19.1.16

Brooklyn

Irland, Großbritannien, Kanada 2015 Regie: John Crowley mit Saoirse Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson, Jim Broadbent 112 Min. FSK: ab 0

Wo bei der Überfahrt der „Titanic" das Drama so schwer wurde, dass sich das völlig mit Emotionen überfrachtete Schiff schließlich zum Untergehen entschloss, gibt es in „Brooklyn" auf dem Auswandererschiff - neben dramatisch viel Seekrankheit - nur zweimal die fast sachlichen Ratschläge einer schon erfahrenen Neu-Amerikanerin an die junge Emigrantin aus Irland: Schmink dir was Farbe ins seekranke Gesicht und schau wie die Amerikaner - als wenn du weißt, was du willst.

Die feinen Gefühlregungen der jungen Eilis Lacey (Saoirse Ronan), einer irischen Einwanderin, die in den 1950er Jahren in der irischen Gemeinschaft Brooklyns landet, sind das Faszinierende an dieser Verfilmung von Colm Toibins gleichnamigen Roman, zu dem Nick Hornby („Fever Pitch", „High Fidelity") das Drehbuch geschrieben hat.

Heimweh bestimmt die ersten Monate von Eilis, die dank gut vernetzter irisch-katholischer Seilschaft direkt eine Unterkunft in einem Mädchen-Pensionat und einen Job in einem Kaufhaus bekommt. Dort müsste die stille Frau hinter der Theke dauerlächeln, was ihr nie gelingt. Erst als der nur positive Father Flood (Jim Broadbent) ihr einen Abendkursus für Buchhaltung besorgt, lebt Eilis auf. Und dann richtig, als sie bei einem der total kontrollierten irischen Tanzabende einen süßen kleinen Italiener trifft. Die Liebe von und auch etwas zu Antonio "Tony" Fiorello (Emory Cohen) ist pures Glück, selbst wenn der Besuch bei seiner Familie zum Spaghetti-Essen eine schwere Geschicklichkeits-Prüfung darstellt.

„Brooklyn" schmeichelt dem Zusehen nicht nur mit einer äußerst sympathischen Hauptfigur, er erfreut auch mit schönem Humor in einigen Situationen, obwohl man hier nicht den von Nick Hornby erwarten sollte. Selbstverständlich haben die Mitbewohnerinnen mit Eilis vorher das nicht nur für Iren schwierige Spaghetti-Kunststück geübt. Mögen die wilderen Damen auch noch so frech und aufgedonnert daherkommen, mag sich die Geschiedene in der Pension auch kühl geben, irgendwann trumpfen sie doch mit viel Herz auf.

Drama gibt es dann doch noch, als Eilis für ein Begräbnis zurück nach Irland muss. Sie ist nicht mehr die gleiche, sie sagt nur noch, was sie will und den meisten ihre Meinung. Dabei ist auch hier wieder alles von anderen geregelt: Es gibt einen Job für sie, der alleinstehende Jim hat ein Haus übrig…

Ausführlich und ohne übertriebene Dramatik kann das Gefühlsleben einer stillen, jungen Frau aus Irland begeistern. Das liegt neben der schönen Geschichte, der reizvollen historischen Kulisse und der sicheren Inszenierung vor allem an einer Darstellerin, die das alles über zwei Stunden tragen und vermitteln kann. Saoirse Ronan, die Agatha aus der Komödie „Grand Budapest Hotel" und die Hanna aus dem Action-Film „Wer ist Hanna?", war schon für einen Golden Globe nominiert. Das hat zwar nicht geklappt, aber sie könnte noch verdient Beste Hauptdarstellerin bei den Academy Awards werden.