Im Reigen vieler Wiederaufführungen ist 25 Jahre nach dem Start und dem Regiepreis in Cannes eine wunderbare Filmperle in remasterter Version zu entdecken: „Yi Yi" war der letzte Film und emotionaler Höhepunkt der kurzen Karriere des 2007 verstorbenen taiwanesischen Regisseurs Edward Yang.
Eine Hochzeit in Taipeh: Die Familie ist in Aufruhr, wilde Hochzeitsriten sorgen für Geselligkeit. Doch als NJ, der Bruder der Braut, zufällig seine erste Liebe trifft, beginnt sein inneres Chaos. Der stille Familienvater und Musikliebhaber beobachtet kritisch den Umbruch in seinem Computerunternehmen. Zuhause strapaziert der Schlaganfall der Schwiegermutter die Familie. NJs Frau sucht Zuflucht bei Mönchen, während Vater und Tochter, ohne voneinander zu wissen, gleichzeitig mit romantischen Abenteuern beschäftigt sind. Im Zentrum steht jedoch die Perspektive des klugen und aufmerksamen Sohnes von NJ, der sich wie sein Vater viele Gedanken über das Leben macht. Seltsame Momentaufnahmen mit einer Fotokamera verbinden sich mit naiv philosophischen Gedanken. Dabei leidet er in der repressiven Schule unter der totalitären Kontrolle eines dummen Lehrers.
Edward Yang, der bedeutende Chronist taiwanesischer Geschichte(n) („A Brighter Summer Day", „A Confucian Confusion"), gelang ein auf leise, stimmige Weise fesselndes Gesellschaftsporträt. Ein Meisterwerk, das hervorragend gealtert ist – die Themen wirken aktueller denn je: Die Stimmung in Taipeh ist angespannt. Auch die „Tiger-Staaten" haben nach einer Periode des Aufschwungs wirtschaftliche Probleme. Es ist eine Zeit der Unsicherheit – in jeder Hinsicht. Die Familie fällt auseinander, niemand kümmert sich um die Alten, jeder nur um sich selbst. Allein der junge Sohn träumt noch von seiner inzwischen verstorbenen Großmutter. Im humorvollen Zwiegespräch mit dem Vater werden noch einige hergebrachte Werte gewürdigt. Trotz der distanzierten Kamera mit starren Einstellungen bringt uns Yang diese Familie einfühlsam und fein näher – da möchte man auch nach drei Stunden noch keinen Abschied nehmen.
Yi Yi (Taiwan/Japan 2000), Regie: Edward Yang, mit Wu Nianzhen, Elaine Jin, Kelly Lee, 173 Minuten, FSK: ab 6