4.10.25

Zweigstelle

Deutsche Bürokratie ist die Hölle – aber was wäre, wenn auch der Himmel piefig deutsch und bürokratisch arbeiten würde? Julius Grimm unterhält in seinem Langfilmdebüt, der Komödie „Zweigstelle", mit vielen netten und schrägen Ideen.

Resis Trennungsgesprächs-Übung mit ihrer Freundin war ziemlich überflüssig, denn Beziehungspartner Michi Wagner kommt ihr mit der Offenlegung eines tödlichen Tumors zuvor. Drei Jahre später ist Resi (Sarah Mahita) genau da, wo sie auf keinen Fall sein wollte. Auf dem Dorf als Teil des bäuerlichen Familienbetriebs Wagner. Aber endlich frei, denn Michi (Julian Gutmann) ist inzwischen gestorben. Es bleibt nur noch ein letzter Wunsch: seine Asche oben auf einem Berg zu verstreuen – gegen den Willen seiner Eltern. Und so geht es komödiantisch weiter: Die Urne kippt um und die Überreste werden mit dem Handstaubsauger aufgesaugt. Nach dem Diebstahl eines Plastikbeutels voller Überreste ihres ehemaligen Verlobten starten vier Freunde ins übliche Roadmovie, um den letzten Wunsch zu erfüllen. Am Steuer dieser illegalen Aktion sitzt die Polizistin Sophie (Nhung Hong). Bis zur nächsten Kreuzung, an der ein Laster und ein alberner Unfall dem Film eine neue Richtung geben ...

Den vier Freunden dämmert langsam, dass die verstaubte bayerische Bürokratie, in der sie in Feinripp-Unterwäsche stehen, die „Zweigstelle Süddeutschland", die Vorstufe von Himmel oder Hölle ist. Am sehr menschlichen Empfang gibt es überarbeitete Engel, Bürokratinnen im Woll-Kostümchen und sehr viele Regeln. Die Einrichtung ist irgendwie in den Sechzigern steckengeblieben – nicht nur ästhetisch mit Pastellgelb und -grün zwischen der Holzvertäfelung, sondern auch vom Servicecharakter her. Obwohl hier die Erfahrung einer Ewigkeit vorliegen sollte, funktioniert nicht viel: Der Automat für Bearbeitungsnummern ist bei 999.999 ans Ende seiner Zahlen gekommen und wird unendlich langsam von Hand zurückgedreht. Mel (Beritan Bali), die gerade wiederbelebt wird, verschwindet immer wieder aus dem Amt. Das Nichts als Zielort für alle Ungläubigen befindet sich hinter einer der vielen Türen der Bürogänge, ist aber gerade defekt. Dafür wird hier sehr auf den korrekten Gebrauch des Genitivs geachtet und „von dem Genitiv" sofort korrigiert.

Auch wenn wir uns eigentlich schon in der Hölle der deutschen Bürokratie befinden, geht es um die Weiterleitung der Seele, nachdem der Glaube geprüft wurde. „Das Nichts" droht allen, die an nichts geglaubt haben. Dabei reicht es, an den Film „In einem Land vor unserer Zeit" zu glauben. Philipps Behauptung, Buddhist zu sein, wird in der Unterabteilung mit dem defekten Drucker bald als Lüge enttarnt. Während Resi auf ihre Bearbeitungsnummer 0 wartet, bewirbt sie sich derweil als Praktikantin beim netten Hausmeister Rainer Bock, immer mit einem Auge auf den Schlüsselbund, der vielleicht zu einem guten Ausgang führt. Mit seinem goldenen Kugelschreiber bewirkt er kleine Wunder.

„Zweigstelle" erzählt eine nette Geschichte und begeistert mit einem Feuerwerk schräger Ideen. Das Drehbuch von Regisseur Julius Grimm und Koautor Fabian Krebs besticht durch einen skurrilen Humor, wie man ihn eher in skandinavischen oder niederländischen Filmen sieht, in deutschen jedoch selten. Als Maßstab wäre Wes Anderson für dieses Langfilmdebüt nach einigen Kurzfilmen allerdings zu hoch gegriffen, auch wenn die Ausstattungslinie gelungen ist. Irgendwie geht es um Resis Entscheidung zwischen einem aufopferungsvollen Leben und Selbsterfüllung. Resi wollte und will nur ihr eigenes Leben leben. Allzu tiefe Erkenntnisse liefert das nicht. Dafür ist alles gut inszeniert und gespielt und zudem unterhaltsam flott geschnitten. Generell muss man tolerieren, dass der Dialekt sehr bayerisch ist und die Handlung allein im katholischen Denksystem funktioniert.

Rick Kavanian („Der Schuh des Manitu") als Bestattungsunternehmer zeigt, wo der mal alberne, mal skurrile Humor einzuordnen ist. Diese „Zweigstelle" macht viel Spaß, weil den Machern in schneller Folge immer wieder etwas Witziges und Originelles eingefallen ist. Im Schauspielteam sind Kabarettisten wie Maximilian Schafroth oder Luise Kinseher. Rainer Bock, den man aus „Karla" als einfühlsamen Richter kennt, spielt hier einen freundlichen und hilfsbereiten Hausmeister der Himmels-Bürokratie. Dazu gibt es Live-Musik der komödiantischen Italo-Band „Roy Biancho & Die Abbrunzati Boys".

Zweigstelle
(Deutschland 2025), Regie: Julius Grimm, mit Sarah Mahita, Nhung Hong, David Ali Rashed, 98 Minuten, FSK: ab 6