4.9.17

Eine fantastische Frau - Una Mujer Fantástica

Chile, USA, BRD, Spanien 2017 (Una Mujer Fantástica) Regie: Sebastián Lelio mit Daniela Vega, Francisco Reyes, Luis Gnecco, Aline Küppenheim 104 Min. FSK: ab 12

Ein Paar feiert ihren Geburtstag mit aufwendigem Essen, einem Party-Abend und einer leidenschaftlichen Nacht. Dann wird dem älteren Orlando schlecht, voller Angst schleppt Marina ihn ins Krankenhaus, doch er ist dort schon tot. Die junge Frau (Daniela Vega) ist am Boden zerstört, rennt aus dem Krankenhaus weg... „Eine fantastische Frau" ist ein starkes Drama um Trauer und Familien-Streit, das in der sicheren Inszenierung von Sebastián Lelio ganz für sich selbst stehen könnte. Doch den Ärger, den die Geliebte Marina mit der Familie und der Ex des Verstorbenen hat, ist ein besonderer. Denn in Marinas Ausweis steht immer noch der Name Daniel. Die Geschlechtsumwandlung des Transsexuellen ist noch nicht abgeschlossen.

Orlandos Familie will Marina von den Trauerfeierlichkeiten ausschließen. Eine Kommissarin untersucht den Fall und Marinas Körper schikanös, der Gerichtsmediziner fotografiert wie im Zoo. Ein homophober Sohn des Toten schmeißt Marina aus der Wohnung, die sie gemeinsam mit Orlando hatte und entführt den Hund des Paares. Das Treffen mit Orlandos Ex-Frau läuft zwar zivilisierter ab, doch ihre Stiche sind raffinierter. So begegnen fast alle Marina mehr oder weniger unsensibel, eher mehr. Wenn nicht gar feindlich und sogar gewaltvoll.

Der Name Orlando taucht nicht zufällig auf: Sally Potter drehte bereits vor einem Vierteljahrhundert mit „Orlando" und Tilda Swinton eine Transsexuellen-Biografie nach Virginia Woolfs Roman, an der sich nicht nur die chilenische Gesellschaft noch ranarbeitet.

Schon vor vier Jahren beeindruckte der chilenische Regisseur Sebastián Lelio mit seinem starken Frauen-Porträt „Gloria". Nun erhielt „Eine fantastische Frau" bei der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären für das beste Drehbuch und den Teddy Award. Lelios neuer Film berührt und begeistert mit unglaublich starken und eindrucksvollen Bildern, wunderbaren Spiegel-Spielereien sowie grandiosen Musikeinsätzen. Ein besonders raffinierter Moment findet in einer gemischten Sauna statt - der Ort, an dem sich Marina in beiden Geschlechtsbereichen bewegen kann. Dabei sind Handlung und Kamera ist immer ganz nah bei Marina, die Hauptdarstellerin Daniela Vega trägt die Rolle eindrucksvoll. Sie ist im wahren Leben Schauspielerin, Sängerin und selbst transsexuell. Vega war zuerst nur als Beraterin am Projekt beteiligt und wurde für den Regisseur zur einzig möglichen Marina.

Dabei erzählt „Eine fantastische Frau" keineswegs eine rührende Leidensgeschichte. Marina ist tatsächlich eine fantastische Frau, eine sensible und starke Frau mit vielen Facetten von den hedonistischen Party-Nächten bis zu den Auftritten mit klassischem Gesangsrepertoire. So ist „Eine fantastische Frau" auch ein fantastischer, begeisternden und Mut machender exzellenter Film.