quintana vor jedem Strike die Kugel leckt! Der großartige Schauspieler („Barton Fink", „O Brother, Where Art Thou?", „Transformers") und Regisseur Turturro („Mac", „Illuminata", „Plötzlich Gigolo") lässt die Nebenfigur Jesus wiederauferstehen. Nicht als „The Big Lebowski 2", sondern als Remake von Bertrand Bliers französischer Sexfilmkomödie „Die Ausgebufften" („Les Valseuses", 1974) mit schlankem Gerard Depardieu. Neben Turturro selbst treten Audrey Tautou, Christopher Walken, Susan Sarandon und Jon Hamm aus „Mad Men" auf.

Ja, da ist er wieder: Jesus Quintana (Turturro), der genial wahnsinnige Bowler. Im alten lila Glitter-Anzug und mit Haarnetz verlässt er stolz den Knast. In der Nachbar-Zelle wird ein Mariachi gespielt. Draußen wartet sein Kumpel Petey (Bobby Cannavale) auf ihn und zuerst klauen die Jungs auf Bewährung dem Haarstylisten Paul Dominique (Jon Hamm) sein Angeber-Auto. Damit geht es zur Mama (Sonia Braga), um mit viel Macho-Gehabe ihren Kunden rauszuschmeißen. Mama arbeitet immer noch als Prostituierte. Beim Versuch, Paul Dominique seinen Wagen zurückzubringen, fängt sich Petey eine Kugel am Hintern ein und Jesus trifft seine ehemalige Geliebte Marie (Audrey Tautou) wieder. Zu dritt fliehen sie weiter, es wird geraubt, betrogen, gewonnen und verloren. Wobei das bi-sexuelle Pärchen aus Petey und Jesus in wechselnden Konstellationen beim Hetero-Gehabe lächerlich wirkt.

Turturros wilde Geschichte erinnert schon in einzelnen Standbildern an „Die Ausgebufften" – 1974 provokant mit jungem Gérard Depardieu, Patrick Dewaere und Miou-Miou. Dass so ein anti-bourgeoises kriminelles Verhalten heutzutage noch aufregen soll und eine Freigabe erst ab 16 erhält, irritiert dabei am meisten. Während die Französin Audrey Tautou („Die fabelhafte Welt der Amélie") in Nachfolge von Miou-Miou recht freizügig eine einfältige Friseuse gibt, beschränkt sich das Sexualleben der Jungs auf nächtliches Kuscheln. Wenn Petey und Jesus Marie dann Orgasmus-Nachhilfe geben wollen, zeigt sich der Stoff doch erstaunlich überholt. Grenzüberschreitend dabei nur die Roadtrips in die ländliche Umgebung New Yorks. Es ist eine schräge Mischung aus Albernheiten und Bewegendem, wenn die Kerle weinend in Maries Armen liegen, nachdem sich die letzte Frau in ihren Armen umgebracht hat.

„Jesus Rolls" ist bei weitem kein Nachfolger für „The Big Lebowski". Ohne den Ruhepol „Dude" Lebowski (Jeff Bridges) verläuft das Blier-Remake wild und hektisch. Tatsächlich gibt es nur eine Bowling-Szene und wenig Gipsy Kings als musikalische Begleitung. Schwächen überspielt jedoch ein erstaunlich prominentes Ensemble: Christopher Walken, mit dem er schon bei „Illuminata" zusammengearbeitet hat, gibt kurz einen Gefängnis-Direktor, der wegen eines Bowlings-Erfolgs der Knast-Mannschaft unendlich dankbar ist. Der junge Pete Davidson („The King of Staten Island") hat einen netten Kurzauftritt als kurzzeitig Entlassener. Susan Sarandon spielt in der schönsten Rolle des Films eine frisch Entlassene, die Jesus als vermeintlich willige Sexualpartnerin aufliest. Großzügige Gesten im Stil eines Gentlemans verwandeln den groben Klamauk in eine anrührende Episode. Letztlich findet der Film aber auch Poesie im Scheitern des hemmungslosen Trios.

„Jesus Rolls" (The Jesus Rolls, USA 2019), Regie: John Turturro, mit John Turturro, Bobby Cannavale, Susan Sarandon, Audrey Tautou, Christopher Walken, 83 Min., FSK: ab 16