24.1.16

Im Schatten der Frauen

Frankreich, Schweiz 2015 (L'ombre des femmes) Regie: Philippe Garrel mit Clotilde Courau, Stanislas Merhar, Lena Paugam 73 Min. FSK: ab 12

Die Zeitmaschine Film funktioniert mal wieder vortrefflich: Schlichte Schwarz-Weiß-Bilder, eine sachliche Romanze, dazu der nüchterne Off-Kommentar wie bei Truffaut, die nur kurzen musikalischen Intermezzi – „Im Schatten der Frauen" könnte Nouvelle Vague sein, die französische Film-Welle der späten Sechziger. Doch nur der Regisseur Philippe Garrel und Drehbuchautor Jean-Claude Carrière stammen daher, die Geschichte ist frisch von heute: Die Dokumentarfilmer Pierre (Stanislas Merhar) und Manon (Clotilde Courau) leben schon lange zusammen. Gerade porträtieren sie einen Widerstandkämpfer. Sie teilen das Engagement für die politischen Themen und sie teilen auch seine Erfolglosigkeit. Die recht lieblose Alltags-Beziehung führt Pierre zu einer Affäre mit der jüngeren Elizabeth (Lena Paugam) aus dem Filmlabor. Doch Elizabeth will mehr, folgt Manon und entdeckt, dass auch sie einen Liebhaber hat. Nun reagiert Pierre völlig dramatisch und schmeißt seine Freundin schließlich raus. Die Affäre seiner Frau kann er nicht ertragen.

Das nüchterne Beobachten des typischen Blödsinns, der so gern in Beziehungen geschieht, geht bei „Im Schatten der Frauen" wunderbar einher mit einem doch gefühlvollen Miterleben. Tolle Schauspieler vermitteln eine intime Nähe zu den Figuren. Stanislas Merhar gibt mit seinen leicht brutalen Gesichtszügen dem passiven Pierre eine reizvolle Dimension. Lena Paugam hat in ihren Bewegungen und im schüchternen Lächeln etwas von der jungen, noch linkischen Charlotte Gainsbourg.

Doch die Qualitäten dieses feinen, reizvollen und bemerkenswerten Films sind vor allem auf Regisseur Philippe Garrel und Drehbuchautor Jean-Claude Carrière zurückzuführen: Garrel, der in Venedig 2005 für seinen „Unruhestifter" den „Silbernen Löwen" für die Beste Regie und auch noch den Kamerapreis (für William Lubtchansky) erhielt, drehte schon 1964 als 15-Jähriger Filme. In Deutschland wurde er erst in den Achtzigern einem kleinen Kreis bekannt. Auch Jean-Claude Carrières Arbeiten gehen zurück in die Sechziger Jahre, allerdings äußerst prominent mit Louis Malles „Viva Maria" und Buñuels „Belle de Jour". Zudem schrieb er unter vielen anderem die Bücher zu Schlöndorffs „Die Blechtrommel", Andrzej Wajdas „Danton" und Philip Kaufmans „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Da verwundert die Stimmigkeit der Beziehungs-Unstimmigkeit nicht mehr, da versteht man, weshalb man diesen Figuren so uneingeschränkt und gerne auf ihren kleinen, gemeinen Abwegen folgt.