Großbritannien, BRD, Kanada, Australien, USA 2015 Regie: Anton Corbijn mit Robert Pattinson, Dane DeHaan, Ben Kingsley mit 112 Min. FSK: ab 0
Der berühmte Fotograf und nicht ganz so berühmte Filmemacher Anton Corbijn realisierte einen Film über den berühmten Fotografen Dennis Stock und den Filmstar James Dean. Der Hintergrund ist historisch verbürgt: 1955 schickte das Life-Magazin Dennis Stock (Robert Pattinson) auf einen Trip quer durch die USA, um eine Fotostrecke mit dem jungen aufstrebenden James Dean (Dane DeHaan) zu realisieren. Heraus kam ein wunderbar fotografierter, raffiniert besetzter und schließlich rührender Film über den Ruhm und was uns wirklich erfüllt.
Nein, der Star Robert Pattinson spielt nicht den Star James Dean, das ist die erste Überraschung. Er ist der 1955 noch unbekannte Fotograf Dennis Stock, der „seinem Instinkt folgt, beim Blick durch den Sucher". Und im Fokus hat er den ebenfalls noch nicht berühmten James Dean. Der leidenschaftliche Theaterschauspieler hängt melancholisch in Los Angeles durch, will sein Talent ignorieren. „Jenseits von Eden" ist gerade abgedreht, jetzt hofft er auf die Rolle bei „Denn sie wissen nicht, was sie tun" und weiß tatsächlich nicht, was er tun will. Ganz im Gegensatz zu Stock, der an seiner Mappe und Karriere arbeitet - immer im ordentlichen Anzug. Und die Fotoserie mit Dean im Magazin Life wäre ein großer Schritt...
Der „spannende" Plot bei „Life" ist das schwierige Zustandekommen der ikonischen Dean-Fotos am verregneten Time Square, die auf Millionen Postern zu sehen sind. Während auf dem Weg dorthin einer um seinen Job kämpft und der andere zu arrogant ist, wechseln die Rollen, als beide zusammen zu Deans Familie ins ländliche Indiana. Der zukünftige Star wider Willen lebt auf, der Fotograf bleibt stocksteif und von der menschlichen Nähe durch die Kamera getrennt. Bis auf einen freien Moment: Stock tanzt, Dean trommelt, alle sind für diesen Moment glücklich, bevor die bekannte Geschichte weitergeht, Dean einige Monate später vor den Baum fährt, während Stock erfolgreich 81 Jahre alt wird.
„Life" ist wie immer bei Anton Corbijn („A Most Wanted Man", „The American", „Control") ein Augenschmaus, ein optisches Verwöhnprogramm von Anfang über den historisch nachgebauten Time Square und Hopper-Imitationen bis ins kleinste Detail. Dazu ein Ausflug in die Filmgeschichte, wo Nicolas Ray zur Party einlädt, der Mogul Jack Warner (witzig: Ben Kingsley) streng maßregelt und die Sängerin Eartha Kitt heiß mit James Dean tanzt. Doch der Niederländer Corbijn kann auch inszenieren und Schauspieler führen, denn man vergisst bei Robert Pattinson tatsächlich die Vampire und andere furchtbare Rollen. Letztlich ein gelungener Imagewechsel, den Star Dean nicht mit dem anderen Star zu besetzen. Richtig rund wird der ebenso schöne wie interessante Film „Life", als er in Indiana, dort wo bei der Familie keine Fotos gemacht werden sollen, nicht nur menschelt, sondern sogar rührt. Wenn dann im Abspann die echten Fotos von Stock zu sehen sind, die Inspiration des Films waren, sind sie nun wiederum mit all diesen neuen Bedeutungen und Emotionen aufgeladen. Ein raffiniertes und sehr reizvolles Spiel mit Klischees.
23.9.15
22.9.15
Stella
Schweden, BRD 2015 (Min lilla syster) Regie: Sanna Lenken mit Rebecka Josephson, Amy Deasismont 95 Min. FSK: ab 6
Die 12-jährige, leicht pummelige Stella steckt in einem Konflikt: Sie entdeckt, dass die größere Schwester Katja, eine leidenschaftliche Eiskunstläuferin, magersüchtig ist. Doch sie darf es denn Eltern nicht erzählen. Und selbst als es sich wegen der Schwierigkeiten von Stella nicht mehr verheimlichen lässt, versuchen die Eltern der Tochter in Selbsthilfe in einer Urlaubshütte zu helfen. Stella selbst bekommt kaum noch Aufmerksamkeit und hat es dabei mit der Verliebtheit in Katjas Trainer auch nicht leicht.
„Stella" ist kein Filmchen, bei dem Kinder wieder mal nicht ernst genommen werden: Es ist eine Geschichte von Familie, Vertrauen und Verantwortung. Dabei keineswegs ein Problemfilm, weil leicht und mit Humor von ganz tollen jungen Schauspielern erzählt. Sanna Lenkens Debüt „Stella" ist bei der diesjährigen Berlinale mit dem Gläsernen Bären für den besten Film geehrt worden. Darüber hinaus erhielt der Film eine lobende Erwähnung der Internationalen Jury in der Sektion Generation Kplus.
Die 12-jährige, leicht pummelige Stella steckt in einem Konflikt: Sie entdeckt, dass die größere Schwester Katja, eine leidenschaftliche Eiskunstläuferin, magersüchtig ist. Doch sie darf es denn Eltern nicht erzählen. Und selbst als es sich wegen der Schwierigkeiten von Stella nicht mehr verheimlichen lässt, versuchen die Eltern der Tochter in Selbsthilfe in einer Urlaubshütte zu helfen. Stella selbst bekommt kaum noch Aufmerksamkeit und hat es dabei mit der Verliebtheit in Katjas Trainer auch nicht leicht.
„Stella" ist kein Filmchen, bei dem Kinder wieder mal nicht ernst genommen werden: Es ist eine Geschichte von Familie, Vertrauen und Verantwortung. Dabei keineswegs ein Problemfilm, weil leicht und mit Humor von ganz tollen jungen Schauspielern erzählt. Sanna Lenkens Debüt „Stella" ist bei der diesjährigen Berlinale mit dem Gläsernen Bären für den besten Film geehrt worden. Darüber hinaus erhielt der Film eine lobende Erwähnung der Internationalen Jury in der Sektion Generation Kplus.
Maze Runner - Die Auserwählten in der Brandwüste
USA 2015 (Maze Runner: Scorch Trials) Regie: Wes Ball mit Dylan O'Brien, Kaya Scodelario, Giancarlo Esposito, Patricia Clarkson, Lili Taylor 130 Min. FSK: ab 12
Geht es jetzt in den 12 Distrikten gegen Diktator Donald Sutherland, im Labyrinth gegen die Organisation WCKD (= wicked, böse) von Ava Paige oder zwischen den fünf „factions" gegen die Alleinherrscherin Kate Winslet? Die Kinowelt für abenteuerlustige Jugendliche ist einerseits verwirrend und in der Wiederholung des gleichen Schemas bei „Maze Runner", „Die Tribute von Panem" und „Die Bestimmung – Divergent" recht übersichtlich. So wie die Nachrichten aus der echten Welt eigentlich. Es bleibt abzuwarten, ob ein so sozialisierter Jugendlicher sein Leben demnächst als Dreiteiler samt gewinnbringendem Teil Dreieinhalb versteht.
Mit einem doppelten Rückblick des jungen Helden Thomas in die Kindheit, beim Abschied von der Mutter, und zum ersten Film, in die Prüfung im Labyrinth startet die Fortsetzung von „Maze Runner" nach den Jugend-Romanen „Die Auserwählten" von James Dashner. Das Rätsel, was mit der Welt draußen los ist, bleibt. Auch wenn Thomas und seine Truppe dem Labyrinth entronnen sind. Weiter sind die Jugendlichen medizinischen Experimenten in mysteriösen Einrichtungen von WCKD ausgesetzt. Und wieder kann der aufmerksame Thomas seine Freunde in letzter Minute retten.
Im Gegensatz zum unmittelbar verständlichen und packenden Prinzip des Labyrinths aus Teil eins, in die man ohne Umschweife sekundenschnell geworfen wurde, ist die Situation nun unübersichtlich und die Entwicklung mühsam. Erst nach dreißig Minuten landen die „Auserwählten" in unwirtlicher Umgebung. Nun wechseln sich bei der Suche nach sagenhaften Rebellen und einer besseren Welt Wüste und verwüstete Städte ab. Immer wieder geht es in Kellerräume und Industrieruinen, das spart Produktionskosten. Dort werden die „Scorch Trials", die Experimente auf verbrannter Erde nun auffällig zu „Torch Trials", zum Gerenne mit Taschenlampen.
Überhaupt das Gerenne: „Maze Runner" in der Brandwüste gehört zu den Filmen, die wie dämlichste Parodien alles unnötig kommentieren: Rennt los, beeilt euch, rennt rein, los komm. Der mäßige Abenteuerfilm könnte ohne diesen nervigen Blödsinn eine Stunde kürzer und etwas packender sein. Packend ist auch keine der jugendlichen Rollen, nur die unterschiedlichen Führer und Verführer haben anständige Leinwandpräsenz, die über schrecklich hohle Dialoge hinweg hilft. Das schaffen auch kurz eindrucksvolle Bilder vom verwüsteten New York und wenigstens eine gelungene Action-Szene mit Zombie-Verfolgung in escherartigem Hochhaus-Labyrinth.
So ziellos wie die Truppe und Thomas sind auch Handlung und Thematik. Der Jugendliche lernt wieder, dass er keiner Autorität blind vertrauen sollte. Aber die Geschichte mit den Viren, die alles Menschliche zu Zombies macht und nur ein paar Jugendliche immun lässt, bleibt ein ansonsten sinnloses Handlungskonstrukt.
Dass Patricia Clarkson als weiße Mörderin Ava Paige - die drittbeste von den drei aktuellen Diktatoren im Jugendfilm - mit „Ich bin kein Monster, ich bin Doktor" einen Mengele-Satz loslässt und nach dem Motto „Koste was es wolle" forscht, ist ein etwas zu schwerer Tobak für solch ein wirres Filmchen. Wenigstens das offene Ende mit seinem großem Geballer der Einfallslosigkeit hat ein Ziel: Der dritte Teil „Maze Runner – The Death Cure" ist für Anfang 2017 geplant.
Geht es jetzt in den 12 Distrikten gegen Diktator Donald Sutherland, im Labyrinth gegen die Organisation WCKD (= wicked, böse) von Ava Paige oder zwischen den fünf „factions" gegen die Alleinherrscherin Kate Winslet? Die Kinowelt für abenteuerlustige Jugendliche ist einerseits verwirrend und in der Wiederholung des gleichen Schemas bei „Maze Runner", „Die Tribute von Panem" und „Die Bestimmung – Divergent" recht übersichtlich. So wie die Nachrichten aus der echten Welt eigentlich. Es bleibt abzuwarten, ob ein so sozialisierter Jugendlicher sein Leben demnächst als Dreiteiler samt gewinnbringendem Teil Dreieinhalb versteht.
Mit einem doppelten Rückblick des jungen Helden Thomas in die Kindheit, beim Abschied von der Mutter, und zum ersten Film, in die Prüfung im Labyrinth startet die Fortsetzung von „Maze Runner" nach den Jugend-Romanen „Die Auserwählten" von James Dashner. Das Rätsel, was mit der Welt draußen los ist, bleibt. Auch wenn Thomas und seine Truppe dem Labyrinth entronnen sind. Weiter sind die Jugendlichen medizinischen Experimenten in mysteriösen Einrichtungen von WCKD ausgesetzt. Und wieder kann der aufmerksame Thomas seine Freunde in letzter Minute retten.
Im Gegensatz zum unmittelbar verständlichen und packenden Prinzip des Labyrinths aus Teil eins, in die man ohne Umschweife sekundenschnell geworfen wurde, ist die Situation nun unübersichtlich und die Entwicklung mühsam. Erst nach dreißig Minuten landen die „Auserwählten" in unwirtlicher Umgebung. Nun wechseln sich bei der Suche nach sagenhaften Rebellen und einer besseren Welt Wüste und verwüstete Städte ab. Immer wieder geht es in Kellerräume und Industrieruinen, das spart Produktionskosten. Dort werden die „Scorch Trials", die Experimente auf verbrannter Erde nun auffällig zu „Torch Trials", zum Gerenne mit Taschenlampen.
Überhaupt das Gerenne: „Maze Runner" in der Brandwüste gehört zu den Filmen, die wie dämlichste Parodien alles unnötig kommentieren: Rennt los, beeilt euch, rennt rein, los komm. Der mäßige Abenteuerfilm könnte ohne diesen nervigen Blödsinn eine Stunde kürzer und etwas packender sein. Packend ist auch keine der jugendlichen Rollen, nur die unterschiedlichen Führer und Verführer haben anständige Leinwandpräsenz, die über schrecklich hohle Dialoge hinweg hilft. Das schaffen auch kurz eindrucksvolle Bilder vom verwüsteten New York und wenigstens eine gelungene Action-Szene mit Zombie-Verfolgung in escherartigem Hochhaus-Labyrinth.
So ziellos wie die Truppe und Thomas sind auch Handlung und Thematik. Der Jugendliche lernt wieder, dass er keiner Autorität blind vertrauen sollte. Aber die Geschichte mit den Viren, die alles Menschliche zu Zombies macht und nur ein paar Jugendliche immun lässt, bleibt ein ansonsten sinnloses Handlungskonstrukt.
Dass Patricia Clarkson als weiße Mörderin Ava Paige - die drittbeste von den drei aktuellen Diktatoren im Jugendfilm - mit „Ich bin kein Monster, ich bin Doktor" einen Mengele-Satz loslässt und nach dem Motto „Koste was es wolle" forscht, ist ein etwas zu schwerer Tobak für solch ein wirres Filmchen. Wenigstens das offene Ende mit seinem großem Geballer der Einfallslosigkeit hat ein Ziel: Der dritte Teil „Maze Runner – The Death Cure" ist für Anfang 2017 geplant.
Der Vater meiner besten Freundin
Frankreich 2015 (Un Moment d'Égarement) Regie: Jean-François Richet mit Vincent Cassel, François Cluzet, Alice Isaaz, Lola Le Lann 106 Min. FSK: ab 12
Beste Leser, liebe Freunde, am besten baue ich hier noch drei „Beste" ein und dann müsste der Pulitzer-Preis ziemlich sicher sein, denn so was mit "Beste" hieß doch auch der Erfolg aus Frankreich, „Ziemlich beste Freunde". Und deshalb heißt auch dieser Film in Deutschland was mit „Beste" und „Freunde", auch wenn französischer Titel und Inhalt ganz anders sind. Ist dort das Publikum intelligenter oder wird es nur nicht so sehr für blöd verkauft?
Der zweitbeste Schauspielerin aus dem „Besten"-Film ist zumindest dabei: François Cluzet spielt Antoine, der mit seinem Freund Laurent (Vincent Cassel) und den jeweiligen Töchtern auf Korsika Urlaub macht. Der strenge, biedere und mürrische Antoine ist als Ehemann unfähig, die Trennungssignale seiner Frau zu verstehen, die derweil auf Ibiza abfeiert. Er bekommt auch nicht mit, dass seine 17-jährige Tochter Louna (Lola Le Lann) den besten Freund verführt hat. Laurent bereut den Fehler einer Vollmondnacht, wird aber von der sehr naiv verliebten Louna erpresst.
Eine Lola spielt Louna im (Voll-) Mond (franz: lune) - ja, hier ist alles offensichtlich. Das Lolita-Klischee stammt noch vom gleichnamigen Original Claude Berris („Aller Anfang macht Spaß") aus dem Jahr 1977. So dumm hat schon lange keine junge Frau mehr auf der Leinwand verführen wollen. Zusätzlich ärgerlich sind die völlig reizlose Inszenierung und zwei deplatzierte Darsteller: Cluzets Antoine ist zu sehr auf Trottel gestrickt. Vincent Cassel tritt mit typisch rauem Dreitage-Äußeren auf, sein cooler Laurent ist aber ein Jüngelchen ohne Rückgrat. Immerhin ist er nicht völlig veraltet - wie dieser Film.
Beste Leser, liebe Freunde, am besten baue ich hier noch drei „Beste" ein und dann müsste der Pulitzer-Preis ziemlich sicher sein, denn so was mit "Beste" hieß doch auch der Erfolg aus Frankreich, „Ziemlich beste Freunde". Und deshalb heißt auch dieser Film in Deutschland was mit „Beste" und „Freunde", auch wenn französischer Titel und Inhalt ganz anders sind. Ist dort das Publikum intelligenter oder wird es nur nicht so sehr für blöd verkauft?
Der zweitbeste Schauspielerin aus dem „Besten"-Film ist zumindest dabei: François Cluzet spielt Antoine, der mit seinem Freund Laurent (Vincent Cassel) und den jeweiligen Töchtern auf Korsika Urlaub macht. Der strenge, biedere und mürrische Antoine ist als Ehemann unfähig, die Trennungssignale seiner Frau zu verstehen, die derweil auf Ibiza abfeiert. Er bekommt auch nicht mit, dass seine 17-jährige Tochter Louna (Lola Le Lann) den besten Freund verführt hat. Laurent bereut den Fehler einer Vollmondnacht, wird aber von der sehr naiv verliebten Louna erpresst.
Eine Lola spielt Louna im (Voll-) Mond (franz: lune) - ja, hier ist alles offensichtlich. Das Lolita-Klischee stammt noch vom gleichnamigen Original Claude Berris („Aller Anfang macht Spaß") aus dem Jahr 1977. So dumm hat schon lange keine junge Frau mehr auf der Leinwand verführen wollen. Zusätzlich ärgerlich sind die völlig reizlose Inszenierung und zwei deplatzierte Darsteller: Cluzets Antoine ist zu sehr auf Trottel gestrickt. Vincent Cassel tritt mit typisch rauem Dreitage-Äußeren auf, sein cooler Laurent ist aber ein Jüngelchen ohne Rückgrat. Immerhin ist er nicht völlig veraltet - wie dieser Film.
Am Ende ein Fest
Israel, BRD 2014 (Mita Tova) Regie: Sharon Maymon, Tal Granit mit Ze'ev Revach, Levana Finkelstein, Aliza Rosen 93 Min. FSK: ab 12
Das Leben in israelischen Altersheimen scheint lustig und würdevoll zu verlaufen. Doch das Ende darf dann auch dort nicht selbstbestimmt sein: Yana bittet den befreundeten Appartement-Nachbarn Yehezkel, das Leben ihres Mannes mit den unstillbaren Schmerzen auf dessen Wunsch hin zu beenden. Der raffinierte Erfinder Yehezkel bastelt darauf eine Selbsttötungsmaschine, die den Patienten selbst den Knopf drücken lässt. Mit Hilfe weiterer, herrlich komisch bemühter Freunde gelingt die Sterbehilfe. So gut, dass weitere, bewegend geflehte Anfragen extrem verzweifelter Ehepartner auf sie zukommen. Diese sehr komödiantische und rührende Hilfe zur Selbsthilfe wird ernster, als Yehezkels demente Frau Levana nicht einverstanden ist, und aufgrund der Tat das Vertrauen in ihren Mann verliert.
Sterbehilfe ist in diesem wunderbaren israelischen Film in vielen Nuancen nicht nur „ein Thema", sondern ein ausgespielter Schrei der Verzweiflung an eine Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes Ende nicht zulässt. Gleich eine ganze Riege hervorragender Schauspieler sowie ein kluge und gekonnte Inszenierung vermeiden jede Grobheit. Dabei singen die Leid- und Lach-geprüften Figuren in einer Musical-Einlage auch mal über das Land ihrer Träume. Und ein Polizist hat große Probleme, diesen Alten seine Strafzettel anzuhängen: Mal bricht das ganze Auto in Heulkrämpfe aus, mal bekommt Yehezkel eine Panikattacke. Dass der Schöpfer der Selbstmord-Maschine schon in einer anderen, umwerfenden komischen Szene Gott spielte und dann andererseits seine geliebte Frau nicht sterben lassen kann, zeigt die Spannweite, die der überraschend unterhaltsame und niemals sentimentale Film bietet.
Das Leben in israelischen Altersheimen scheint lustig und würdevoll zu verlaufen. Doch das Ende darf dann auch dort nicht selbstbestimmt sein: Yana bittet den befreundeten Appartement-Nachbarn Yehezkel, das Leben ihres Mannes mit den unstillbaren Schmerzen auf dessen Wunsch hin zu beenden. Der raffinierte Erfinder Yehezkel bastelt darauf eine Selbsttötungsmaschine, die den Patienten selbst den Knopf drücken lässt. Mit Hilfe weiterer, herrlich komisch bemühter Freunde gelingt die Sterbehilfe. So gut, dass weitere, bewegend geflehte Anfragen extrem verzweifelter Ehepartner auf sie zukommen. Diese sehr komödiantische und rührende Hilfe zur Selbsthilfe wird ernster, als Yehezkels demente Frau Levana nicht einverstanden ist, und aufgrund der Tat das Vertrauen in ihren Mann verliert.
Sterbehilfe ist in diesem wunderbaren israelischen Film in vielen Nuancen nicht nur „ein Thema", sondern ein ausgespielter Schrei der Verzweiflung an eine Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes Ende nicht zulässt. Gleich eine ganze Riege hervorragender Schauspieler sowie ein kluge und gekonnte Inszenierung vermeiden jede Grobheit. Dabei singen die Leid- und Lach-geprüften Figuren in einer Musical-Einlage auch mal über das Land ihrer Träume. Und ein Polizist hat große Probleme, diesen Alten seine Strafzettel anzuhängen: Mal bricht das ganze Auto in Heulkrämpfe aus, mal bekommt Yehezkel eine Panikattacke. Dass der Schöpfer der Selbstmord-Maschine schon in einer anderen, umwerfenden komischen Szene Gott spielte und dann andererseits seine geliebte Frau nicht sterben lassen kann, zeigt die Spannweite, die der überraschend unterhaltsame und niemals sentimentale Film bietet.
21.9.15
The Visit
USA 2015 Regie: M. Night Shyamalan mit Kathryn Hahn, Olivia DeJonge, Ed Oxenbould, Deanna Dunagan, Peter McRobbie 94 Min. FSK: ab 12
Der neue Film von M. Night Shyamalan ist eine Überraschung! Was eigentlich ein Widerspruch in sich ist, denn die finale Überraschung ist seit dem sensationellen „The sixth Sense" im Jahr 1999 so etwas wie ein Markenzeichen des in Indien geborenen Regisseurs. Doch nach ein paar eher mageren Werken („After Earth", „Die Legende von Aang") überrascht Shyamalan tatsächlich mit einer Horrorfilm-Komödie - und selbstverständlich wieder mit einer Schlusspointe.
Die Teenager Rebecca und Tyler Jamison besuchen für eine Woche ihre Großeltern auf dem Land. Nichts Besonderes, auch dass die Mutter (Kathryn Hahn) ihre Eltern selbst für 15 Jahre nicht gesehen hat, nachdem sie als junge Frau im Streit weglief, soll in den besten Familien vorkommen.
Nun stehen da die freundlichen alten Leutchen am Bahnhof und holen die allein reisenden Kinder ab. Oma (Deanna Dunagan) kocht eifrig leckere Dinge und der erstaunlich fitte John (Peter McRobbie) häuft derweil seine gefüllten Inkontinenz-Windeln in einer Scheune auf. Ja, sie sind schon etwas seltsam und außerdem leidet Oma nach Sonnenuntergang unter „Sundowning", weshalb die Kinder nachts besser in ihrem Zimmer bleiben sollten. Dass zum Krankheitsbild das nackt herum Krabbeln und das Kratzen an der Tür der Kinder mit einem großen Messer gehört, erfahren die toleranten Teenager erst später ....
„The Visit" ist als Dokumentation von Rebecca (Olivia DeJonge) inszeniert, die durchaus mit Oscar-Ambitionen den Besuch festhalten, aber auch in möglichst bewegenden Interviews herausbekommen will, weshalb ihre Mutter damals eigentlich abgehauen ist. Also das „Found Footage"-Prinzip, das diesmal bestens funktioniert. Zudem wissen Rebecca und ihr kleiner, ziemlich schmutzig rappender Bruder Tyler (eine Entdeckung: Ed Oxenbould) alles darüber, wie so eine reißerische Dokumentation funktioniert. Es ist also ein netter, ironischer Spaß, beim Bemühen um abgedroschene Klischees zuzusehen.
Dabei weiß man zwischen den roten Horrorfilm-Titeln für den Countdown der Urlaubs-Tage nie, ob man lachen oder erschrecken soll. Das ist der eigentliche Clou von Shyamalan in „The Visit", der sich mit dem ersten Schreckmoment fast eine Stunde Zeit lassen kann. Zwischendurch läuft Oma nur mal wie ein Gespenst durch die Räume und speit rhythmisch auf den Boden. Aber Jugendliche von heute haben ja schon viele andere extrem seltsame Dinge gesehen!
„The Visit" ist wie immer auch ein Familien-Film, betont Shyamalan. Diesmal gehe es um Vergebung. Wobei bei Spaß und Schrecken zumindest rudimentär eine Entwicklung stattfindet: Rebecca lernt unter dramatischen Umständen einen Spiegel zu benutzen und Tyler muss seine Mysophobie, seine übersteigerte Ansteckungsphobie runterschlucken. Das alles in dem sehr spannenden Finale, das die Kamera nicht nur bei der Aufzeichnung, sondern auch als Waffe sieht.
Shyamalan produzierte und schnitt den Film unter kompletter persönlicher Kontrolle selbst. Mit einem Budget von ein paar Millionen Dollar, also für Hollywood quasi „Low Budget". Nach Toten in der Hauptrolle und Aliens im Maisfeld ist so ein Besuch bei den Großeltern keine große, aber eine äußerst unterhaltsame Sache. Zudem prägt diese wunderbar gemischte Gefühllage zwischen Spaß und Schrecken nachhaltig ein, dass man doch so seinen blöden Ärger gefälligst nicht allzu lange mit sich rumtragen sollte.
Der neue Film von M. Night Shyamalan ist eine Überraschung! Was eigentlich ein Widerspruch in sich ist, denn die finale Überraschung ist seit dem sensationellen „The sixth Sense" im Jahr 1999 so etwas wie ein Markenzeichen des in Indien geborenen Regisseurs. Doch nach ein paar eher mageren Werken („After Earth", „Die Legende von Aang") überrascht Shyamalan tatsächlich mit einer Horrorfilm-Komödie - und selbstverständlich wieder mit einer Schlusspointe.
Die Teenager Rebecca und Tyler Jamison besuchen für eine Woche ihre Großeltern auf dem Land. Nichts Besonderes, auch dass die Mutter (Kathryn Hahn) ihre Eltern selbst für 15 Jahre nicht gesehen hat, nachdem sie als junge Frau im Streit weglief, soll in den besten Familien vorkommen.
Nun stehen da die freundlichen alten Leutchen am Bahnhof und holen die allein reisenden Kinder ab. Oma (Deanna Dunagan) kocht eifrig leckere Dinge und der erstaunlich fitte John (Peter McRobbie) häuft derweil seine gefüllten Inkontinenz-Windeln in einer Scheune auf. Ja, sie sind schon etwas seltsam und außerdem leidet Oma nach Sonnenuntergang unter „Sundowning", weshalb die Kinder nachts besser in ihrem Zimmer bleiben sollten. Dass zum Krankheitsbild das nackt herum Krabbeln und das Kratzen an der Tür der Kinder mit einem großen Messer gehört, erfahren die toleranten Teenager erst später ....
„The Visit" ist als Dokumentation von Rebecca (Olivia DeJonge) inszeniert, die durchaus mit Oscar-Ambitionen den Besuch festhalten, aber auch in möglichst bewegenden Interviews herausbekommen will, weshalb ihre Mutter damals eigentlich abgehauen ist. Also das „Found Footage"-Prinzip, das diesmal bestens funktioniert. Zudem wissen Rebecca und ihr kleiner, ziemlich schmutzig rappender Bruder Tyler (eine Entdeckung: Ed Oxenbould) alles darüber, wie so eine reißerische Dokumentation funktioniert. Es ist also ein netter, ironischer Spaß, beim Bemühen um abgedroschene Klischees zuzusehen.
Dabei weiß man zwischen den roten Horrorfilm-Titeln für den Countdown der Urlaubs-Tage nie, ob man lachen oder erschrecken soll. Das ist der eigentliche Clou von Shyamalan in „The Visit", der sich mit dem ersten Schreckmoment fast eine Stunde Zeit lassen kann. Zwischendurch läuft Oma nur mal wie ein Gespenst durch die Räume und speit rhythmisch auf den Boden. Aber Jugendliche von heute haben ja schon viele andere extrem seltsame Dinge gesehen!
„The Visit" ist wie immer auch ein Familien-Film, betont Shyamalan. Diesmal gehe es um Vergebung. Wobei bei Spaß und Schrecken zumindest rudimentär eine Entwicklung stattfindet: Rebecca lernt unter dramatischen Umständen einen Spiegel zu benutzen und Tyler muss seine Mysophobie, seine übersteigerte Ansteckungsphobie runterschlucken. Das alles in dem sehr spannenden Finale, das die Kamera nicht nur bei der Aufzeichnung, sondern auch als Waffe sieht.
Shyamalan produzierte und schnitt den Film unter kompletter persönlicher Kontrolle selbst. Mit einem Budget von ein paar Millionen Dollar, also für Hollywood quasi „Low Budget". Nach Toten in der Hauptrolle und Aliens im Maisfeld ist so ein Besuch bei den Großeltern keine große, aber eine äußerst unterhaltsame Sache. Zudem prägt diese wunderbar gemischte Gefühllage zwischen Spaß und Schrecken nachhaltig ein, dass man doch so seinen blöden Ärger gefälligst nicht allzu lange mit sich rumtragen sollte.
17.9.15
The Visit
USA 2015 Regie: M. Night Shyamalan mit Kathryn Hahn, Olivia DeJonge, Ed Oxenbould, Deanna Dunagan, Peter McRobbie 94 Min. FSK: ab 12
Der neue Film von M. Night Shyamalan ist eine Überraschung! Was eigentlich ein Widerspruch in sich ist, denn die finale Überraschung ist seit dem sensationellen „The sixth Sense" im Jahr 1999 so etwas wie ein Markenzeichen des in Indien geborenen Regisseurs. Doch nach ein paar eher mageren Werken („After Earth", „Die Legende von Aang") überrascht Shyamalan tatsächlich mit einer Horrorfilm-Komödie - und selbstverständlich wieder mit einer Schlusspointe.
Die Teenager Rebecca und Tyler Jamison besuchen für eine Woche ihre Großeltern auf dem Land. Nichts Besonderes, auch dass die Mutter (Kathryn Hahn) ihre Eltern selbst für 15 Jahre nicht gesehen hat, nachdem sie als junge Frau im Streit weglief, soll in den besten Familien vorkommen.
Nun stehen da die freundlichen alten Leutchen am Bahnhof und holen die allein reisenden Kinder ab. Oma (Deanna Dunagan) kocht eifrig leckere Dinge und der erstaunlich fitte John (Peter McRobbie) häuft derweil seine gefüllten Inkontinenz-Windeln in einer Scheune auf. Ja, sie sind schon etwas seltsam und außerdem leidet Oma nach Sonnenuntergang unter „Sundowning", weshalb die Kinder nachts besser in ihrem Zimmer bleiben sollten. Dass zum Krankheitsbild das nackt herum Krabbeln und das Kratzen an der Tür der Kinder mit einem großen Messer gehört, erfahren die toleranten Teenager erst später ....
„The Visit" ist als Dokumentation von Rebecca (Olivia DeJonge) inszeniert, die durchaus mit Oscar-Ambitionen den Besuch festhalten, aber auch in möglichst bewegenden Interviews herausbekommen will, weshalb ihre Mutter damals eigentlich abgehauen ist. Also das „Found Footage"-Prinzip, das diesmal bestens funktioniert. Zudem wissen Rebecca und ihr kleiner, ziemlich schmutzig rappender Bruder Tyler (eine Entdeckung: Ed Oxenbould) alles darüber, wie so eine reißerische Dokumentation funktioniert. Es ist also ein netter, ironischer Spaß, beim Bemühen um abgedroschene Klischees zuzusehen.
Dabei weiß man zwischen den roten Horrorfilm-Titeln für den Countdown der Urlaubs-Tage nie, ob man lachen oder erschrecken soll. Das ist der eigentliche Clou von Shyamalan in „The Visit", der sich mit dem ersten Schreckmoment fast eine Stunde Zeit lassen kann. Zwischendurch läuft Oma nur mal wie ein Gespenst durch die Räume und speit rhythmisch auf den Boden. Aber Jugendliche von heute haben ja schon viele andere extrem seltsame Dinge gesehen!
„The Visit" ist wie immer auch ein Familien-Film, betont Shyamalan. Diesmal gehe es um Vergebung. Wobei bei Spaß und Schrecken zumindest rudimentär eine Entwicklung stattfindet: Rebecca lernt unter dramatischen Umständen einen Spiegel zu benutzen und Tyler muss seine Mysophobie, seine übersteigerte Ansteckungsphobie runterschlucken. Das alles in dem sehr spannenden Finale, das die Kamera nicht nur bei der Aufzeichnung, sondern auch als Waffe sieht.
Shyamalan produzierte und schnitt den Film unter kompletter persönlicher Kontrolle selbst. Mit einem Budget von ein paar Millionen Dollar, also für Hollywood quasi „Low Budget". Nach Toten in der Hauptrolle und Aliens im Maisfeld ist so ein Besuch bei den Großeltern keine große, aber eine äußerst unterhaltsame Sache. Zudem prägt diese wunderbar gemischte Gefühllage zwischen Spaß und Schrecken nachhaltig ein, dass man doch so seinen blöden Ärger gefälligst nicht allzu lange mit sich rumtragen sollte.
Der neue Film von M. Night Shyamalan ist eine Überraschung! Was eigentlich ein Widerspruch in sich ist, denn die finale Überraschung ist seit dem sensationellen „The sixth Sense" im Jahr 1999 so etwas wie ein Markenzeichen des in Indien geborenen Regisseurs. Doch nach ein paar eher mageren Werken („After Earth", „Die Legende von Aang") überrascht Shyamalan tatsächlich mit einer Horrorfilm-Komödie - und selbstverständlich wieder mit einer Schlusspointe.
Die Teenager Rebecca und Tyler Jamison besuchen für eine Woche ihre Großeltern auf dem Land. Nichts Besonderes, auch dass die Mutter (Kathryn Hahn) ihre Eltern selbst für 15 Jahre nicht gesehen hat, nachdem sie als junge Frau im Streit weglief, soll in den besten Familien vorkommen.
Nun stehen da die freundlichen alten Leutchen am Bahnhof und holen die allein reisenden Kinder ab. Oma (Deanna Dunagan) kocht eifrig leckere Dinge und der erstaunlich fitte John (Peter McRobbie) häuft derweil seine gefüllten Inkontinenz-Windeln in einer Scheune auf. Ja, sie sind schon etwas seltsam und außerdem leidet Oma nach Sonnenuntergang unter „Sundowning", weshalb die Kinder nachts besser in ihrem Zimmer bleiben sollten. Dass zum Krankheitsbild das nackt herum Krabbeln und das Kratzen an der Tür der Kinder mit einem großen Messer gehört, erfahren die toleranten Teenager erst später ....
„The Visit" ist als Dokumentation von Rebecca (Olivia DeJonge) inszeniert, die durchaus mit Oscar-Ambitionen den Besuch festhalten, aber auch in möglichst bewegenden Interviews herausbekommen will, weshalb ihre Mutter damals eigentlich abgehauen ist. Also das „Found Footage"-Prinzip, das diesmal bestens funktioniert. Zudem wissen Rebecca und ihr kleiner, ziemlich schmutzig rappender Bruder Tyler (eine Entdeckung: Ed Oxenbould) alles darüber, wie so eine reißerische Dokumentation funktioniert. Es ist also ein netter, ironischer Spaß, beim Bemühen um abgedroschene Klischees zuzusehen.
Dabei weiß man zwischen den roten Horrorfilm-Titeln für den Countdown der Urlaubs-Tage nie, ob man lachen oder erschrecken soll. Das ist der eigentliche Clou von Shyamalan in „The Visit", der sich mit dem ersten Schreckmoment fast eine Stunde Zeit lassen kann. Zwischendurch läuft Oma nur mal wie ein Gespenst durch die Räume und speit rhythmisch auf den Boden. Aber Jugendliche von heute haben ja schon viele andere extrem seltsame Dinge gesehen!
„The Visit" ist wie immer auch ein Familien-Film, betont Shyamalan. Diesmal gehe es um Vergebung. Wobei bei Spaß und Schrecken zumindest rudimentär eine Entwicklung stattfindet: Rebecca lernt unter dramatischen Umständen einen Spiegel zu benutzen und Tyler muss seine Mysophobie, seine übersteigerte Ansteckungsphobie runterschlucken. Das alles in dem sehr spannenden Finale, das die Kamera nicht nur bei der Aufzeichnung, sondern auch als Waffe sieht.
Shyamalan produzierte und schnitt den Film unter kompletter persönlicher Kontrolle selbst. Mit einem Budget von ein paar Millionen Dollar, also für Hollywood quasi „Low Budget". Nach Toten in der Hauptrolle und Aliens im Maisfeld ist so ein Besuch bei den Großeltern keine große, aber eine äußerst unterhaltsame Sache. Zudem prägt diese wunderbar gemischte Gefühllage zwischen Spaß und Schrecken nachhaltig ein, dass man doch so seinen blöden Ärger gefälligst nicht allzu lange mit sich rumtragen sollte.
15.9.15
Sinister 2
USA 2015 Regie: Ciarán Foy mit James Ransone, Shannyn Sossamon, Robert Daniel Sloan 97 Min. FSK: ab 16
Da schauen sich Kinder und Jugendliche Filme an, in denen Altersgenossen die eigenen Eltern umbringen. Um bald darauf selber die Eltern anzugreifen. Hallo!?! Bekommen die Fließband-Macher dieses Horrorfilms noch etwas mit? Da liefern sie ihren Gegnern bezüglich der furchtbaren Wirkung solch Gewalt-Filme eine Steilvorlage. Und machen fröhlich weiter, weil ... es war ja nur ein böser Geist. Nicht etwa der eigene Schrott, der den Pool in den Hollywood-Hills finanzieren soll.
Soweit mal ein verschwendeter Gedanke zum Horror-Start dieser Woche, der - wenig bemerkenswert - noch so ein Fließband-Produkt ist: Verfluchtes Haus und Ex-Mann machen nach Umzug Mama und den beiden Söhnen das Leben schwer. Ein Geisterjäger will helfen, vermischt aber Hobby und Privatleben. Dazu kommt immer mal der böse Geist Bughuul mit seinem filmtechnisch „Buh!" um die Ecke. „Sinister 2" enttäuscht selbst die Fans des gehypten Vorgängers. Denn er bleibt einfallslos. Alle Kreativität wurde hier in ekelhafte und sadistische Tötungsorgien gesteckt.
Da schauen sich Kinder und Jugendliche Filme an, in denen Altersgenossen die eigenen Eltern umbringen. Um bald darauf selber die Eltern anzugreifen. Hallo!?! Bekommen die Fließband-Macher dieses Horrorfilms noch etwas mit? Da liefern sie ihren Gegnern bezüglich der furchtbaren Wirkung solch Gewalt-Filme eine Steilvorlage. Und machen fröhlich weiter, weil ... es war ja nur ein böser Geist. Nicht etwa der eigene Schrott, der den Pool in den Hollywood-Hills finanzieren soll.
Soweit mal ein verschwendeter Gedanke zum Horror-Start dieser Woche, der - wenig bemerkenswert - noch so ein Fließband-Produkt ist: Verfluchtes Haus und Ex-Mann machen nach Umzug Mama und den beiden Söhnen das Leben schwer. Ein Geisterjäger will helfen, vermischt aber Hobby und Privatleben. Dazu kommt immer mal der böse Geist Bughuul mit seinem filmtechnisch „Buh!" um die Ecke. „Sinister 2" enttäuscht selbst die Fans des gehypten Vorgängers. Denn er bleibt einfallslos. Alle Kreativität wurde hier in ekelhafte und sadistische Tötungsorgien gesteckt.
14.9.15
Voll Paula!
BRD 2015 Regie: Malte Wirtz mir Eva Luca Klemmt, Karmela Shako, Sebastian Kolb 82 Min.
Mäßig talentierte Darsteller setzen mit beschränkten Mitteln ein uninspiriertes Drehbuch um, in dem sich alles um Schauspielen und Beziehungen dreht. Die No Budget-Produktion im Eigenvertrieb sparte mit der Konzentration auf Nah- und Halbnah-Aufnahmen selbst bei den Einstellungsgrößen und mit sehr, sehr simplen Scherzchen auf dem eigentlich günstigen Gebiet des Gehirn-Einsatzes. Ein Film zum Abgewöhnen, bei dem man - trotz aller Fehler des Systems - den Kontrollgremien von Sendern und Förderern dankbar ist.
Mäßig talentierte Darsteller setzen mit beschränkten Mitteln ein uninspiriertes Drehbuch um, in dem sich alles um Schauspielen und Beziehungen dreht. Die No Budget-Produktion im Eigenvertrieb sparte mit der Konzentration auf Nah- und Halbnah-Aufnahmen selbst bei den Einstellungsgrößen und mit sehr, sehr simplen Scherzchen auf dem eigentlich günstigen Gebiet des Gehirn-Einsatzes. Ein Film zum Abgewöhnen, bei dem man - trotz aller Fehler des Systems - den Kontrollgremien von Sendern und Förderern dankbar ist.
The D-Train
USA, Großbritannien 2015 Regie: Andrew Mogel, Jarrad Paul mit Jack Black, James Marsden, Kathryn Hahn 101 Min.
Eigentlich erfrischend, dass Jack Black („Gullivers Reisen", „Nacho Libre", „School of Rock") mal einen gründlich unsympathischen Charakter spielt. Sein Dan Landsman ist hinterhältig, schleimig, dabei verlogen, vor allem sich selbst gegenüber. Mit seiner lieben Frau verbindet ihn ein ungewolltes Kind. Er ist Chef eines Klassentreffen-Teams der alten High-School, das allerdings nachher immer ohne ihn trinken geht. So konzentriert Dan all seine hinterhältigen Bemühungen darauf, Oliver Lawless (James Marsden), den Star der Schulzeit und aktuell einer Sonnenmilch-Werbung, zum Klassentreffen zu bekommen. Er macht auf einer angeblichen Geschäftsreise mit Lawless ziemlich viel besoffenen Blödsinn, bis beide nach einer Partynacht gemeinsam im Bett landen.
Hier ist dann für Hollywood die Komödien-Grenze überschritten, selbst für eine Bad Taste-Komödie. Was vorher nie ansatzweise komisch war, sollte es wohl auch nicht wirklich sein. Die Regisseure Andrew Mogel und Jarrad Paul schrieben einst das Buch zu „Der Ja-Sager" und wollten wohl irgendwas mit einer tragisch-komischen Hauptfigur sowie deren Coming Out als Mensch machen.
So ist das kleine Würstchen Dan, schon in der High-School ein mutloser Verlierer, nun der King, weil Lawless tatsächlich zum peinlichen Wiedersehen kommt. Doch Dan ist auch „gefickt", wie man so deutlich sagen muss. Der Biedermann, der nun mit gar nichts mehr zurecht kommt, rastet zwischen Angst vor einem Skandal und dazu paradoxer neurotischer Eifersucht völlig aus.
Diese verkrampfte Leben voller Selbstbetrug, die verlogene, kleine Existenz Dan macht auch „The D-Train" einen sehr unangenehmen Film, mit einer Erweiterung des Fremdschämens in jede Pore. Ein zutiefst deprimierendes Erlebnis, das als Komödie mit Ulknudel Jack Black verkauft wird. Unter anderen Vorzeichen und mit etwas mehr inszenatorischer Hingabe für die hier völlig unsympathische Hauptfigur, wäre es eine reizvolle Geschichte. Doch so versöhnen selbst die letzten fünf Minuten der Findung eines neuen Selbst nicht mehr.
Eigentlich erfrischend, dass Jack Black („Gullivers Reisen", „Nacho Libre", „School of Rock") mal einen gründlich unsympathischen Charakter spielt. Sein Dan Landsman ist hinterhältig, schleimig, dabei verlogen, vor allem sich selbst gegenüber. Mit seiner lieben Frau verbindet ihn ein ungewolltes Kind. Er ist Chef eines Klassentreffen-Teams der alten High-School, das allerdings nachher immer ohne ihn trinken geht. So konzentriert Dan all seine hinterhältigen Bemühungen darauf, Oliver Lawless (James Marsden), den Star der Schulzeit und aktuell einer Sonnenmilch-Werbung, zum Klassentreffen zu bekommen. Er macht auf einer angeblichen Geschäftsreise mit Lawless ziemlich viel besoffenen Blödsinn, bis beide nach einer Partynacht gemeinsam im Bett landen.
Hier ist dann für Hollywood die Komödien-Grenze überschritten, selbst für eine Bad Taste-Komödie. Was vorher nie ansatzweise komisch war, sollte es wohl auch nicht wirklich sein. Die Regisseure Andrew Mogel und Jarrad Paul schrieben einst das Buch zu „Der Ja-Sager" und wollten wohl irgendwas mit einer tragisch-komischen Hauptfigur sowie deren Coming Out als Mensch machen.
So ist das kleine Würstchen Dan, schon in der High-School ein mutloser Verlierer, nun der King, weil Lawless tatsächlich zum peinlichen Wiedersehen kommt. Doch Dan ist auch „gefickt", wie man so deutlich sagen muss. Der Biedermann, der nun mit gar nichts mehr zurecht kommt, rastet zwischen Angst vor einem Skandal und dazu paradoxer neurotischer Eifersucht völlig aus.
Diese verkrampfte Leben voller Selbstbetrug, die verlogene, kleine Existenz Dan macht auch „The D-Train" einen sehr unangenehmen Film, mit einer Erweiterung des Fremdschämens in jede Pore. Ein zutiefst deprimierendes Erlebnis, das als Komödie mit Ulknudel Jack Black verkauft wird. Unter anderen Vorzeichen und mit etwas mehr inszenatorischer Hingabe für die hier völlig unsympathische Hauptfigur, wäre es eine reizvolle Geschichte. Doch so versöhnen selbst die letzten fünf Minuten der Findung eines neuen Selbst nicht mehr.
13.9.15
Der Sohn der Anderen
Frankreich 2012 (Le fils de l'autre) Regie: Lorraine Lévy mit Emmanuelle Devos, Pascal Elbé, Jules Sitruk, Khalifa Natour 105 Min. FSK: ab 6
Einmal stehen sie vor dem Spiegel und der Palästinenser Yacine sagt zum Israeli: „Wir sind wie Isaak und Ismael, die Söhne von Abraham". Dass zwei Vertreter der abrahamitischen Religionen erst durch den Topos des vertauschten Babys dazu kommen, die andere, verhasste Seite besser zu verstehen, fing ja schon irgendwie mit Moses an. Nun sind die Machtverhältnisse umgekehrt, aber der Seitenwechsel funktioniert auch in der netten, weil französisch betrachteten Nahost-Geschichte „Der Sohn der Anderen".
Bei unfassbar viel vergossenem Blut ist es eher unbeabsichtigte Ironie, dass ausgerechnet ein Bluttest bei der Tauglichkeits-Prüfung zum israelischen Militärdienst ans Tageslicht bringt, dass Joseph Silberg eigentlich Sohn einer palästinensischen Familie aus dem Westjordanland ist. Zwei Babys wurden direkt nach Geburt vertauscht. Ein ziemlicher Schock vor allem für den Vater Alon (Pascal Elbé), einem angesehenen Militär. Aber auch für die Familie Al Bezaaz, die es ihrem Sohn Yacine (Mehdi Dehbi) gar nicht sagen will, dass er nun genetisch ein Israelit sein soll.
Joseph rennt zuerst zum Rabbi, ob er denn noch Jude sei. Doch da ist die Blut-Religion gnadenlos, ohne jüdische Mutter, wird das schwer. Derweil verständigen sich die Mütter schon im Krankenhaus, während die Väter konfrontativ sprachlos bleiben, wenn sie nicht den großen Nahost-Konflikt ausfechten. Die Jungs selbst werden bald zu Freunden, nur Yacines eben noch unzertrennlicher Bruder Bilal (Mahmood Shalabi) reagiert ruppig und verdrückt sich beleidigt.
Der Baby-Tausch bringt immer einen reizvollen Gesellschafts-Vergleich, wobei die Grenze mal reich von arm trennt oder die Israelis von den Palästinensern. Das gab es 1987 in Étienne Chatiliez' Komödie „Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss" und im wunderbaren Drama „Like Father, Like Son" vom Japaner Hirokazu Koreeda („Nobody Knows", 2004). Die Verwechslung als Angelpunkt, um zu testen, wie eine Gesellschaft tickt, das führt hier bei der französischen Regisseurin Lorraine Lévy gezwungenermaßen zu einem eifrigen Grenzverkehr. Selbst der berühmte Soldaten-Vater Silberg muss nun auf der falschen Seite an der absurd riesigen „Sicherheits"-Mauer, die Israel vom Westjordanland trennt, entlang laufen. Und witzigerweise wissen bei den andauernden, für Palästinenser schikanösen Grenzkontrollen die Soldaten bereits über den kuriosen Grenzfall Bescheid.
Das unerhörte Ereignis sollte Verständnis für das Leben der Anderen wecken. Das Drehbuch erleichtert das Verständnis mit ein paar Zufällen: Die französische Verwurzelung der jüdischen Mutter trifft sich mit dem Studium des arabischen Sohnes Yacine in Paris. Ob man dessen weltmännisch leichten Umgang in Tel Aviv und den eher tapsigen von Joseph im besetzten Gebiet symbolisch sehen soll? Wenn dieser allerdings mit einem arabischen Lied die ganze Gast-Familie samt aller Vorbehalte Bilals vereinnahmen kann, ist das ein schöner magischer Moment.
„Der Sohn der Anderen" ist eine nette, manchmal sehr deutliche Parabel. Wie reiz- und kunstvoll hingegen stellte erst kürzlich „Mein Herz tanzt" von Eran Riklis („Lemon Tree", „Die syrische Braut", „Cup Final") die beiden so nahen und doch so unterschiedlichen Leben nebeneinander. So bleiben die ganz einfachen Rückprojektions-Aufnahmen nicht nur den schwierigen (Aufnahme-) Bedingungen an der Grenze geschuldet, auch der Film an sich macht es allen etwas einfach.
Einmal stehen sie vor dem Spiegel und der Palästinenser Yacine sagt zum Israeli: „Wir sind wie Isaak und Ismael, die Söhne von Abraham". Dass zwei Vertreter der abrahamitischen Religionen erst durch den Topos des vertauschten Babys dazu kommen, die andere, verhasste Seite besser zu verstehen, fing ja schon irgendwie mit Moses an. Nun sind die Machtverhältnisse umgekehrt, aber der Seitenwechsel funktioniert auch in der netten, weil französisch betrachteten Nahost-Geschichte „Der Sohn der Anderen".
Bei unfassbar viel vergossenem Blut ist es eher unbeabsichtigte Ironie, dass ausgerechnet ein Bluttest bei der Tauglichkeits-Prüfung zum israelischen Militärdienst ans Tageslicht bringt, dass Joseph Silberg eigentlich Sohn einer palästinensischen Familie aus dem Westjordanland ist. Zwei Babys wurden direkt nach Geburt vertauscht. Ein ziemlicher Schock vor allem für den Vater Alon (Pascal Elbé), einem angesehenen Militär. Aber auch für die Familie Al Bezaaz, die es ihrem Sohn Yacine (Mehdi Dehbi) gar nicht sagen will, dass er nun genetisch ein Israelit sein soll.
Joseph rennt zuerst zum Rabbi, ob er denn noch Jude sei. Doch da ist die Blut-Religion gnadenlos, ohne jüdische Mutter, wird das schwer. Derweil verständigen sich die Mütter schon im Krankenhaus, während die Väter konfrontativ sprachlos bleiben, wenn sie nicht den großen Nahost-Konflikt ausfechten. Die Jungs selbst werden bald zu Freunden, nur Yacines eben noch unzertrennlicher Bruder Bilal (Mahmood Shalabi) reagiert ruppig und verdrückt sich beleidigt.
Der Baby-Tausch bringt immer einen reizvollen Gesellschafts-Vergleich, wobei die Grenze mal reich von arm trennt oder die Israelis von den Palästinensern. Das gab es 1987 in Étienne Chatiliez' Komödie „Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss" und im wunderbaren Drama „Like Father, Like Son" vom Japaner Hirokazu Koreeda („Nobody Knows", 2004). Die Verwechslung als Angelpunkt, um zu testen, wie eine Gesellschaft tickt, das führt hier bei der französischen Regisseurin Lorraine Lévy gezwungenermaßen zu einem eifrigen Grenzverkehr. Selbst der berühmte Soldaten-Vater Silberg muss nun auf der falschen Seite an der absurd riesigen „Sicherheits"-Mauer, die Israel vom Westjordanland trennt, entlang laufen. Und witzigerweise wissen bei den andauernden, für Palästinenser schikanösen Grenzkontrollen die Soldaten bereits über den kuriosen Grenzfall Bescheid.
Das unerhörte Ereignis sollte Verständnis für das Leben der Anderen wecken. Das Drehbuch erleichtert das Verständnis mit ein paar Zufällen: Die französische Verwurzelung der jüdischen Mutter trifft sich mit dem Studium des arabischen Sohnes Yacine in Paris. Ob man dessen weltmännisch leichten Umgang in Tel Aviv und den eher tapsigen von Joseph im besetzten Gebiet symbolisch sehen soll? Wenn dieser allerdings mit einem arabischen Lied die ganze Gast-Familie samt aller Vorbehalte Bilals vereinnahmen kann, ist das ein schöner magischer Moment.
„Der Sohn der Anderen" ist eine nette, manchmal sehr deutliche Parabel. Wie reiz- und kunstvoll hingegen stellte erst kürzlich „Mein Herz tanzt" von Eran Riklis („Lemon Tree", „Die syrische Braut", „Cup Final") die beiden so nahen und doch so unterschiedlichen Leben nebeneinander. So bleiben die ganz einfachen Rückprojektions-Aufnahmen nicht nur den schwierigen (Aufnahme-) Bedingungen an der Grenze geschuldet, auch der Film an sich macht es allen etwas einfach.
9.9.15
Everest
Großbritannien, USA, Irland 2015 Regie: Baltasar Kormákur mit Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkes, Robin Wright, Michael Kelly, Sam Worthington, Keira Knightley, Emily Watson und Jake Gyllenhaal 122 Min. FSK: ab 12
Der Berg ruft, ja, er schreit geradezu nach 3D! Auf dünnen Leitern balancieren über scheinbar bodenlose Gletscherspalten, winzige Menschlein an unfassbaren Abhängen, vereiste Bergflanken soweit die Kameraschärfe reicht ... noch nie wirkten die Massive des Himalayas so massiv und imposant wie in diesem 3D. Weshalb man jedoch für das Bergsteiger Drama „Everest" den isländischen Regisseur Baltasar Kormákur („2 Guns", „The Deep", „101 Reykjavik") rief, erschließt sich nur partiell.
Die Handlung nach wieder so „wahren" Geschichten und dem Buch von Simon Beaufoy („Slumdog Millionaire", „Die Tribute von Panem – Catching Fire") entwickelt sich erst einmal so konventionell, dass einem die Zehen nicht abfrieren aber einschlafen: Im Stau von dem Everest begleiten wir 1996 zwei Expeditionen mit Kunden, die Zehntausende für die betreute Gipfelbesteigung zahlen. Rob Hall (Jason Clarke) gilt als „Händchenhalter" seiner nicht gänzlich fitten Truppe. Scott Fischer (Jake Gyllenhaal vom Boxring in den Schnee) hingegen, ein saufender Berghippie, betreibt das Geschäft mit einer ungesunden Portion Wahnsinn.
Nach einer Einweisung der Medizinfrau zu tödlichen Gefahren auch fürs Kino-Publikum, geht es im Schweinsgalopp hinauf zur Todeszone. Leichen pflastern ihren Weg, da wird Blut gespuckt, sich im Wahnsinn mal flott entkleidet und die unausweichlichen Erfrierungen kommen groß ins Bild. Doch erst im letzten Viertel des Films packt die Spannung richtig. Es gibt reihenweise Ausfälle, aber keiner will aufgeben. Der zu gutmütige Rob schleppt auch den schwächsten Kunden auf den Gipfel und kehrt viel zu spät zurück. Der Gipfelsturm wird in einem Eissturm zur tödlichen Katastrophe.
Eine halbe Stunde Hochspannung, das erfüllt der isländische Regisseur Baltasar Kormákur. Also genau, was er in „2 Guns" mit Denzel Washington und Mark Wahlberg versprochen hat. Und genau nicht, was er in seinem Arthouse-Film „The Deep" meisterlich hinbekam, den Mensch in eisigen Naturgewalten als fast mythische Erzählung präsentieren. So ist „Everest" 100 Prozent frei von Pathos. Kormákur vermeidet die völkischen Gletscher-Fallen, die Luis Trenker, Arnold Fanck, Leni Riefenstahl und zuletzt Philipp Stölzl in „Nordwand" mit problematischer Fürmann-Besetzung ausgelegt haben, in diesem zumindest für germanische Gebiete problematischen Genre. So bleibt nur die Frage, ob man diese Art von Brachial-Spannung braucht.
Die 3D-Aufnahmen bleiben auf jeden Fall großartig. Für diese grandiose Größe in eisiger Klarheit bezahlt man allerdings aus technischen Gründen (verdunkelnde 3D-Brille) mit Dunkelheit im Rest des Films unter 2000 Meter. Und damit ist nicht die dunkle Depression gemeint, die den draufgängerischen Texaner Beck Weathers Josh Brolin) im Alltag bedrückt.
Neben einer Eisleiche in der Wand bleibt auch ein Widerspruch hängen: Die wichtigsten Protogonisten haben als Rettungsanker die Liebe einer Frau zuhause. Die wirkt mal als Rettungsflieger im Stile der US-Kavallerie, mal als technisches Band übers Telefon. Nur, warum nehmen die Helden so was auf sich, wenn sie doch diese Liebe haben? Das hätten Film und Buch beispielsweise mehr als oberflächlich ergründen können. Auch die mediale Verwertung spielt wie der Kirmes des Basislagers am Rande eine Rolle, denn jedes Unternehmen hat seinen Journalisten dabei. So werden vor allem Leersätze (Knightley: „Ich muss immer an dich denken!") und Standard-Mimik vorgeführt. Wie die Luxus-Touristen vor der Eiswand drängeln sich bekannte Gesichter auf die Leinwand: Keira Knightley nervt von Anfang an als weinerliche Ehefrau. Emily Watson packt als „Mutter des Basislagers" erst zu, bevor auch sie heult. Zum Heulen ist „Everest" nicht, aber er braucht ganz schön viel Aufwand und Zeit für einige eindrucksvolle Bilder und 30 Minuten Spannung.
Der Berg ruft, ja, er schreit geradezu nach 3D! Auf dünnen Leitern balancieren über scheinbar bodenlose Gletscherspalten, winzige Menschlein an unfassbaren Abhängen, vereiste Bergflanken soweit die Kameraschärfe reicht ... noch nie wirkten die Massive des Himalayas so massiv und imposant wie in diesem 3D. Weshalb man jedoch für das Bergsteiger Drama „Everest" den isländischen Regisseur Baltasar Kormákur („2 Guns", „The Deep", „101 Reykjavik") rief, erschließt sich nur partiell.
Die Handlung nach wieder so „wahren" Geschichten und dem Buch von Simon Beaufoy („Slumdog Millionaire", „Die Tribute von Panem – Catching Fire") entwickelt sich erst einmal so konventionell, dass einem die Zehen nicht abfrieren aber einschlafen: Im Stau von dem Everest begleiten wir 1996 zwei Expeditionen mit Kunden, die Zehntausende für die betreute Gipfelbesteigung zahlen. Rob Hall (Jason Clarke) gilt als „Händchenhalter" seiner nicht gänzlich fitten Truppe. Scott Fischer (Jake Gyllenhaal vom Boxring in den Schnee) hingegen, ein saufender Berghippie, betreibt das Geschäft mit einer ungesunden Portion Wahnsinn.
Nach einer Einweisung der Medizinfrau zu tödlichen Gefahren auch fürs Kino-Publikum, geht es im Schweinsgalopp hinauf zur Todeszone. Leichen pflastern ihren Weg, da wird Blut gespuckt, sich im Wahnsinn mal flott entkleidet und die unausweichlichen Erfrierungen kommen groß ins Bild. Doch erst im letzten Viertel des Films packt die Spannung richtig. Es gibt reihenweise Ausfälle, aber keiner will aufgeben. Der zu gutmütige Rob schleppt auch den schwächsten Kunden auf den Gipfel und kehrt viel zu spät zurück. Der Gipfelsturm wird in einem Eissturm zur tödlichen Katastrophe.
Eine halbe Stunde Hochspannung, das erfüllt der isländische Regisseur Baltasar Kormákur. Also genau, was er in „2 Guns" mit Denzel Washington und Mark Wahlberg versprochen hat. Und genau nicht, was er in seinem Arthouse-Film „The Deep" meisterlich hinbekam, den Mensch in eisigen Naturgewalten als fast mythische Erzählung präsentieren. So ist „Everest" 100 Prozent frei von Pathos. Kormákur vermeidet die völkischen Gletscher-Fallen, die Luis Trenker, Arnold Fanck, Leni Riefenstahl und zuletzt Philipp Stölzl in „Nordwand" mit problematischer Fürmann-Besetzung ausgelegt haben, in diesem zumindest für germanische Gebiete problematischen Genre. So bleibt nur die Frage, ob man diese Art von Brachial-Spannung braucht.
Die 3D-Aufnahmen bleiben auf jeden Fall großartig. Für diese grandiose Größe in eisiger Klarheit bezahlt man allerdings aus technischen Gründen (verdunkelnde 3D-Brille) mit Dunkelheit im Rest des Films unter 2000 Meter. Und damit ist nicht die dunkle Depression gemeint, die den draufgängerischen Texaner Beck Weathers Josh Brolin) im Alltag bedrückt.
Neben einer Eisleiche in der Wand bleibt auch ein Widerspruch hängen: Die wichtigsten Protogonisten haben als Rettungsanker die Liebe einer Frau zuhause. Die wirkt mal als Rettungsflieger im Stile der US-Kavallerie, mal als technisches Band übers Telefon. Nur, warum nehmen die Helden so was auf sich, wenn sie doch diese Liebe haben? Das hätten Film und Buch beispielsweise mehr als oberflächlich ergründen können. Auch die mediale Verwertung spielt wie der Kirmes des Basislagers am Rande eine Rolle, denn jedes Unternehmen hat seinen Journalisten dabei. So werden vor allem Leersätze (Knightley: „Ich muss immer an dich denken!") und Standard-Mimik vorgeführt. Wie die Luxus-Touristen vor der Eiswand drängeln sich bekannte Gesichter auf die Leinwand: Keira Knightley nervt von Anfang an als weinerliche Ehefrau. Emily Watson packt als „Mutter des Basislagers" erst zu, bevor auch sie heult. Zum Heulen ist „Everest" nicht, aber er braucht ganz schön viel Aufwand und Zeit für einige eindrucksvolle Bilder und 30 Minuten Spannung.
8.9.15
How to change the World
Kanada, Großbritannien 2015 Regie: Jerry Rothwell 110 Min. FSK: ab 6
1971 machte sich ein nicht wirklich seetüchtiger Kahn mit einer Handvoll Aktivisten auf zu einer ersten abenteuerliche Aktion gegen einen Atombomben-Test auf der Insel Amchitka in Alaska. Während der Fahrt tauft man das Schiff mit dem Namen Greenpeace - der Beginn einer weltumfassenden und -verändernden Organisation. Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der frühen Jahre von Greenpeace. Wie auf dem Weg nach Amchitka der erzwungene Stopp bei einer verlassenen Walfänger-Station eine erste Begegnung mit dem Grauen dieser Jagd bringt. „How to change the World" zeigt spannend, wie die ersten Walfänger mühsam gesucht werden und die bekannten Störmanöver mit den Schlauchbooten erstmals ausprobiert werden. Und dann schockierend blutige Bilder der Walfänger und Robbenjäger.
Die klugen und meist zufriedenen Rückblicke der gereiften Protagonisten in Interviews zeigen auch die Entwicklung einer medialen Strategie, angefangen mit dem Motto: „Pflanze eine Gedanken-Bombe". Beim Betrachten der alten Aufnahmen wird sehr deutlich, dass diese Bilder eine politische Umwelt-Bewegung geprägt und bestimmt haben. Dem begeisternden Idealismus folgen auch hier innere Konflikte und Ernüchterung. Einer der alten Helden wendet sich der radikalen Gruppierung Sea Shepherd zu, ein anderer macht Lobby-Arbeit für die Klimaskeptiker. Doch die Idee des Aufbruchs, das „nicht nur reden, sondern auch handeln", bleibt im Film und im nachhaltigen Wirken tausender Aktivisten ungebrochen.
1971 machte sich ein nicht wirklich seetüchtiger Kahn mit einer Handvoll Aktivisten auf zu einer ersten abenteuerliche Aktion gegen einen Atombomben-Test auf der Insel Amchitka in Alaska. Während der Fahrt tauft man das Schiff mit dem Namen Greenpeace - der Beginn einer weltumfassenden und -verändernden Organisation. Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der frühen Jahre von Greenpeace. Wie auf dem Weg nach Amchitka der erzwungene Stopp bei einer verlassenen Walfänger-Station eine erste Begegnung mit dem Grauen dieser Jagd bringt. „How to change the World" zeigt spannend, wie die ersten Walfänger mühsam gesucht werden und die bekannten Störmanöver mit den Schlauchbooten erstmals ausprobiert werden. Und dann schockierend blutige Bilder der Walfänger und Robbenjäger.
Die klugen und meist zufriedenen Rückblicke der gereiften Protagonisten in Interviews zeigen auch die Entwicklung einer medialen Strategie, angefangen mit dem Motto: „Pflanze eine Gedanken-Bombe". Beim Betrachten der alten Aufnahmen wird sehr deutlich, dass diese Bilder eine politische Umwelt-Bewegung geprägt und bestimmt haben. Dem begeisternden Idealismus folgen auch hier innere Konflikte und Ernüchterung. Einer der alten Helden wendet sich der radikalen Gruppierung Sea Shepherd zu, ein anderer macht Lobby-Arbeit für die Klimaskeptiker. Doch die Idee des Aufbruchs, das „nicht nur reden, sondern auch handeln", bleibt im Film und im nachhaltigen Wirken tausender Aktivisten ungebrochen.
Knight of Cups
USA 2015 Regie: Terrence Malick mit Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Brian Dennehy, Antonio Banderas, Imogen Poots, Armin Mueller-Stahl 118 Min. FSK: ab 6
Ein Film von Terrence Malick weckt große Erwartungen und seine bisherigen Werke legen die Latte sehr hoch. In Cannes erhielt „The Tree of Life", der universale Familienfilm mit Brat Pitt 2011 die Goldene Palme und „Days of Heaven", das Ernte-Melodram mit Richard Gere 1979 den Regie-Preis. In Berlin gab es 1999 den Goldenen Bär für die Kriegs-Vision „Der schmale Grat". „The Tree of Life", „The New World" und selbst das Beziehungsdrama „To the Wonder" mit Ben Affleck erzählen nie banal Geschichten, sie sind Kunstwerke einer anderen Dimension, komponieren aus Gedankenströmen, assoziativen Bilderketten und Klangteppichen Erfahrungen auf eine einzigartige Weise. Nun kommen in „Knight of Cups" noch Natalie Portmann und Christian Bale in den Hauptrollen sowie Cate Blanchett hinzu. Trotzdem ist das Ergebnis enttäuschend - für einen Malick-Film.
In Malicks sehnsüchtig erwarteten, siebten Film „Knight of Cups", der erneut mit frei schwebenden und assoziativen Szenen aber auch mit bekannt wirkenden Bildern erzählt, bleibt die Geschichte des begehrten aber in sich selbst verlorenen Drehbuchautors Rick (Christian Bale) banal. Ziellos treibt er durch ambitionierte Projekte Hollywoods, durch die edle aber kalte Architektur von Los Angeles. Mit zahllosen Frauen als Ablenkung sucht er. Was, das verraten mythische Paralleltexte von der märchenhaften Suche nach einer verlorenen Perle. Sowie die Tarot-Anspielungen. Schon der Titel bezieht sich auf die Figur des „Ritters der Kelche" und die acht Kapitel sind nach weiteren Karten benannt.
Zwischen ausschweifenden Partys und vielen Affären bleiben die Ärztin Nancy (Cate Blanchett), mit der er einst verheiratet war, und die verheiratete Elizabeth (Natalie Portman), die von ihm schwanger wird. Batman-Bale irrt dabei fast komplett ohne Dialoge durch die Bilder und lässt das Publikum ratlos zurück. Stellvertretend für das Publikum fragt der Protagonist: Wo habe ich mich verirrt? Das merkt man sich, das sticht heraus aus der riesigen Fläche der Off-Texte. Öfters hat man den Eindruck, hier wurden viele von Malick bekannte Bilder anders zusammen geschnitten. Der Filmkünstler, der sich schon mal Jahrzehnte Zeit ließ, bevor sein neuer Film fertig wurde, scheint im neuen, schnellen Produktions-Rhythmus mit „Knight" „nur" drei Jahre nach „To the Wonder" selbst die Perle seiner Kino-Magie verloren zu haben.
„Knight of Cups" ist - zumindest auf den ersten Blick - nicht so kraftvoll wie „The Tree of Life", der das ganze Universum filmisch erfassen wollte und einfach direkt über alle Maßen begeisterte. Doch es ist vermessen, solch ein Werk nach einer Sichtung verstehen zu wollen. Es bleibt immer noch ein Malick mit zahllosen wunderbar aufgenommenen und komponierte Momenten. Mit einer leichten Beiläufigkeit der Montage, die unerreicht ist. Mit so vielen Anknüpfpunkten in Religion, Philosophie und Mythologie, dass solch ein Filmerlebnis fruchtbarer und bereichernder ist als 99 Prozent der sonstigen Kinokost.
Ein Film von Terrence Malick weckt große Erwartungen und seine bisherigen Werke legen die Latte sehr hoch. In Cannes erhielt „The Tree of Life", der universale Familienfilm mit Brat Pitt 2011 die Goldene Palme und „Days of Heaven", das Ernte-Melodram mit Richard Gere 1979 den Regie-Preis. In Berlin gab es 1999 den Goldenen Bär für die Kriegs-Vision „Der schmale Grat". „The Tree of Life", „The New World" und selbst das Beziehungsdrama „To the Wonder" mit Ben Affleck erzählen nie banal Geschichten, sie sind Kunstwerke einer anderen Dimension, komponieren aus Gedankenströmen, assoziativen Bilderketten und Klangteppichen Erfahrungen auf eine einzigartige Weise. Nun kommen in „Knight of Cups" noch Natalie Portmann und Christian Bale in den Hauptrollen sowie Cate Blanchett hinzu. Trotzdem ist das Ergebnis enttäuschend - für einen Malick-Film.
In Malicks sehnsüchtig erwarteten, siebten Film „Knight of Cups", der erneut mit frei schwebenden und assoziativen Szenen aber auch mit bekannt wirkenden Bildern erzählt, bleibt die Geschichte des begehrten aber in sich selbst verlorenen Drehbuchautors Rick (Christian Bale) banal. Ziellos treibt er durch ambitionierte Projekte Hollywoods, durch die edle aber kalte Architektur von Los Angeles. Mit zahllosen Frauen als Ablenkung sucht er. Was, das verraten mythische Paralleltexte von der märchenhaften Suche nach einer verlorenen Perle. Sowie die Tarot-Anspielungen. Schon der Titel bezieht sich auf die Figur des „Ritters der Kelche" und die acht Kapitel sind nach weiteren Karten benannt.
Zwischen ausschweifenden Partys und vielen Affären bleiben die Ärztin Nancy (Cate Blanchett), mit der er einst verheiratet war, und die verheiratete Elizabeth (Natalie Portman), die von ihm schwanger wird. Batman-Bale irrt dabei fast komplett ohne Dialoge durch die Bilder und lässt das Publikum ratlos zurück. Stellvertretend für das Publikum fragt der Protagonist: Wo habe ich mich verirrt? Das merkt man sich, das sticht heraus aus der riesigen Fläche der Off-Texte. Öfters hat man den Eindruck, hier wurden viele von Malick bekannte Bilder anders zusammen geschnitten. Der Filmkünstler, der sich schon mal Jahrzehnte Zeit ließ, bevor sein neuer Film fertig wurde, scheint im neuen, schnellen Produktions-Rhythmus mit „Knight" „nur" drei Jahre nach „To the Wonder" selbst die Perle seiner Kino-Magie verloren zu haben.
„Knight of Cups" ist - zumindest auf den ersten Blick - nicht so kraftvoll wie „The Tree of Life", der das ganze Universum filmisch erfassen wollte und einfach direkt über alle Maßen begeisterte. Doch es ist vermessen, solch ein Werk nach einer Sichtung verstehen zu wollen. Es bleibt immer noch ein Malick mit zahllosen wunderbar aufgenommenen und komponierte Momenten. Mit einer leichten Beiläufigkeit der Montage, die unerreicht ist. Mit so vielen Anknüpfpunkten in Religion, Philosophie und Mythologie, dass solch ein Filmerlebnis fruchtbarer und bereichernder ist als 99 Prozent der sonstigen Kinokost.
7.9.15
45 Years
Großbritannien 2015 Regie: Andrew Haigh mit Charlotte Rampling, Tom Courtenay 95 Min. FSK: ab 0
So was nennt man wohl „Eine Leiche im Keller" haben, oder hier: Auf dem Dachboden und im Eis der Alpen ... Kate und Geoff feiern bald ihren 45. Hochzeitstag. Da erhält Geoff (Tom Courtenay) die Nachricht, dass seine vor 50 Jahren verunglückte Freundin wieder gefunden wurde. Eingefroren im Eis der Schweizer Alpen nach einem tödlich Unfall im Jahre 1962. Kate (Charlotte Rampling) ist irritiert von dieser punktuellen Auswirkung des Klimawandels. Es gibt Fragen und eher knappe Antworten.
Dabei hatte man es sich gerade gemütlich bequem gemacht im schön vertrauten, liebevollen Umgang der alten Leutchen miteinander in der ostenglischen Grafschaft Norfolk. Kate schmeißt den Haushalt und bringt den Hund nach draußen, denn Geoff leidet noch an den Folgen einer Bypass-Operation. Aber nach einem Pflichttreffen mit den ehemaligen Kollegen blitzt der Widerspruchsgeist des alten linken Gewerkschaftlers auf. Aber nach der ungewöhnlichen Nachricht verschwindet er öfters heimlich auf dem Dachboden, um in alten Fotos, Filmen und Erinnerungen zu wühlen.
Kann man als energische Seniorin tatsächlich eifersüchtig auf eine Frau werden, die schon ein halbes Jahrhundert definitiv keine Konkurrentin mehr ist? Obwohl die damals schwanger war und Kate selbst nie ein Kind hatte? Allerdings ist die Konkurrentin in Eis und Erinnerung noch immer gut erhalten und in der Erinnerung für ewig 27 Jahre jung. Und wie seltsam diese Eifersucht wirken mag, man nimmt sie der von Charlotte Rampling gespielten Figur jederzeit ab.
Während die Musik und das Menü für eine große Party ausgewählt werden müssen, brodelt es in der eigentlich gesetzten Beziehung. Er steckt sich nach vielen Jahren wieder eine Zigarette an, sie zickt wie ein unreifer Teenager rum. Mit Hilfe des gemeinsamen Liedes, dem „Happy together" von den The Turtles soll die aufklaffende Gletscherspalte in einer Ehe „bis das der Tod euch scheidet" gekittet werden. Doch das geht genau so schief wie der Versuch noch mal miteinander zu schlafen.
Wie unaufgeregt sich in braver bürgerlicher Umgebung ein völlig unerwartetes Drama auftut, wie sich Intimes in kleinen Details, in Spleens und veränderten Gewohnheiten zeigt, so was bringen wohl nur erstklassige Schauspieler wie Charlotte Rampling und Tom Courtenay fertig! Die Vorlage ist David Constantines Erzählung "In Another Country". „45 Years" ist einer dieser Filme, die langsam immer stärker wirken. Bis zu einem kleinen Moment im Finale, der bei der Premiere bei der Berlinale viel besprochen wurde: Kann er sie nach 45 Jahren noch einmal verführen ....? Auf jeden Fall erhielten Charlotte Rampling und Tom Courtenay in Berlin beide einen Silbernen Bären für ihre Darstellungskunst.
So was nennt man wohl „Eine Leiche im Keller" haben, oder hier: Auf dem Dachboden und im Eis der Alpen ... Kate und Geoff feiern bald ihren 45. Hochzeitstag. Da erhält Geoff (Tom Courtenay) die Nachricht, dass seine vor 50 Jahren verunglückte Freundin wieder gefunden wurde. Eingefroren im Eis der Schweizer Alpen nach einem tödlich Unfall im Jahre 1962. Kate (Charlotte Rampling) ist irritiert von dieser punktuellen Auswirkung des Klimawandels. Es gibt Fragen und eher knappe Antworten.
Dabei hatte man es sich gerade gemütlich bequem gemacht im schön vertrauten, liebevollen Umgang der alten Leutchen miteinander in der ostenglischen Grafschaft Norfolk. Kate schmeißt den Haushalt und bringt den Hund nach draußen, denn Geoff leidet noch an den Folgen einer Bypass-Operation. Aber nach einem Pflichttreffen mit den ehemaligen Kollegen blitzt der Widerspruchsgeist des alten linken Gewerkschaftlers auf. Aber nach der ungewöhnlichen Nachricht verschwindet er öfters heimlich auf dem Dachboden, um in alten Fotos, Filmen und Erinnerungen zu wühlen.
Kann man als energische Seniorin tatsächlich eifersüchtig auf eine Frau werden, die schon ein halbes Jahrhundert definitiv keine Konkurrentin mehr ist? Obwohl die damals schwanger war und Kate selbst nie ein Kind hatte? Allerdings ist die Konkurrentin in Eis und Erinnerung noch immer gut erhalten und in der Erinnerung für ewig 27 Jahre jung. Und wie seltsam diese Eifersucht wirken mag, man nimmt sie der von Charlotte Rampling gespielten Figur jederzeit ab.
Während die Musik und das Menü für eine große Party ausgewählt werden müssen, brodelt es in der eigentlich gesetzten Beziehung. Er steckt sich nach vielen Jahren wieder eine Zigarette an, sie zickt wie ein unreifer Teenager rum. Mit Hilfe des gemeinsamen Liedes, dem „Happy together" von den The Turtles soll die aufklaffende Gletscherspalte in einer Ehe „bis das der Tod euch scheidet" gekittet werden. Doch das geht genau so schief wie der Versuch noch mal miteinander zu schlafen.
Wie unaufgeregt sich in braver bürgerlicher Umgebung ein völlig unerwartetes Drama auftut, wie sich Intimes in kleinen Details, in Spleens und veränderten Gewohnheiten zeigt, so was bringen wohl nur erstklassige Schauspieler wie Charlotte Rampling und Tom Courtenay fertig! Die Vorlage ist David Constantines Erzählung "In Another Country". „45 Years" ist einer dieser Filme, die langsam immer stärker wirken. Bis zu einem kleinen Moment im Finale, der bei der Premiere bei der Berlinale viel besprochen wurde: Kann er sie nach 45 Jahren noch einmal verführen ....? Auf jeden Fall erhielten Charlotte Rampling und Tom Courtenay in Berlin beide einen Silbernen Bären für ihre Darstellungskunst.
Kill The Messenger
USA 2014 Regie: Michael Cuesta mit Jeremy Renner, Rosemarie DeWitt, Ray Liotta, Tim Blake Nelson, Oliver Platt, Michael Sheen, Andy 112 Min. FSK: ab 12
Die Geschichten von Edward Snowden, Edward / Chelsea Manning und vielleicht auch vom Wikileaks-Gründer Julian Assange zeigen, was es heutzutage bedeutet, die Wahrheit zu sagen. Die eigentlichen, die großen nationalen Verbrechen geraten in Vergessenheit hinter einer Flut schmutziger persönlicher Vorwürfe. Der ungemein und ungewöhnlich spannende Polit-Thriller „Kill The Messenger" spielt dies anhand der wahren Geschichte eines kleinen Journalisten durch, der enthüllte, wie die CIA den Bürgerkrieg in Nicaragua über den Crack-Verkauf in den USA finanzierte.
Gary Webb (Jeremy Renner) ist ein cooler Journalist und Vater, der die Bürgerrechte verteidigt. Auch die von Drogendealern, solange die noch nicht verurteilt sind. Nun ist seine Zeitung, die San Jose Mercury News, nicht die erste Adresse und so entdeckt der aufmerksame Gerichtsbeobachter nur über eine Kette von Zufällen, dass die CIA in den 80er Jahren mit der Finanzierung eines gigantischen Drogenhandels die Contras in Nicaragua unterstützten. Und dabei in den USA vor allem die eigenen armen Krisengebiete mit der Bilig-Droge Crack überschwemmten.
Da klingt selbst heute noch unglaublich, aber Gary Webb kämpft für seinen Artikel, trotz unverhohlener Drohungen der CIA gegen seine Familie. Doch der übliche Triumph der Wahrheit kommt hier schon zur Mitte des Films, danach folgt der Webbs forcierter Niedergang, eine Tragödie des Journalismus. Die großen Blätter nehmen neidvoll die Story auseinander, mit freundlicher Unterstützung der Geheimdienste. Der eigene Chefredakteur macht einen Rückzieher, als Webbs Zeugen verschwinden oder ihre Aussagen zurücknehmen. Es folgen Versetzung und Trennung von der Familie, weil dem schon einmal untreuen Ehemann wieder ein Seitensprung unterstellt wird.
Dass ausgerechnet der Diebstahl des geliebten, selbst restaurierten Motorrads den inneren Zusammenbruch markiert, zeigt die Qualitäten des Films von Regisseur Michael Cuesta, der nicht nur behauptet und historische Fakten referiert, sondern einen medien-politischen Mechanismus nachempfinden lässt. So nimmt „Kill the Messenger" immer mehr gefangen, ganz ohne Verfolgungsjagden oder aufgesetzte Spannungsmomente. Dieser sehr menschliche Polit-Film ist packend inszeniert und im emotionalen Verlauf überraschend.
Das ist auch dem exzellenten Hauptdarsteller und Produzenten Jeremy Renner („Avengers: Age of Ultron", „Mission: Impossible - Rogue Nation", „American Hustle") zu verdanken. Im hochrangigen Cast gibt Andy Garcia kurz einen Drogenboss, der in einem Gefängnis in Nicaragua Hof hält. Doch trotz der großen Besetzung ist „Kill the Messenger" keine Heldengeschichte: Webb konnte, nachdem er eine nationale und internationale Geschichte geschrieben hat, nie mehr als Journalist arbeiten und brachte sich 2004 um. Die Regierungs-Untersuchung, die ihm Recht gab, fand keine Beachtung, weil sich die Öffentlichkeit gerade mehr an Flecken auf dem Kleid der Clinton-Praktikantin Lewinsky interessierte. Das hat viel von Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger" und all den Frustrationen angesichts der Entdeckungen von BKA-Spionage, illegalen Waffenexporten oder Kriegsverbrechen, die meist nur für die mutigen Botschafter der Nachrichten Folgen haben.
Die Geschichten von Edward Snowden, Edward / Chelsea Manning und vielleicht auch vom Wikileaks-Gründer Julian Assange zeigen, was es heutzutage bedeutet, die Wahrheit zu sagen. Die eigentlichen, die großen nationalen Verbrechen geraten in Vergessenheit hinter einer Flut schmutziger persönlicher Vorwürfe. Der ungemein und ungewöhnlich spannende Polit-Thriller „Kill The Messenger" spielt dies anhand der wahren Geschichte eines kleinen Journalisten durch, der enthüllte, wie die CIA den Bürgerkrieg in Nicaragua über den Crack-Verkauf in den USA finanzierte.
Gary Webb (Jeremy Renner) ist ein cooler Journalist und Vater, der die Bürgerrechte verteidigt. Auch die von Drogendealern, solange die noch nicht verurteilt sind. Nun ist seine Zeitung, die San Jose Mercury News, nicht die erste Adresse und so entdeckt der aufmerksame Gerichtsbeobachter nur über eine Kette von Zufällen, dass die CIA in den 80er Jahren mit der Finanzierung eines gigantischen Drogenhandels die Contras in Nicaragua unterstützten. Und dabei in den USA vor allem die eigenen armen Krisengebiete mit der Bilig-Droge Crack überschwemmten.
Da klingt selbst heute noch unglaublich, aber Gary Webb kämpft für seinen Artikel, trotz unverhohlener Drohungen der CIA gegen seine Familie. Doch der übliche Triumph der Wahrheit kommt hier schon zur Mitte des Films, danach folgt der Webbs forcierter Niedergang, eine Tragödie des Journalismus. Die großen Blätter nehmen neidvoll die Story auseinander, mit freundlicher Unterstützung der Geheimdienste. Der eigene Chefredakteur macht einen Rückzieher, als Webbs Zeugen verschwinden oder ihre Aussagen zurücknehmen. Es folgen Versetzung und Trennung von der Familie, weil dem schon einmal untreuen Ehemann wieder ein Seitensprung unterstellt wird.
Dass ausgerechnet der Diebstahl des geliebten, selbst restaurierten Motorrads den inneren Zusammenbruch markiert, zeigt die Qualitäten des Films von Regisseur Michael Cuesta, der nicht nur behauptet und historische Fakten referiert, sondern einen medien-politischen Mechanismus nachempfinden lässt. So nimmt „Kill the Messenger" immer mehr gefangen, ganz ohne Verfolgungsjagden oder aufgesetzte Spannungsmomente. Dieser sehr menschliche Polit-Film ist packend inszeniert und im emotionalen Verlauf überraschend.
Das ist auch dem exzellenten Hauptdarsteller und Produzenten Jeremy Renner („Avengers: Age of Ultron", „Mission: Impossible - Rogue Nation", „American Hustle") zu verdanken. Im hochrangigen Cast gibt Andy Garcia kurz einen Drogenboss, der in einem Gefängnis in Nicaragua Hof hält. Doch trotz der großen Besetzung ist „Kill the Messenger" keine Heldengeschichte: Webb konnte, nachdem er eine nationale und internationale Geschichte geschrieben hat, nie mehr als Journalist arbeiten und brachte sich 2004 um. Die Regierungs-Untersuchung, die ihm Recht gab, fand keine Beachtung, weil sich die Öffentlichkeit gerade mehr an Flecken auf dem Kleid der Clinton-Praktikantin Lewinsky interessierte. Das hat viel von Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger" und all den Frustrationen angesichts der Entdeckungen von BKA-Spionage, illegalen Waffenexporten oder Kriegsverbrechen, die meist nur für die mutigen Botschafter der Nachrichten Folgen haben.
2.9.15
L'Chaim! - Auf das Leben!
BRD 2014 Regie: Elkan Spiller 89 Min. FSK: ab 0
Der Dokumentarfilm porträtiert den Mittsechziger Chaim Lubelski, der wohl keineswegs zufällig nach dem Leben aus dem hebräischen Spruch „L'Chaim!" (Auf das Leben!) genannt wurde. Der Sohn zweier KZ-Überlebender, früher Jeans-Exporteur in New York, professioneller Schachspieler in Saint-Tropez, Dealer und Hippie, zieht mit 63 Jahren zu seiner Mutter in ein jüdisches Seniorenheim in Antwerpen. Dabei ist das Jetzt des bärtigen Charakters in seinen olivgrünen Military-Klamotten immer wichtiger als die unvermeidlichen Erinnerungen von Mutter und Sohn. Chaim fährt mit dem Regisseur durchs niederländische Zeeland auf der Suche nach Stoff für seine unerlässlichen Joint und ein paar Szenen später diskutiert er freundschaftlich in Jerusalem mit anderen Religionsgelehrten - mit einer Lidl-Tasche unterm Arm. Eine wahre Persönlichkeit, gegenüber der sich die Langzeit-Dokumentation klug zurückhält und in den Jahren, während denen auch die Mutter stirbt, höchstens beruhigend ordnet. „L'Chaim! - Auf das Leben!" bewegt mit dem Leben an sich und einer ungewöhnlich entspannten Haltung seines Protagonisten all dem gegenüber.
Der Dokumentarfilm porträtiert den Mittsechziger Chaim Lubelski, der wohl keineswegs zufällig nach dem Leben aus dem hebräischen Spruch „L'Chaim!" (Auf das Leben!) genannt wurde. Der Sohn zweier KZ-Überlebender, früher Jeans-Exporteur in New York, professioneller Schachspieler in Saint-Tropez, Dealer und Hippie, zieht mit 63 Jahren zu seiner Mutter in ein jüdisches Seniorenheim in Antwerpen. Dabei ist das Jetzt des bärtigen Charakters in seinen olivgrünen Military-Klamotten immer wichtiger als die unvermeidlichen Erinnerungen von Mutter und Sohn. Chaim fährt mit dem Regisseur durchs niederländische Zeeland auf der Suche nach Stoff für seine unerlässlichen Joint und ein paar Szenen später diskutiert er freundschaftlich in Jerusalem mit anderen Religionsgelehrten - mit einer Lidl-Tasche unterm Arm. Eine wahre Persönlichkeit, gegenüber der sich die Langzeit-Dokumentation klug zurückhält und in den Jahren, während denen auch die Mutter stirbt, höchstens beruhigend ordnet. „L'Chaim! - Auf das Leben!" bewegt mit dem Leben an sich und einer ungewöhnlich entspannten Haltung seines Protagonisten all dem gegenüber.
Es ist schwer, ein Gott zu sein
Russland 2013 (Trudno byt bogom) Regie: Aleksey German mit Leonid Yarmolnik, Yuri Tsurilo 177 Min. FSK: ab 16
Als Monstrum, Monolith, Ereignis wird dieser sagenhafte, letzte Film des 2013 gestorbenen Regisseurs Aleksey German („Khroustaliov, mein Wagen!") zu Recht bezeichnet: „Es ist schwer, ein Gott zu sein" wirkt wie ein Mittelalter-Film, ist aber auch Science-Fiction. Wissenschaftler befinden sich auf einem anderen Planeten in einer Welt wie unsere. Nur 600 Jahre rückständiger und ohne dass die Renaissance stattgefunden hätte. Als Protagonist irrt einer von ihnen als Don Rumata, in 17. Generation von Herren, ein vermeintlicher, mundgeborener Gott durch Höhlen, Slums, Matsch und Elend. Ein Bosch-Gemälde in kleinen Bild-Ausschnitt gequetscht und von Fäulnisgasen noch weiter in den Wahnsinn getrieben.
„Es ist schwer, ein Gott zu sein" ist ein Film, der im Schlamm und Scheiße versinkt. Dauernd pilgern Menschen zu Aborten, greifen sich in den Schritt, um an den Fingern zu riechen in diesem Geruchskino. Dazwischen spielt Don Oboe, es gibt fein gezeichnet Stillleben, Monolog-Fetzen, immer wieder schauen die Gestalten in die Kamera.
Aleksey German paart das nebelige Schwarzweiß von Tarkowski in zügelloser Wollust mit den körperlichsten Phantasmen Fellinis. Das Gewaltige, Monströse und Archaische ist nicht auf eine Fabel oder Aussage reduzierbar, selbst mit dem Wissen um die gleichnamige Vorlage von Arkadi und Boris Strugazki, der 1964 die Verbrechen Stalins wiedergab. Man ist auch durch die langen Kamerasequenzen zu sehr drin in den düsteren, schlammigen Gewölben, zu nah an den fantastisch schaurigen Figuren, die immer wieder einfach ins Bild greifen oder in die Kamera schauen. Und das ist ein unvergleichlich, großartiges Erlebnis.
Als Monstrum, Monolith, Ereignis wird dieser sagenhafte, letzte Film des 2013 gestorbenen Regisseurs Aleksey German („Khroustaliov, mein Wagen!") zu Recht bezeichnet: „Es ist schwer, ein Gott zu sein" wirkt wie ein Mittelalter-Film, ist aber auch Science-Fiction. Wissenschaftler befinden sich auf einem anderen Planeten in einer Welt wie unsere. Nur 600 Jahre rückständiger und ohne dass die Renaissance stattgefunden hätte. Als Protagonist irrt einer von ihnen als Don Rumata, in 17. Generation von Herren, ein vermeintlicher, mundgeborener Gott durch Höhlen, Slums, Matsch und Elend. Ein Bosch-Gemälde in kleinen Bild-Ausschnitt gequetscht und von Fäulnisgasen noch weiter in den Wahnsinn getrieben.
„Es ist schwer, ein Gott zu sein" ist ein Film, der im Schlamm und Scheiße versinkt. Dauernd pilgern Menschen zu Aborten, greifen sich in den Schritt, um an den Fingern zu riechen in diesem Geruchskino. Dazwischen spielt Don Oboe, es gibt fein gezeichnet Stillleben, Monolog-Fetzen, immer wieder schauen die Gestalten in die Kamera.
Aleksey German paart das nebelige Schwarzweiß von Tarkowski in zügelloser Wollust mit den körperlichsten Phantasmen Fellinis. Das Gewaltige, Monströse und Archaische ist nicht auf eine Fabel oder Aussage reduzierbar, selbst mit dem Wissen um die gleichnamige Vorlage von Arkadi und Boris Strugazki, der 1964 die Verbrechen Stalins wiedergab. Man ist auch durch die langen Kamerasequenzen zu sehr drin in den düsteren, schlammigen Gewölben, zu nah an den fantastisch schaurigen Figuren, die immer wieder einfach ins Bild greifen oder in die Kamera schauen. Und das ist ein unvergleichlich, großartiges Erlebnis.
1.9.15
Ricki
USA 2015 (Ricki and the Flash) Regie: Jonathan Demme mit Meryl Streep, Kevin Kline, Mamie Gummer 102 Min. FSK: ab 0
Wie sehr kann ein Film enttäuschen? „Ricki" ist ein Fall für die Lehrbücher, weil gleich der hervorragende Regisseur Jonathan Demme, die berühmte Hauptdarstellerin Meryl Streep und die äußerst gehypte Drehbuchautorin Diablo Cody („Juno", „Young Adult") einen Musik-Film zum Abgewöhnen fabrizierten.
In „Ricki" – hirnrissiger Untertitel „Wie Familie so ist" - ist Meryl Streep als alternde Rockerin und reuige Mutter völlig fehlbesetzt. Sie spielt die gescheiterte Existenz Ricki, eine alte Gitarristin, die einst alles für ihren Traum, ein Rockstar zu werden, aufgegeben hat. Jetzt hat ihre Tochter Julie (Mamie Gummer) versucht, sich umzubringen, und der Exmann Pete (Kevin Kline) ruft die unwahrscheinlichste Helferin herbei, weil seine Neue gerade auf Geschäftsreise ist.
Die sehr vorhersehbare Familienzusammenführung macht aus der abweisenden, neurotischen Tochter eine Freundin, überwindet die Ängste der unzuverlässigen Mutter, bewältigt nebenbei noch Bindungsängste und endet bis zum Hals in Friede-Freude-Hochzeitstorte. Dazu gibt es Musik, die so konservativ und verstaubt rockt, wie es nur in den USA denkbar ist, wo Rock und Rebellion auch Antipoden sein können. Dass ausgerechnet die unerträglich lahme Musik von Rickis Band bei der Hochzeit des Sohns für Aufregung sorgt, ist der größte Klops des Drehbuchs.
So liefert Jonathan Demme, immerhin der Regisseur von „Das Schweigen der Lämmer", nach großartigen Neil Young-Filmen und dem legendären „Stop Making Sense" seinen schlechtesten Musikfilm überhaupt ab. Autorin Diablo Cody verspielt ihren guten Ruf von „Juno" endgültig. Meryl Streep glaubt man keine Sekunde die Kassiererin, die abends in einer schäbigen Bar rockt und vor Schulden nicht mehr weiter weiß. Der Europapremiere in Locarno blieben Streep und das ganze Team wohlweislich fern.
Wie sehr kann ein Film enttäuschen? „Ricki" ist ein Fall für die Lehrbücher, weil gleich der hervorragende Regisseur Jonathan Demme, die berühmte Hauptdarstellerin Meryl Streep und die äußerst gehypte Drehbuchautorin Diablo Cody („Juno", „Young Adult") einen Musik-Film zum Abgewöhnen fabrizierten.
In „Ricki" – hirnrissiger Untertitel „Wie Familie so ist" - ist Meryl Streep als alternde Rockerin und reuige Mutter völlig fehlbesetzt. Sie spielt die gescheiterte Existenz Ricki, eine alte Gitarristin, die einst alles für ihren Traum, ein Rockstar zu werden, aufgegeben hat. Jetzt hat ihre Tochter Julie (Mamie Gummer) versucht, sich umzubringen, und der Exmann Pete (Kevin Kline) ruft die unwahrscheinlichste Helferin herbei, weil seine Neue gerade auf Geschäftsreise ist.
Die sehr vorhersehbare Familienzusammenführung macht aus der abweisenden, neurotischen Tochter eine Freundin, überwindet die Ängste der unzuverlässigen Mutter, bewältigt nebenbei noch Bindungsängste und endet bis zum Hals in Friede-Freude-Hochzeitstorte. Dazu gibt es Musik, die so konservativ und verstaubt rockt, wie es nur in den USA denkbar ist, wo Rock und Rebellion auch Antipoden sein können. Dass ausgerechnet die unerträglich lahme Musik von Rickis Band bei der Hochzeit des Sohns für Aufregung sorgt, ist der größte Klops des Drehbuchs.
So liefert Jonathan Demme, immerhin der Regisseur von „Das Schweigen der Lämmer", nach großartigen Neil Young-Filmen und dem legendären „Stop Making Sense" seinen schlechtesten Musikfilm überhaupt ab. Autorin Diablo Cody verspielt ihren guten Ruf von „Juno" endgültig. Meryl Streep glaubt man keine Sekunde die Kassiererin, die abends in einer schäbigen Bar rockt und vor Schulden nicht mehr weiter weiß. Der Europapremiere in Locarno blieben Streep und das ganze Team wohlweislich fern.
Die Kleinen und die Bösen
BRD 2015 Regie: Markus Sehr mit Christoph Maria Herbst, Peter Kurth, Emma Bading, Ivo Kortlang 91 Min. FSK: ab 12
Klein ist dieser deutsche TV- und Kino-Film ja schon. Aber böse? Ein klein wenig vielleicht. Beim Auftritt von Hotte (Peter Kurth) bei seinem biederen Bewährungshelfer Benno (Christoph Maria Herbst) poltert eine heftige Proleten-Komödie ins Amtszimmer: Plauze unterm verschwitzten Hawaii-Hemd. Drüber ein Schnauzer und auf den paar Metern zur Tür direkt einen iPod mitgehen lassen.
Was die beiden unterschiedlichen Typen verbindet, sind Kinder. Die, die Benno wegen Unfruchtbarkeit nicht bekommen kann, was als Geheimnis seine hübsch eingerichtete Beziehung mit Tanja bedroht. Und die Kids, die Hotte nie interessiert haben, die aber wegen Todesfall in der Familie und vor allem wegen dem Kindergeld plötzlich interessant werden. Hotte bringt zum ersten Wiedersehen nach Jahren und im Fall von Jenny überhaupt, Kinderschokolade vom Aldi mit. Bestimmt geklaut, so wie Dennis bestimmt sein Sohn ist, denn der raubt auch direkt einen Kiosk aus und kommt bei der Flucht unter einen Zug.
Nun will Benno Jenny notfalls mit illegalen Mitteln vor ihrem tapsig bemühten Vater retten. Hotte will mit Jenny nach Mallorca ziehen. Und der minderjährige Asylant Ivic, guter Kunde von Benno und bald Freund von Jenny, will mit Hotte einem gefährlichen Auto-Dealer 10.000 Euro aus der Lederweste klauen. Zudem reizt die alleinerziehende portugiesische Kellnerin Dorka Gryllus (Anabell) mit ihrer kleinen Tochter den kinderlieben Benno und sein Helfersyndrom viel mehr als die verkrampft unschwangere Ehefrau.
Christoph Maria Herbst als Netter, das braucht Gewöhnung und dann ist es doch anders: „Die einen können keine Kinder kriegen und die anderen, die keine haben sollten ..." Solche Sprüche könnten von Stromberg kommen, doch diese Versicherungskarriere ist ja auch im Kino bereits abgefeiert. Danach sah man Herbst in der üblen Klamotte „300 Worte Deutsch" als Amtsleiter Dr. Ludwig Sarheimer vom Ausländeramt. Und nun Softie Benno mit Hipster-Einschlag und großem Sozialarbeiter-Herz als Bewährungshelfer. Doch irgendwann wollen alle nur noch an die Scheine, dann bekommt die Komödie, die mit dem Tod von Dennis sogar rühren wollte, wieder Schwung.
Dafür sorgte im Genre-Mix bis dahin der Gauner Hotte, der nicht weiß, ob seine Kinder Junge oder Mädchen sind, der dem Reitfan Jenny zum Trost Sauerbraten vom Pferd kocht. Peter Kurth kann Herbst öfters die Show stehlen, doch Benno kann Hotte das Geld klauen. Kleine Böse, denn um Hotte zum echt bösen Gangster, zum charismatisch ordinären Kerl im Stile britischer Gangster-Komödien zu machen, hätte es mehr Mut gebraucht. So helfen nur die guten Dialoge, wenn der Film mal wieder etwas zu lange mit den kleinen Fluchten wartet, damit das Drehbuch noch eine Runde drehen kann.
Das ist in der Inszenierung nicht immer so gelungen, wie die letzte Kino-Komödie von Markus Sehr, die wunderbare Sonderlings-Geschichte „Eine Insel namens Udo" aus 2011, mit dem bis zur Unsichtbarkeit unscheinbaren Kaufhausdetektiv Udo. Aber wenigstens kommen „Die Kleinen und die Bösen" dank weiblicher Klugheit zu einen guten, weil unkonventionellen Happy End.
Klein ist dieser deutsche TV- und Kino-Film ja schon. Aber böse? Ein klein wenig vielleicht. Beim Auftritt von Hotte (Peter Kurth) bei seinem biederen Bewährungshelfer Benno (Christoph Maria Herbst) poltert eine heftige Proleten-Komödie ins Amtszimmer: Plauze unterm verschwitzten Hawaii-Hemd. Drüber ein Schnauzer und auf den paar Metern zur Tür direkt einen iPod mitgehen lassen.
Was die beiden unterschiedlichen Typen verbindet, sind Kinder. Die, die Benno wegen Unfruchtbarkeit nicht bekommen kann, was als Geheimnis seine hübsch eingerichtete Beziehung mit Tanja bedroht. Und die Kids, die Hotte nie interessiert haben, die aber wegen Todesfall in der Familie und vor allem wegen dem Kindergeld plötzlich interessant werden. Hotte bringt zum ersten Wiedersehen nach Jahren und im Fall von Jenny überhaupt, Kinderschokolade vom Aldi mit. Bestimmt geklaut, so wie Dennis bestimmt sein Sohn ist, denn der raubt auch direkt einen Kiosk aus und kommt bei der Flucht unter einen Zug.
Nun will Benno Jenny notfalls mit illegalen Mitteln vor ihrem tapsig bemühten Vater retten. Hotte will mit Jenny nach Mallorca ziehen. Und der minderjährige Asylant Ivic, guter Kunde von Benno und bald Freund von Jenny, will mit Hotte einem gefährlichen Auto-Dealer 10.000 Euro aus der Lederweste klauen. Zudem reizt die alleinerziehende portugiesische Kellnerin Dorka Gryllus (Anabell) mit ihrer kleinen Tochter den kinderlieben Benno und sein Helfersyndrom viel mehr als die verkrampft unschwangere Ehefrau.
Christoph Maria Herbst als Netter, das braucht Gewöhnung und dann ist es doch anders: „Die einen können keine Kinder kriegen und die anderen, die keine haben sollten ..." Solche Sprüche könnten von Stromberg kommen, doch diese Versicherungskarriere ist ja auch im Kino bereits abgefeiert. Danach sah man Herbst in der üblen Klamotte „300 Worte Deutsch" als Amtsleiter Dr. Ludwig Sarheimer vom Ausländeramt. Und nun Softie Benno mit Hipster-Einschlag und großem Sozialarbeiter-Herz als Bewährungshelfer. Doch irgendwann wollen alle nur noch an die Scheine, dann bekommt die Komödie, die mit dem Tod von Dennis sogar rühren wollte, wieder Schwung.
Dafür sorgte im Genre-Mix bis dahin der Gauner Hotte, der nicht weiß, ob seine Kinder Junge oder Mädchen sind, der dem Reitfan Jenny zum Trost Sauerbraten vom Pferd kocht. Peter Kurth kann Herbst öfters die Show stehlen, doch Benno kann Hotte das Geld klauen. Kleine Böse, denn um Hotte zum echt bösen Gangster, zum charismatisch ordinären Kerl im Stile britischer Gangster-Komödien zu machen, hätte es mehr Mut gebraucht. So helfen nur die guten Dialoge, wenn der Film mal wieder etwas zu lange mit den kleinen Fluchten wartet, damit das Drehbuch noch eine Runde drehen kann.
Das ist in der Inszenierung nicht immer so gelungen, wie die letzte Kino-Komödie von Markus Sehr, die wunderbare Sonderlings-Geschichte „Eine Insel namens Udo" aus 2011, mit dem bis zur Unsichtbarkeit unscheinbaren Kaufhausdetektiv Udo. Aber wenigstens kommen „Die Kleinen und die Bösen" dank weiblicher Klugheit zu einen guten, weil unkonventionellen Happy End.
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