10.6.14

Oktober November

Österreich 2013 Regie: Götz Spielmann mit Nora von Waldstätten, Ursula Strauss, Peter Simonischek, Sebastian Koch, Johannes Zeiler 114 Min. FSK: ab 12

Die erste Szene legt die Messlatte direkt am Anfang ziemlich hoch: Zwei Schauspieler - Frau und Mann - unterhalten sich beim Abendessen über seine flache Rolle beim bevorstehenden Filmdreh. „Meine Figur ist nur ein Pappkamerad!" Er checkt zur Sicherheit noch kurz ab, wie denn ihr Beziehungsstand ist, doch der TV-Star Sonja (Nora von Waldstätten) bereitet sich lieber wie gewohnt perfektionistisch vor. Außerdem erwartet sie in der Toilette des Restaurants noch eine üble Begegnung mit der Ehefrau eines Ex-Liebhabers. Dies sind kurze, intensive Szenen zur Vorstellung der prägnanten Figur Sonjas. Und zum permanenten Abgleich, ob auch in Götz Spielmanns großartigem Spielfilm „Oktober November" Pappkameraden rumlaufen, oder die Dialoge doch wesentlich mehr Substanz haben, sehen wir als Film im Film ein paar eher schlimme TV-Aufnahmen.

Sonjas Traum - oder Vision? - eines Fisches, der auf dem Trockenen zappelt, leitet die Handlung zu ihrer bodenständigen Schwester Verena (Ursula Strauss), die mit Mann Michael (Johannes Zeiler) und Sohn Hannes (Andreas Ressl) in der geschlossenen Dorfgaststätte des Vaters (Peter Simonischek) lebt. Der alte Mann erleidet einen Herzinfarkt wird aber reanimiert - ausgerechnet vom heimlichen Geliebten Verenas, dem Dorfarzt Andreas (Sebastian Koch). Selbst als Sonja ihre Wirkung auch an Andreas ausprobiert, driftet „Oktober November" nicht in ein übliches Drama ab. Der Film beobachtet vor allem die so unterschiedlichen Schwestern sehr genau und lässt einem keine Chance, selber auch genau hin zu sehen: So wird Sonja immer wieder von der Kamera (Martin Gschlacht)
in engen Rahmen gesteckt. Das Gefühl, im eigenen Leben keine Luft zu bekommen, überträgt sich beim Zusehen. Nachdem der Papa ein Nahtod-Erlebnis hatte und versichert, dass es „dort drüben" sehr schön ist und man keine Angst zu haben braucht, bekommt beispielsweise ein Licht am Ende eines langen Ganges eine ganz andere Bedeutung.

Schon im ersten Gespräch der Geschwister zeigten sich ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe und die Gräben zwischen ihnen. Kleine - „wo ist der Himmel?" - und große Lebensfragen stehen plötzlich in den verlassenen Räumen und Gängen der alten Wirtschaft. Der vorher scheinbar grimmige Vater legt nun eine schier buddhistische Gelassenheit an den Tag: „Das Leben ist schön, man muss gar nichts ändern." Eine Sache will er allerdings doch noch regeln. Wenn Götz Spielmann („Revanche",„Antares") auch undramatisch erzählt, die Handlung ist nicht ohne ... Überraschungen. Die im Herbst (des Lebens?) durchziehende Pilgerschar, welche die verlassene Gaststätte kurzzeitig mit Gebet und Gesang belebt, kann nur ein „Vergelt's Gott" und keinen Trost spenden. Ironischerweise begeistert sich eine der Religiösen über Gebühr für die bekannte Schauspielerin - nicht der einzige Hinweis auf eine spirituelle Ebene.

Dabei ist das was als Demontage von Schauspielern begann, eine ganz große Nummer der exzellenten deutschsprachigen Darsteller. Zusammen mit dem Szenenbild machen sie einen von der Papierform her unspektakulären Film zur großen Entdeckung.