12.9.17

Das Löwenmädchen

Norwegen, BRD 2016 (Løvekvinnen) Regie: Vibeke Idsøe mit Ida Ursin-Holm, Mathilde Thomine Storm, Aurora Lindseth-Løkka, Rolf Lassgård 118 Min. FSK: ab 12

Unter sehr dramatischen Umständen wird im Winter 1912 in einer kleinen norwegischen Stadt ein Mädchen geboren, während die Mutter stirbt. Nur langsam gewährt der Film einen Blick auf das haarige Baby. Das Entsetzen in den Gesichtern der Menschen deutet etwas an. Ebenso das Widerstreben des Vaters, das Kind anzunehmen. Denn Eva Arctander trägt dichtes Fell am ganzen Körper und auch im Gesicht. Doch der sehr großherzige Stationsmeister Gustav Arctander (Rolf Lassgård) findet eine Amme, die bei ihm einzieht, und lässt Eva mehr als behütet aufwachsen. Denn sehr wohl bewusst von der Aufmerksamkeit, die ein „Löwenmädchen" nicht nur in der Provinz erregt, darf Eva nicht aus dem Haus und sich nicht am Fenster sehen lassen. Ein erster Versuch, mit dem Kind in die Öffentlichkeit zu gehen, kippt nach vielversprechendem Beginn. Allerdings blitzt hier auch zum ersten Mal der unbeugsame Charakter des Mädchens auf.

Nach Erik Fosnes Hansen gleichnamigem Roman erzählt „Das Löwenmädchen" zuerst von den Gefühlslagen des liebevollen Stationsvorstehers. Die runde Inszenierung schafft es tatsächlich, im Detail diese extreme Situation des isolierten Aufwachsens zu vermitteln. Das ist rührend und bedrückend, die Musik verstärkt diese Stimmungen im grenzwertigen Maße. Dass Eva letztlich doch in einem Zirkus landet, der „Gesellschaft der Außergewöhnlichen" von Direktor Johannes Joachim (Burghart Klaußner), und mit anderen besonderen Menschen zur Schau gestellt wird, wäre ein trauriges Ende gewesen. Freundlicherweise zaubert die Geschichte noch ein Happy End aus dem Hut.

Eva erlebt viel: Den Gewalttaten grausamer Kinder folgen die Perversionen skrupelloser Wissenschaft, bei der Eva wirklich zum Ausstellungsobjekt wird. Allerdings bleibt das Innere der Hauptfigur seltsam bedeckt. „Das Löwenmädchen" erreicht selbstverständlich nicht die menschlichen Tiefen und den emotionalen Einschlag von David Lynchs „Elefantenmensch". Es bleibt eine bei allem Kampf und aller Ausgrenzung immer nur mäßig temperierte Geschichte.