26.4.16

Ein Hologramm für den König

BRD, Großbritannien, Frankreich, USA 2016 Regie: Tom Tykwer mit Tom Hanks, Alexander Black, Sarita Choudhury, Sidse Babett Knudsen 98 Min. FSK: ab 6

„You may find yourself in an other part of the world" singt David Byrne im Song „Once In A Lifetime" der Talking Heads, und der us-amerikanische Verkäufer Alan Clay (Tom Hanks) findet sich in seinem neuen, dringend benötigten Job tatsächlich im ihm sehr fremden Saudi Arabien. Eine Software für holografische Telefonkonferenzen soll dem König verkauft werden, doch das Team von Clay befindet sich in einer kafkaesken Warteschleife ohne Wlan und Klimaanlage.

Denn im Murmeltier-Modus heißt es täglich: Der König kommt heute wieder nicht. Zeit also, „Lost in Translation" und im Jetlag die kleinen Tode eines Handlungsreisenden zu erleben. Oder eine exzessive Party in der dänischen Botschaft, wo eine schöne Finanzspezialistin etwas von ihm will. So ist Alan Clay bald dauernd verkatert in einem Land, in dem Alkohol verboten ist, und bricht letztendlich zusammen, so wie vorher öfters Stühle unter ihm. Eine sehr interessante Ärztin behandelt die mysteriöse Beule an seinem Rücken mit mehr Nähe, als es die dortige Gesellschaft zulässt.

Tom Tykwer, der innovativste der internationalen deutschen Regisseure („Winterschläfer", „Lola rennt", „Heaven"), bringt die Routine des Stillstands („Same as it ever was..." heißt es bei den Talking Heads) in reizvolle Bilder und Abläufe. Immer wieder zeigt sich sein besonderes Auge für Architektur-Fotografie (Kamera: Frank Griebe), anfangs legt er im schnellen Rhythmus irre Szenen rundum Tom Hanks neuem Jedermann hin.

Man kann in diesem müden Alan Clay das Ende des US-Kapitalismus verkörpert sehen, der in einer neuen Weltordnung links und rechts überholt wird, nachdem er sich selbst und seine Produktion zuvor Billig-Ländern ausgeliefert hat. Denn Clay hat einst die Fahrrad-Produktion von Swinn nach China ausgelagert, was ihm Schuldgefühle und Spott wegen dieses klassischen Falls idiotischer Sparbemühungen mit katastrophalem Ausgang einbringt.

Man kann auch die Verlorenheit (Lost in Translation) von Clay mit den Warteschleifen von Drehbuchautoren in Hollywood vergleichen - siehe „Barton Fink". Die gleichnamige Vorlage zu „Ein Hologramm für den König" stammt vom angesagten Autor Dave Eggers. Er schrieb schon die Vorlage zu „Promised Land", dem Anti-Fracking-Film mit Matt Damon, und war auch Drehbuchautor der bemerkenswerten „Away We Go" sowie „Wo die wilden Kerle wohnen".

Während also der Sand in der Wüste gepflegt wird, wo als Traumschloss mal eine Stadt für 1,5 Millionen Menschen stehen soll, entdeckt die staunende Figur von Hanks zwischen Angst-Neurosen und Panik-Attacken auf Abwegen spannende Kultur-Unterschiede, aber auch, dass sie bloß ein feiner Schleier trennt. Das gilt besonders für die schöne Romantik zwischen Clay und seiner Ärztin Dr. Zahra Hakem (Sarita Choudhury). Nur für die wunderschöne Liebesszene unter Wasser („Into the blue again, into the silent water", Talking Heads) lohnt sich dieser Film.

Zwar gibt es Kritik an den Verhältnissen, an den irgendwie selbstverständlichen Hinrichtungen vor dem Balkon, den Arbeitssklaven all überall („Gewerkschaften haben wir hier nicht, wir haben Philippinos") und den extrem eingeschränktem Lebensmöglichkeiten für Frauen. Aber vor allem lässt sich eine überraschende Art der Völkerverständigung entdecken, sowie kleine Nischen in den rigiden Regeln des wahhabitischen Staates.

Auch Tom Hanks wirkt schließlich völlig befreit von seinen Rollen und Images. Das Ende verläuft zwar etwas zum harmonisch, als ob es einen Zwang zum Happy End gegeben hätte. Da wird Einiges ruckzuck beendet oder gar vergessen, bei dem man gerne eine runde Verabschiedung erlebt hätte. Doch insgesamt ist „Ein Hologramm für den König" ein sehr, sehr interessanter, komischer und zugleich nachdenklicher Film, der auf vielfältige Weise unbekannte Territorien und Sichtweisen zeigt.