25.9.15

Die Unvollendete

Filmpremiere des Grimme-Preisträgers Mosblech nach neun Jahren Entwicklung


Aachen / Eupen. „Die Unvollendete" - selten war ein Filmtitel passender. Grimme-Preisträger Bernd Mosblech geht mit seinem Langzeit-Projekt über das unvollendete, das ungelöste Problem von Atomenergie und -Müll erstmals an die Öffentlichkeit - in einer nach neun Jahren nun vollendeten Fassung der essayistischen Dokumentation. Dass darin die Brennkammer-Techniker der „Camerata Nucleare" Mahlers „Unvollendete" sogar in einem unvollendeten, sprich: ungenutzten Atommeiler spielen, gehört zu den vielen unglaublichen Pointen, an denen der großartige Film reich ist. „Die Unvollendete" hat am Samstag in Eupen (26.9., 20 Uhr, Schlachthof) ihre regionale Premiere, die Mosblech seinen beiden Töchtern widmet. Ein großer Film von einem großartigen Regisseur, der im Gegensatz zu anderen bewusst offen an das Thema rangeht und dem so auf Seiten der Kern-Techniker einzigartige Einsichten gewährt.



Seit Jahren filmt Bernd Mosblech komplett unabhängig, also ohne Unterstützung von Produzenten oder Sendern an diesem persönlichen Projekt. Dabei ist der Regisseur, Kameramann und Produzent eine bekannte Größe der deutschen Filmszene: Neben dem Grimme-Preis 1991 für „Alte Kameraden", der Dokumentation über den Aachener Radsportler Christian Pützfeld, der Sportdoku „Die Hölle von Flandern" (1996) hat der 1942 Geborene auch immer wieder wichtige Filme wie „Safari Rallye" (2001) in Afrika gedreht.



In seinem neuesten Werk muss nicht erst ein Atom-Physiker auf seiner Model-Eisenbahn mit Castor-Containern spielen, um den Wahnwitz der Situation klar zu machen. Der Tatsache, dass der im belgischen Lontzen lebende Regisseur Bernd Mosblech das Vertrauen von herausragenden Köpfen der Atom-Technik gewann, verdankt „Die Unvollendete" erstaunliche Einblicke.

Es geht dabei nicht um die Frage „Atomkraft ja oder nein?", es geht viel mehr um die Menschen auf beiden Seiten. Da ist der berühmte Fotograf Günter Zint, Chronist der Anti-AKW-Bewegung und immer noch kämpferisch. Da ist ein leidenschaftlicher Trompeter und Atom-Techniker, der nach Fukushima um seinen Job bangte, aber glücklich ist, wenn er für den Film in einem Atom-Meiler trompeten darf. Oder der Physiker der KFA Jülich, der keine Heizung braucht und sein persönliches Dämmsystem aus mehreren Pullovern und Decken erläutert. Die sehr gelungene assoziative Montage hat nichts mehr mit konventionellen Dokumentationen zu tun. Sie mischt Demonstrationen gegen Castor-Transporte mit Modelbahnen, diskutiert „German Angst" mit einer amerikanischen Opernsängerin, lässt Gründgens Faust zitieren und führt ein Kernkraftwerk vor, das als Papiermodell in Flammen aufgeht.



Eine unvoreingenommene Haltung hält der Film allerdings nicht lange durch, dazu sind sowohl Aussagen wie Verhaltensweisen solcher Interviewpartner zu skurril. So änderte auch die dann Katastrophe von Fukushima die Sichtweise auf die Aussagen - etwa, dass mit Küchenmessern schon mehr Menschen ums Leben gekommen seien als durch Atomkraft. Wie der interviewte Wissenschaftler bei seiner Argumentation bedrohlich mit dem Messer herumfuchtelt, macht ihn nicht vertrauenswürdiger. Hier erinnert „Die Unvollendete" tatsächlich an Mosblechs Grimm-Preis „Alte Kameraden": Die Szenen sind gleichzeitig ehrlich dran an den Menschen, komisch durch eigenes Verschulden der Porträtierten und politisch im großen Gedankengang.

Die Bedeutung von Mosblech in der Filmszene zeigte sich schon bei der Sichtung einer frühen Version im privaten Kreis, das zum Gipfeltreffen engagierter Dokumentaristen wurde: Neben Axel Engstfeld, Gewinner vom Deutschen Film- und Bayrischen Fernsehpreis, war auch Günter Zint dabei, einer von Deutschlands bekanntesten Fotografen. Aus Paris kam, quasi als Ritterschlag des internationalen Filmadels, Joselyne Lamothe, die Witwe und Erbverwalterin von Jean Rouch, der 2004 verstorbenen Legende des Ethnographischen Films. Und tatsächlich kann man „Die Unvollendete" auch als ethnographische Studie sehen. Da kann man sich in 10.000 Jahren, wenn es immer noch tödlich strahlt, anschauen, was für ein seltsamer Menschenschlag dies verantwortet hat.

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Der Vorführung schließt sich eine Debatte mit Befürwortern und Gegnern der Kernenergie an. Bisher bestätigt sind Professor Dr. Jürgen Knorr, Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik an der technischen Universität Dresden, Ex-Spiegel-Fotograf Günter Zint sowie Dipl.-Ingenieur Gerhard Hottenrott, bis zum Jahre 2012 Leiter Kernbrennstoffkreislauf bei der RWE Energie AG. Die ostbelgische Anti-Atom-Bewegung will vor dem Spielort ein Demospalier inszenieren. Der WDR sendet am Freitag ein Porträt zu Bernd Mosblech und einen Vorbericht zur Premiere.