23.1.17

Jackie (2016)

Chile, USA, Frankreich, 2016 Regie: Pablo Larraín mit Natalie Portman (Jackie Kennedy), Peter Sarsgaard, Greta Gerwig, Billy Crudup , John Hurt, Richard E. Grant 100 Min. FSK: ab 12

Das Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dalles und die Trauerfeierlichkeiten in Washington sind ikonische Momente der filmischen Geschichtsschreibung. Wie Jacqueline Kennedy, also „Jackie", diese Tage zwischen persönlicher Erschütterung und Rauswurf aus dem Weißen Haus zur historischen Inszenierung nutze, imaginiert dieser ungewöhnlich packende Film von Pablo Larraín („No!", „El Club", „Neruda") anhand eines realen Interviews.

„Ich entscheide, was veröffentlicht wird!" Jacqueline Kennedy (Natalie Portman) genau weiß, was sie sagt. Da gibt es keinen Zweifel beim Journalisten Theodore H. White (Billy Crudup), immerhin Pulitzer-Preisträger. Er interviewt die Witwe wenige Tage nach dem Attentat, bei dem ihr Mann bei rasender Fahrt in ein Krankenhaus mit aufgeplatztem Schädel in ihren Armen lag. Als man Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson hastig vereidigt, sind noch Blutflecken auf dem rosa Chanel-Kostüm, das selbstverständlich auch berühmt wurde. Aber über den Hinterausgang will Jacqueline Kennedy nicht abtreten. Und während ihre beiden kleinen Kinder noch nichts vom Tod des Vaters wissen, weiß sie schon, dass der Trauerzug wie bei Abraham Lincoln verlaufen soll. Denn den kennt man noch - im Gegensatz zu James A. Garfield, einem anderen im Amt ermordeten Präsidenten.

In streng symmetrisch gesetzten Bildern und mit einem immer irritierenden Score moderner Musik nähert sich „Jackie" dem Mythos Jacqueline Kennedy an. Beim Interview mit Theodore H. White blickt die Präsidenten-Gattin zurück und erlaubt sich, die eigene Haltung zu reflektieren. Dabei vieles zu zensieren, wie das Kettenrauchen. Eine von Pablo Larraín rekonstruierte Führung durchs Weiße Haus in Schwarzweiß zeigt die Gestalterin Miss John F. Kennedy, die für diesen Film sogar einen Emmy erhielt. Und legt den Verdacht nahe, auch die exzentrischen Wünsche für einen opulenten und gefährlichen Trauerzug wären Marotte einer Luxus-Gattin. Zwar bleiben wir auf dem Gebiet von Gestaltung und Marketing, aber es geht den Kennedys und Larraín letztlich um mehr. Darum, ein politisches Erbe für die Nachwelt zu sichern. Einen Moment der Hoffnung auf eine bessere Welt und Politik, symbolisch festgehalten in dem zeitgenössischen Musical-Song „Camelot".

Natalie Portman legt nach „Black Swan" erneut eine sehr eindrucksvolle Leistung hin. Trauernd unter Tränen und die nächste Sekunde als knallharter Medienprofi - diese Jacqueline Kennedy changiert zwischen gequältem Lächeln und entschlossenem Trotz. Das Besondere an der immer auch undurchdringlich bleibenden Figur dieser Jackie ist die glaubwürdige Einheit von scheinbar Oberflächlichem, Banalen und tiefen Verwundungen, Zweifeln und Ängsten. Die beginnen beim Wissen vom Schicksal später verarmter Präsidenten-Witwen und erschüttern mit dem Schmerz über zwei früh verstorbene Babys. Während sich die formale Strenge des Films langsam auflöst, berührt die Figur Jackie schließlich auf einer dritten Ebene in dem Gespräch mit einem Priester (John Hurt) als trauernde Mutter. Um dann als Verwalterin eines politischen Erbes zu beeindrucken.

Der chilenische Regisseur Pablo Larraín zeigt wie schon in „No!" (über die Marketing-Kampagne zur Absetzung von Diktator Pinochet) formal äußerst faszinierend eine Figur zwischen äußerem Gestaltungswillen und inneren, persönlichen Überzeugungen. Das Spiel von Natalie Portman wird von ausgesucht guten Nebendarstellern unterstützt. An erster Stelle Peter Sarsgaard als geistesverwandter Schwager (und Justizminister) Bobby Kennedy. Als Drehbuchautor überrascht Noah Oppenheim, der bislang Belanglosigkeiten wie „Die Bestimmung - Allegiant" oder „Maze Runner - Die Auserwählten im Labyrinth" schrieb. Es bleibt eine große Neugierde nach einer sehr interessanten Frau und die Wehmut nach „Camelot".