21.12.07
Tödliche Versprechen
GB, Kanada 2007 (Eastern Promises) Regie: David Cronenberg mit Viggo Mortensen, Naomi Watts, Vincent Cassel 101 Min. FSK: ab 16
So wie Hardrockern oft sehr schöne Balladen gelingen, scheint auch das Handwerkszeug der Horrorfilmer für komplett gelungene Filmkunststücke zu prädestinieren. David Cronenberg verstörte nachhaltig mit "eXistenZ", "Crash", "M. Butterfly" und "Naked Lunch", doch mit seinem letzten Film "History of Violence" verschwand das Abgedrehte, für das kanadische Filmförderung immer etwas (Geld) übrig hat. Die Geschichte eines braven Familienvaters (Viggo Mortensen), dessen "Geschichte der Gewalt" entdeckt wird, war nur noch gut, klug und packend.
"Tödliche Versprechen" hält, was Cronenberg verspricht: Der dichte Thriller ist von der ersten Szene an nichts für Zartbesaitete. Tod im Doppelschlag und eine Geburt dazu ... selten wurde der Popcorn-Terror im Kino so effektiv gestoppt. Doch anders als bei den so populären, immer härteten Metzgereien, kommt die Brutalität hier nicht als Selbstzweck daher. Wieder, wie schon bei "History of Violence" dreht sich alles um Gewalt und Identität. Im Milieu der russischen Mafia Londons sehen wir sensible Mörder, zynische Killer, unfassbar brutale Tiere hinter freundlichem Lächeln - dabei enthält fast jede Szene einen Denkanstoss über das dunkle Wesen der Menschen.
Während ein Kunde im Friseursalon final unters Messer kommt, stirbt ein junges Mädchen bei der Geburt ihrer Tochter. Anna (Naomi Watts), die Hebamme russischer Abstammung, versucht Bekannte oder Verwandte der Toten zu finden, ein kyrillisch geschriebenes Tagebuch soll dabei helfen. Annas Onkel will das Buch einer Toten anfangs nicht übersetzen, so führt es die Neugierige zum russischen Restaurant von Semyon (Armin Mueller-Stahl). Der freundliche Chef lächelt schwer aus seinem faltigen Gesicht und verspricht Hilfe. Dass Anna ausgerechnet im Herz der russischen Mafia-Finsternis landete, ahnt sie nur intuitiv.
Das Buch dieses packenden und erschreckenden Thrillers stammt vom Autor des völlig übersehenen Frears-Sozialdramas "Dirty Pretty Things" - unverkennbar in den motivischen Ähnlichkeiten. Cronenberg macht allerdings aus den sozialen Realitäten einen ganz anderen Film: Der Anfangszustand des Schreckens hält an und verstärkt sich mit dem Durchleben grausamer Schicksale nur noch. Im Off hören wir das Tagebuch zu Grunde gerichteter Träume eines jungen Lebens. Der kanadische Regisseur traut sich, Abgründe zu zeigen, die us-amerikanische Krimis selten anrühren.
Das opulente, hedonistische und gnadenlos harte Milieu ist bekannt aus vielen Russen-Krimis wie "Little Odessa". In den grandiosen Bildern aus der Welt russischer Enklaven glänzt eine exzellente Besetzung: Armin Mueller-Stahl setzt (im Original) seinen deutschen Akzent trefflich als alter Russe ein und darf, bevor er im verführerisch leckeren Borscht rührt, seine Geigenkunst vorspielen. Viggo Mortensens ambivalente Figur eines Killers mit Geheimnis umgibt eine starke Aura: reserviert, überlegen, tiefgründig bis zum sehr zwiespältigen Schlussbild. Wie schon in "History" erweisen sich die harmlosen Gesichter besonders gefährlich.