15.2.16

Berlinale 2016 Jeder stirbt für sich allein (Wettbewerb) / NRW-Empfang

Berlin. Das ist er dann doch: Der im Berlinale-Wettbewerb „obligatorische wohlgemeinte Nazi-Film" (OWNF). Erst staunte man, dass „Das Tagebuch der Anne Frank" im Jugendprogramm „Generation 14plus" läuft. Aber die gute, alte Europudding-Produktion „Jeder stirbt für sich allein" (GB, FR, BRD) sorgt erwartungsgemäß für verdiente Buh-Rufe nach der Pressevorführung.

Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein" wurde von Primo Levi als „das beste Buch, das je über den deutschen Widerstand geschrieben wurde", bezeichnet. Es erzählt, wie im Juni 1940 in Berlin Anna und Otto Quangel zu „Widerstands-Schreibern" werden, nachdem ihr Sohn als Soldat getötet wurde. Otto schreibt Postkarten mit Parolen gegen Hitler und legt sie überall im Stadtzentrum ab. Ein halbwegs rechtschaffener Polizist (Daniel Brühl) verfolgt sie, muss aber auf Druck der SS zu brutalen Maßnahmen greifen. Letztlich wird das Paar erwischt und erhängt.

Hans Fallada (1893–1947) schrieb den Roman im Herbst 1946 kurz vor seinem Tod und setzte damit dem realen Ehepaar Otto und Elise Hampel ein Denkmal. Die mittlerweile fünfte Verfilmung kommt nach internationalen Neuauflagen und einer neuen Begeisterung für das Buch mit internationalen Stars daher: Neben Brendan Gleeson beweist vor allem Emma Thompson in der Hauptrolle, dass man ihr alles abnimmt. Kulisse, Kostüme und Konzept hingegen nicht. In den wohlgemeinten Versuch, die Verantwortung des Einzelnen unter der Diktatur an Fallbeispielen zu differenzieren, laufen haufenweise abgegriffene Nazi-Klischees herum. Vom schmierigen Verräter über den verschwitzten, dicken Blockwart bis zu den strammen SS-Sadisten. Das ist mäßig spannende Unterhaltung mit etwas historischer Sättigungsbeilage. Alle Jahre wieder notwendige Vergangenheits-Bewältigung, die so nicht ausfallen darf. Wuchtiger, wichtiger und unerlässlich wird es in zwei Wochen der Cannes-Preisträger „Son of Saul" im Kino zeigen. Nicht dass man jetzt die Berlinale mit Cannes vergleichen könnte...

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„Jeder stirbt für sich allein" wurde im Mai 2015 für 15 Tage im Ruhrgebiet als auch in Köln und Remscheid gedreht und von der Filmstiftung NRW gefördert. Doch vom mageren Ergebnis ließ sich die Filmstiftung das Feiern nicht vermiesen und empfing auf der größten Party des Festivals Sonntag mehr als 1.000 internationale Gäste aus Film, Medien und Politik. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und die Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung, Petra Müller, freuten sich über 26 Filme bei der Berlinale 2016.