31.1.17

Live by Night

USA, 2016 Regie: Ben Affleck mit Ben Affleck, Brendan Gleeson, Elle Fanning, Chris Messina, Sienna Miller, Chris Cooper 129 Min. FSK: ab 16

Ben Affleck, schillernder Schauspieler und exzellenter Regisseur („Argo", „Gone Baby Gone"), legt mit „Live by Night" einen großen Gangsterthriller mit Tiefgang hin. Vor den Kulissen von Prohibition und einem Florida mit viel Rum und Rassentrennung verkörpert Affleck selbst den verwegenen Versuch, mitten im organisierten Verbrechen eine Form von Anstand zu wahren. Ein Gangsterstück mit tollen Szenen und Längen. Aber auch ein Film mit anderen starken Momenten.

Erschüttert und frustriert von den Front-Erfahrungen im Ersten Weltkrieg schlägt ausgerechnet der Sohn des Bostoner Polizeichefs (großartig: Brendan Gleeson) eine Karriere als unabhängiger Gangster ein. Joe Coughlin (Ben Affleck) sieht sich als Outlaw unter den Gesetzeslosen und hat eine leidenschaftliche Liebesaffäre ausgerechnet mit der Mätresse des irischen Bandenbosses Albert White. Ein misslungener Bankraub, der Verrat seiner Liebsten und die brutale Rache von Polizei und White bringen Joe fast um und dann in den Knast. Danach will er selbst Rache und verdingt sich bei Whites Gegner Maso Pescatore. Für den Mafia-Paten räumt er die Schmuggelwege des kubanischen Rums in Florida auf und übernimmt dort erfolgreich die Gangster-Filiale. Mit einem Casino-Bau wird für die Zeit nach der Prohibition vorgesorgt, aber ausgerechnet die ehemalige heroinsüchtige Prostituierte Loretta Figgis (Elle Fanning) torpediert als weißgewaschene Predigerin die Ausbreitungspläne von Joe.

Wie der in den Schoß des organisierten Verbrechens heimgekehrte Outlaw seinen Bandenkrieg erledigt, hat Stil. Genau wie seine weißen Anzüge. Ben Affleck sorgt sowohl als Joe Coughlin wie auch als Regisseur für Augenschmaus und Genre-Glanz. Eine altmodische Verfolgungsjagd Ende der Zwanziger Jahre, eine große Gangster-Scheißerei mit Scarface-Einlage, die nächtliche Abrechnung mit dem dummen Störenfried - all das passt, wenn auch der mit dem „Casino" herbei beschworene Vergleich zu den ganz Großen des Genres nicht standhält. Aber Affleck legt zusätzlich noch ganz andere Schwerpunkte. Nicht erst die große Liebe zur dunkelhäutigen Schwester des kubanischen Schmugglers macht seinen irischstämmigen Joe Coughlin zum Kämpfer gegen Rassismus. So räumt Joes Gang noch nebenbei mit dem Ku-Klux-Klan auf.

Ganz groß sind schließlich die persönlichen Dramen am Rande und im Herzen der Geschichte, deren Drehbuch Affleck nach dem Bestseller „In der Nacht" von Dennis Lehane schrieb. Angefangen beim ungewöhnlichen Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Gangster und Polizei-Chef. Das seltsame Vater-Tochter-Ding zwischen dem fast nicht korrumpierbaren Polizei-Chef von Tampa Figgis (Chris Cooper) und seiner gefallenen Tochter Loretta wäre einen eigenen Film wert. Dass bei den sehr aktuell wirkenden Themen ein Gangster und Killer immer noch nach dem guten Leben sucht, liefert ein Maß an Tragik, an dem sich der mit reduzierter Mimik spielende Affleck fast verhebt. Hängen bleibt die Frage seiner Filmliebe nach dem Himmel und die überraschende Antwort, wir sind schon im Himmel. Es sieht alles nur aus wie in der Hölle, weil wir es so versaut haben...