(USA, Frankreich, Großbritannien 2023) Regie: Mary Harron, mit Ben Kingsley, Barbara Sukowa, Christopher Briney, 97 Min., FSK: ab 12
Ein Dalí-Film ohne einen einzigen originalen Dalí! Nur Ben Kingsley, der die Rolle als alter skurriler Kauz gibt! So misslingt die Künstler-Biografie in der Hand der erfahrenen Regisseurin Mary Harron („American Psycho", „I shot Andy Warhol").
„Was bin ich?", fragt sich Dalí (Ben Kingsley) 1974 in New York. Seit 20 Jahren verbringt er den Winter dort. Mittlerweile ist der 70-jährige spanische Surrealist über den Höhepunkt seines Schaffens hinaus. Sein Ziel für die letzten Lebensjahre lautet, sich mit Schönheit zu umgeben. Mit vielen Partys sowie jungen Frauen und Männern hält er im St. Regis Hotel Hof und versorgt gierige Galeristen mühsam mit neuem Material.
Um Dalís Finanzen kümmert sich seine Frau und Muse Gala (Barbara Sukowa), während sie gleichzeitig eine Affäre mit dem jungen Hauptdarsteller des Broadway-Musicals „Jesus Christ Superstar" hat. Der unerfahrene James (Christopher Briney) gerät als gescheiterter Maler und Dalí-Fan in diese Welt namens Daliland, als ihm sein Chef, der Galerist Christoffe (Alexander Beyer), an den Künstler ausleiht, um die Produktion für die nächste Ausstellung in wenigen Wochen zu überwachen. Dalí selbst, dessen rechte Hand mittlerweile zittert, taucht auf seinen Partys in irren Kostümen auf. Es gibt viel Koks und Sex. Seine aktuelle Begleiterin ist eine noch unbekannte Amanda Lear mit tiefer Stimme und Gerüchten um ihre Transsexualität. Der junge Alice Cooper trinkt eine Dose Bier und redet über Hologramme.
Spät kommen einige Entdeckungen um illegale Kunstgeschäfte wie das Signieren weißer Blätter auf - was dann wieder stimmig ist: So wie limitierte Serien inflationär auf dem Markt auftauchten, so benutzte Dalí die gleichen Namen wie San Sebastián oder Lucy in Serie für immer neue junge Männer und Frauen.
Wie in „Almost Famous - Fast berühmt" von Cameron Crowe taucht ein junger Mensch staunend in die Szene seiner Idole ein, verliert und verliebt sich, entdeckt die Schattenseiten und lernt fürs Leben. Nur das dies in Crowes Meisterwerk von 2000 rund um die Musikszene viel lebendiger passierte. Christopher Briney ist als Dalís Assistent James fast eine Nullnummer. Kingsley („Schindler's List", „Gandhi") spielt meist wieder Kingsley und auch Barbara Sukowa („Gloria Bell", „Hannah Arendt") wirkt mehr wie eine verkleidete Schauspielerin als eine legendäre Muse. Kurze Erinnerungen an die Zeit des Kennenlernens des berühmten Paares wirken geradezu albern. Am stärksten ist noch der Versuch, des alten Dalís Schaffenskraft aus der unzerstörbaren Liebe und der kompensierten Eifersucht zu erklären.
Es geht in „Daliland" erschreckend wenig um Dalís Kunst. Keines seiner Werke ist zu sehen, höchstens mal eine kurze Animation der berühmten zerfließenden Uhr. Erst am Ende zeigt Regisseurin Mary Harron etwas visionäre Filmkunst, wenn sich die alten und jungen Figuren in mehreren Szenen begegnen. Es ist schade, dass gerade der Surrealist Dalí mit so einer konventionellen Biografie porträtiert werden soll.