22.8.17

Das ist unser Land!

Frankreich, Belgien 2017 (Chez Nous) Regie: Lucas Belvaux mit Émilie Dequenne, André Dussollier, Catherine Jacob, Guillaume Gouix 117 Min. FSK: ab 12

Ausgerechnet Émilie Dequenne, das getrieben um einen Job kämpfende Mädchen „Rosetta" der Brüder Dardenne, die Galionsfigur eines verzweifelten Prekariats spielt nun einen Pflegerin, die zur Kandidatin einer rechtsextremen „Front National"-Kopie wird. Also exakt die Gegenfigur zu Adèle Haenel, deren Ärztin sich im letzten Dardenne „Das unbekannte Mädchen" von der Karriere zur sozialen Verantwortung wendet. Es hört sich zuerst gut an, das Angebot, dass der befreundete Arzt Dr. Berthier (André Dussollier) der engagierten Krankenschwester Pauline (Émilie Dequenne) macht. Es soll sich endlich etwas verändern in der Kleinstadt im strukturschwachen Norden Frankreichs. Deshalb soll die bislang unpolitische Pauline kandidieren und die Partei-Chefin unterstützen. Die heißt zwar anders, sieht aber exakt wie Marine Le Pen mit ihrer Front National aus, äußerlich und von den rechten, fremdenfeindlichen Ideen her.

Die Werbung um Pauline erfolgt nicht mit dem Holzhammer, subtil sind die Verführungen des charmanten und charismatischen Dr. Berthier. Allerdings lässt schon die stramme Begeisterung der Statisten bei einer Parteiversammlung erschaudern. Pauline schmettert hier begeistert die Nationalhymne mit. Die Handlungen ihres alten Freundes und neuen Geliebten sind dagegen schlicht brutal. Zwar ist „Stanko" (Guillaume Gouix) von der Partei nicht mehr gelitten, aber sie haben eine gemeinsame Vergangenheit. Raffiniert werden wie die beiden Stränge gegeneinander geschnitten und zeigen zwei Seiten einer Medaille.

In Vorbereitung der Kandidatur von Pauline werden die Taktiken der Populisten ebenso durchgenommen wie die Phrasen der Rechten und der Liberalen. In ihrer Umgebung erfährt die vorher lebensfrohe Frau nun ein Kaleidoskop von Reaktionen. Der offene Rassismus scheint selbst in der bürgerlichen Bevölkerung normal zu sein, Jugendliche werden zu angsteinjagenden Hassgesichtern und verbreiten im Internet Propaganda. Paulines sterbenskranker linker Vater findet deutliche Worte „Ich werde nie der Vater einer Faschistin sein. Verschwinde und komme nie wieder!" Deren Quintessenz stellt eine Verhärtung der Fronten und ein Auseinanderfallen der Gesellschaft dar. Im Film kommt es sogar zum bewaffneten Kampf.

Dank Émilie Dequennes lebhafter Darstellung und dem wohl tarierten Drehbuch zeigt „Das ist unser Land!" eine sehr lebendige Vivisektion der Populisten. Schwarz-Weiß-Zeichnungen tauchen höchstens in der Propaganda der Rassisten auf, aber nicht im Spektrum der Meinungen.