7.12.15

By the sea

USA 2015 Regie: Angelina Jolie mit Brad Pitt, Angelina Jolie, Mélanie Laurent, Niels Arestrup 108 Min. FSK: ab 12

Angelina Jolie und Brad Pitt an der französischen Küste. Also quasi ein Home-Video der Familie Jolie-Pitt, das ist doch ein Hit! Aber auch in ihrem dritten Spielfilm als Regisseurin erweist sich Angelina Jolie als erstaunliche Künstlerin, die es nicht nötig hat, dem Massengeschmack hinterher zu drehen: „By the sea" ist ein bestechend exzellent gefilmtes und gespieltes Beziehungs-Drama.

Mit einer „Göttin" rollen sie herein in die kleine Urlaubsbucht, ein DS-Cabrio bringt den amerikanischen Schriftsteller Roland (Brad Pitt) und seine depressive Frau Vanessa (Angelina Jolie) Anfang der Siebziger Jahre zu der französischen Strand-Bar und dem etwas höher gelegenen Hotelgebäude. Der Raum mit Blick aufs wird sofort ummöbliert, Roland baut seinen Schreibtisch am Fenster auf. Hier müsste sich doch die Schreibblockade überwinden lassen. Der bodenständige Wirt Michel (Niels Arestrup) ist ihm in den folgenden Tagen Gesprächs- und auch Trinkpartner. Mit dem Notizbuch im Hosenbund wird ergründet, was Liebe denn so sei, erzählt der stille Witwer Michel von seinem Verlust und Roland deutet Probleme an.

Denn Vanessa sonnt sich auf dem Balkon depressiv und negativ im eigenen Leid, leblos wie eine Mumie. Bis ein junges Paar ins Nebenzimmer zieht und ein Guckloch in der Wand Vanessa magisch anzieht. Eine frische Liebe mit gesunden Sexleben, das hatten sie auch mal. Irgendwie anrührend und stimulierend, selbst wenn sich das zynische amerikanische Paar den naiven Franzosen sehr überlegen fühlt. Man und vor allem Vanessa beginnt mit den jungen Nachbarn zu spielen ...

„By the sea" ist ein stiller Film, bei dem man viel von der Action im Kino nebenan hört. Es liegt eine erstickende Schwere in den sonnenüberfluteten Bildern. Nicht nur Premmingers „Bonjour Tristesse" wird Jolie beeinflusst haben, man fühlt sich gleich angenehmst in eine ganze Retrospektive französischer Arthouse-Filme des Sechziger- und Siebziger-Jahre versetzt. Das sieht in den Bildern von Haneke-Kameramann Christian Berger und mit schönen Ausstattungsdetails wie der roten Olivetti-Schreibmaschine Valentine nicht nur gut aus. Es stimmt auch mit der Geschichte überein.

Derart reizvoll gestaltet Jolie ihre Geschichte, dass die Auflösung der Beziehungstragik nur wenig die Spannung zu halten braucht. Kleine Details wie der Fischer, der allmorgendlich aus der Bucht rudert und abends zurückkehrt, erzählen sich als Sinnfragen selbst. „Peeping Jolie" und schließlich beide am Guckloch zum Nebenzimmer campierend ist ebenso reizvoll wie die kunstvollen Spiegel-Motive in der sehr sicheren Inszenierung.

Jolie selbst zeigt sich versteckt hinter riesigem Hut und enormer Sonnenbrille als unberührbare, verblühende Schönheit. Der Selbstmord ist wie ihre Pillen und das Meer immer nur einen Schritt weit entfernt. Leben kommt in Vanessa nur bei bösen Psychospielchen und genügend Alkohol. Vor allem Brad Pitt kann sich als großartiger Schauspieler beweisen. Diesmal trotz Schnurrbart, langen Koteletten und Goldkettchen mit den Nuancen eines unglücklich in die eigene Frau Verliebten. Wenn die noch die Autorin, Regisseurin und Produzentin Angelina Jolie ist, kann man die Anhänglichkeit durchaus verstehen.