30.4.18

Eleanor & Colette

BRD, Belgien 2017 (55 Steps) Regie: Bille August mit Helena Bonham Carter, Hilary Swank 115 Min. FSK ab 12

Die wahre Geschichte von Eleanor Riese empfängt einem mit cineastischen Schlägen in die Magengrube, die den Horror einer Psychiatrie körperlich mitempfinden lässt, welche Patienten medikamentös ruhig stellt und sie dann sich selbst überlässt. Eleanor (Helena Bonham Carter) hat sich wegen paranoider Schizophrenie einweisen lassen. Doch als ihre Ärzte sie gegen Eleanors Willen ruhig spritzen, ruft die Patientin die Anwältin Colette Hughes (Hilary Swank) an. 1989 ereignete sich dieser Streit vor den höchsten Bundesgerichten der USA, der über das Schicksal von über 150.000 Patienten der Psychiatrie entschied. Wie der Film sehr oft betont!

Eleanor ist mit ihren sehr rundlich in sackigen Klamotten und mit Hüftproblemen nicht die übliche Strahle-Heldin eines solchen historischen Gerichtsfilms. Diese Frau ist eine schwer erträgliche Klientin, meckert erst einmal über die Frisur von Colette, die sie bald aus der Psychiatrie rausholen wird. Doch mehr als der Fall erfordert die Klientin enorme Geduld. Eleanor hört kaum eine Minute zu, macht dauernd unerwartete Dinge und findet, dass richtige Kleid zu kaufen, sei wichtiger als eine Vorbereitung der Gerichtsverhandlung. Das ist auch beim Zusehen anstrengend, was zeigt, wie gut Bonham Carter spielt. Sie macht eindringlich klar, wie furchtbar die Nebenwirkungen der Medikamente sind.

Wie der deutsche Titel betont, geht es weniger um ein nicht sehr spannend inszeniertes Gerichtsverfahren. „Eleanor & Colette" konzentriert sich auf Eleanor und Colette. Die gestresste Anwältin muss das Vertrauen der egozentrischen Frau gewinnen. Wird aber auch gezwungen, sich für scheinbar sinnlose Dinge Zeit zu nehmen. Sinnloses wie das gesteigerte Interesse am Mitmenschen. Das ist sehr gut gespielt und lehrreich, doch die Figuren bleiben letztlich eindimensional in Funktion einer planmäßig bewegenden Geschichte.

„Eleanor & Colette" wirkt wie ein Nebenjob für Bille August, der sowieso mit letzten Filmen wie „Nachtzug nach Lissabon" (2012) oder „Goodbye Bafana" (2007) nicht mehr die Intensität seiner Erfolge „Fräulein Smillas Gespür für Schnee" (1996), „Das Geisterhaus" (1993) und „Die besten Absichten" (1992) erreichte.