23.11.15

Bridge of Spies

USA 2015 Regie: Steven Spielberg mit Tom Hanks, Mark Rylance , Alan Alda 142 Min. FSK: ab 12

Tom Hanks holt sich im Kalten Krieg einen Schnupfen und aus Spielberg wird Spiegelberg. Menschen und Verfassungen in allen ihren Facetten vermittels eines Spiegelkabinetts zu zeigen, ist beileibe nicht der einzige großmeisterliche Trick des Regisseurs. Trotz einigem Pathos gelingt ihm die alte Geschichte vom unscheinbaren Helden mit Mitteln des alten Hollywoods erneut.

„Hängt ihn!" Die Meinung des Mobs ist klar: Der russische Spion muss sterben. Schließlich ist kalter Krieg, Senator Joseph McCarthy schleift bei seiner Kommunisten-Hatz seit Jahren die Bürgerrechte, Ethel und Julius Rosenberg wurden 1953 wegen Spionage trotz weltweiter Proteste auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Da hat der sowjetische Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) 1957 keine Chance, bekommt aber mit dem Anwalt James Donovan (Tom Hanks) wenigstens Pro forma eine. Nach einer Weile des Unterschätzens hält er seine erste große Rede auf „das Regelwerk". Das Regelwerk, dass ihn, den irisch-stämmigen Anwalt, und sein Gegenüber, den deutschstämmigen CIA-Agenten, zu Amerikanern macht.

Tatsächlich rettet Donovan den stillen Spion vor der Hinrichtung - der Versicherungs-Anwalt vermittelt dem Richter, dass man die Rückversicherung eines Gefangenen für einen eventuellen Austausch später noch brauchen könnte. Der sehr deutliche Schnitt von den Spionage-Kameras der US-Piloten zu der Fotoausrüstung des Spions macht klar: Beide Seiten machen genau das gleiche. Trotzdem verweigert der Richter dem Angeklagten Rechte, die jeder Amerikaner haben sollte. Siehe Guantanamo.

Im zweiten Teil von „Bridge of Spies" muss Donovan selbst seinen Spion in nicht offiziellem Auftrag gegen einen abgestürzten US-Piloten austauschen. Die Verhandlungen finden während des Mauerbaus in einem erbarmungswürdigen Ost-Berlin statt und gestalten sich eher kafkaesk als dramatisch. In der chronisch ungeheizten DDR holt sich der Privat-Diplomat Donovan einen Schnupfen, während er auf Amts-Gängen sitzt, durch die Fahrräder rollen. Der neue Film von Stevens Spielberg gibt hier einen Vorgeschmack auf den im Februar folgenden neuen Film der Coens „Hail Cesar": Die Brüder haben an der letzten Fassung des Drehbuchs mitgearbeitet und man kann sie gut hinter einigen schrägen Scherzen erkennen. So etwa die Erkältung, die Tom Hanks im chronisch ungeheizten Ost-Berlin anfällt.

Doch dies ist noch Spielberg, hier werden „Republik-Flüchtlinge" an der frisch gemauerten Mauer erschossen, hier trennt der Stacheldraht eine junge Liebe, hier sollen wir vor dem naiven Umgang mit der Atombombe erschaudern. Der Gefangenen-Austausch auf der Glienicker Brücke wird der historischen Bedeutung gemäß groß aufgezogen. Dem Meister aller Klassen von Unterhaltung („Indiana Jones"), Schrecken („Der weiße Hai"), SciFi-Kitsch („E.T.") und immer mehr Bürgerrechts-Unterricht („Die Farbe Lila", „Schindlers Liste", „Lincoln") gelingen grandiose Szenen harter Schatten im Stil der schwarzen Serie. Wenn die Menschen im Zug, weil sie den Verteidiger des Feindes erkannt haben, besonders bedrohlich blicken, schaut Hitchcock vorbei. Dass nach dem Mord an der Mauer ein anderer Blick aus der Bahn in New York spielende Kinder an den Zäunen zeigt, ist sehr dick amerikanisch. Was den Genuss am geballten Können Spielbergs nur kurz trüben kann.

Tom Hanks ist wie immer übersehbar gut und verschwindet trotzdem fast völlig hinter seiner Figur. Die bescheiden auftritt, aber immerhin schon Assistent bei den Nürnberger Prozessen war und später in Verhandlungen mit Kuba tausenden Menschen die Rückkehr in die USA ermöglichte. Während „Bridge of Spies" den Kalten Krieg als fast erstrebenswert übersichtlich darstellt, bleiben die inneren Bedrohungen für unsere demokratischen Verfassungen immer gleich gefährlich. So ist dieser Spielberg mit allen Reminiszenzen hochaktuell - nicht nur wegen der Coen-Scherze.