1.2.16

Suffragette

Großbritannien 2015 Regie: Sarah Gavron mit Carey Mulligan, Helena Bonham Carter 107 Min. FSK: ab 12

„Gibt es denn heute noch Frauen-Proteste?" fragte eine junge Zuschauerin beim Sehen von „Suffragette". Grund dafür gibt es genug, auch wenn das Frauenwahlrecht, für das die Suffragetten vor hundert Jahren in Großbritannien kämpften, spät aber doch fast überall einführt wurde. Und Grund genug, noch einmal diesen wichtigen Kampf in einem bewegenden, exzellent besetzten Spielfilm nachzuvollziehen.

Maud Watts (Carey Mulligan) wurde nicht nur quasi in der Großwäscherei geboren: Ihre Mutter arbeitete schon dort unter furchtbaren Bedingungen, und für so etwas wie Schwangerschaft durften Frauen ihre Arbeit selbstverständlich nicht unterbrechen. Im Alter von sieben Jahren war Maud dann selbst Arbeiterin und bald danach wie andere Mädchen das sexuelle Opfer des Chefs.

Dies sind nur die Eckdaten eines erschütternden Berichts, den Maud im Jahr 1912 einigen Parlamentsabgeordneten in London vorträgt. Zufällig kam sie dazu, weil die eigentliche Sprecherin von ihrem Mann zusammengeschlagen wurde. Ein weiterer Grund, weshalb Frauen auch die Gesetze mitgestalten wollten, die über sie verfügen. Doch die Anhörung war nur eine Farce, einen Gesetzesantrag sollte es nicht geben. Dafür dann erneute Proteste der nicht mehr braven Frauen auf der Straße, eingeschlagene Schaufensterscheiben und kleine Anschläge, wie das Abfackeln von Briefkästen.

Die junge Ehefrau und Mutter Maud gerät eher zufällig in diese Protestbewegung der Suffragetten genannten Frauen. Eine Kollegin und eine Ärztin (Helena Bonham Carter) haben sich bereits im Kampf ausgezeichnet. Spezielle Aufmerksamkeit bekommt Maud jedoch durch den leitenden Polizisten Inspector Arthur Steed (Brendan Gleeson), der diese Bewegung brechen soll. So erlebt Maud bald die brutale Gewalt der - selbstverständlich männlichen - Polizisten am eigenen Leib, wird willkürlich verhaftet und im Gefängnis beim Hungerstreik gewaltsam und extrem schmerzhaft zwangsernährt. Heute nennt man dies Folter. Nach der Freilassung schmeißt Mauds Mann sie auf Druck der Wäscherei, bei der auch er arbeitet, aus der Wohnung. Ihren Sohn darf sie nicht mehr sehen...

Die Suffragetten sind Heldinnen eines enorm wichtigen Kampfes um Gleichberechtigung. Zwar dauerte es noch 16 Jahre bis das allgemeine und aktive Frauenwahlrecht tatsächlich eingeführt wurde. Und die Liste vom Zeitpunkt, zu dem das in anderen Ländern passierte, ist verblüffend im Ausmaß allgemeiner Rückständigkeit. Doch der als Schimpfwort gedachte Name hat mittlerweile einen guten Klang.

Sarah Gavrons Film würdigt dies mit einer fiktiven „Suffragette", zeigt man(n)igfaltiges Unrecht in einem konventionellen Polit-Film. Merksätze zum Frauenrecht reichen bis zur allgemeinen Staatsphilosophie: Wenn das Recht nicht gerecht ist, muss es geändert werden. Das ist vorhersehbar, nicht nur weil der Film historisch korrekt sein will. Es ist, vor allem weil die fast schon unterforderte Carey Mulligan („Am grünen Rand der Welt", „Der große Gatsby", „Inside Llewyn Davis") hervorragend spielt, gut anzusehen. Zu gut, wenn die Wäsche in zu strahlenden und sonnigen Straßen des Londoner Arbeiterviertels Westend hängt. So wie man das wirkliche Elend nur ahnen kann, so vermutet man eventuell weitergehende Gedanken. Klingt beim - tatsächlich so geschehenen - Opfertod einer Suffragette beim Pferde-Rennen vor der Medienöffentlichkeit um König Georg eine Diskussion um Extremismus an? Zielt die wiederholte Betonung vom Wert des aktiven Protests eine Kritik an den passiven Facebook-Demonstranten von heute an? Wohl kaum, aber der trotzdem überzeugende Film ist auch wegen seiner Thematik wichtig und sehenswert.