24.7.17

Dunkirk

USA, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, BRD 2017 Regie: Christopher Nolan mit Fionn Whitehead, Tom Glynn-Carney, Tom Hardy, Kenneth Branagh, Cillian Murphy 106 Min. FSK: ab 12

Der erste erfolgreiche Brexit war eine Katastrophe. Im militärischen Denken auf jeden Fall: Deutsche Armeen schlossen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im Mai 1940 französische und britische Truppen bei Dünkirchen ein. Der stockende Vormarsch ermöglichte innerhalb einer Woche eine hektische Evakuation von über 300.000 Soldaten. Wobei nicht nur Kais zum Anlegen fehlten, es kamen auch keine Kriegsschiffe - die wurden zur Verteidigung der Insel zurückgehalten.

In diese aussichtslose Situation stürzt Christopher Nolan („Interstellar", „Inception", „The Dark Knight"-Trilogie) uns mit „Dunkirk": Ein verängstigter junger britischer Soldat stolpert als letzter Überlebender seines Trupp aus den Straßen der Stadt an den riesigen Strand, an dem viele Tausend Soldaten auf Rettung warten, während sie unter Beschuss deutscher Flugzeuge stehen. Der namenlose Soldat, der erst im Abspann Tommy genannt wird, versucht sich als Träger von Verwundeten an den eindrucksvoll endlosen Schlangen vorzumogeln. Der Film wird seine Odyssee beschreiben, dauernd auf rettende Schiffe drauf, von sinkenden runter, aus dem Wasser gefischt, nur um wieder am Strand von Dünkirchen zu landen.

Parallel wird gezeigt, wie an der englischen Küste im Rahmen der legendären „Operation Dynamo" alle Privatboote angewiesen werden, Kurs auf Dünkirchen zu nehmen. Eine Flotte von Schiffen und Schiffchen jeder Größe, vom Fischerkahn bis zur Wochenend-Schaluppe. Mit einem kleinen Freizeit-Kahn macht sich ein auch Vater mit seinem Sohn auf den Weg, nimmt zuerst einen völlig verstörten Schiffbrüchigen (Cillian Murphy) auf. Die Überfahrt wird garniert mit Luftgefechten, die wir aus der Perspektive eines britischen Spitfire-Piloten (Tom Hardy) bis zu dessen letzten Benzin-Tropfen verfolgen.

Das große erzählerisches Kunststück von Nolan, der „Dunkirk" nach seinem eigenen Drehbuch inszenierte, liegt darin, die drei Ebenen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen zu lassen: Wirkt es anfangs noch wie eine Parallelmontage, ist es auf dem Boot noch Tag und am Strand plötzlich Nacht. Während die Ereignisse in Dünkirchen im Laufe einer Woche passieren, dauert die Bootsfahrt dorthin einen Tag und die Handlung in der Luft eine Stunde. Auch schon „Memento", Nolans erstes großes Kino-Kunststück, überraschte mit zwei gegenläufigen Zeitsträngen.

Nolan blendet sowohl die militärische Führung in London unter dem Kommando von Churchill als auch die nahezu unsichtbaren deutschen Angreifer aus. Er pickt sich ein paar Einzelschicksale zu Land, zur See und in der Luft heraus, zu ihnen gibt es allerdings keine biografischen Hintergründe, keine Fotos oder Briefe von den Lieben daheim. Es sind auch keine großen Helden, nur einfache Leute, die still tun, was zu tun ist. Das geriet sehr spannend, immer wieder beklemmend, nicht nur bei den vielen Szenen mit unter Wasser gefangenen Soldaten. Auch Cillian Murphy als Gesicht der Verstörung prägt sich nachhaltig ein. Die Darstellungen des Sterbens, des Ertrinkens, Verbrennens sind zurückhaltend, die Schreie der Sterbenden dagegen eindringlich.

Doch selbst ein Kriegsfilm von Christopher Nolan bleibt ein Kriegsfilm, bleibt die Behauptung, mit Waffen könne man Konflikte lösen, bleibt eine Verharmlosung von Morden, Grauen, Gewalt. Bei aller optischer Brillanz, bei allem inszenatorischem Können Nolans und all seinen technischen Spielereien verhindert die eigentlich positive Perspektive des „einfachen Soldaten" mit seinem - bei aller Weite der guten Bilder von Hoyte van Hoytema - begrenzten Horizont, dass irgendein weitergehender Gedanke über diesen Krieg, den Einsatz von „einfachen" Soldaten und das Scheitern von Politikern auftaucht.