22.6.15

Die Liebe seines Lebens

Australien, Großbritannien, Schweiz 2013 (The Railway Man) Regie: Jonathan Teplitzky mit Colin Firth, Nicole Kidman, Jeremy Irvine, Stellan Skarsgård, Hiroyuki Sanada 108 Min. FSK: ab 12

Wie eine heiße Kartoffel wurde dieser „Railway Man" (so der Originaltitel) aus dem Jahr 2013 seit Monaten auf dem Startkalender hin und her rangiert, der englische Titel noch sinnloser und verlogener als üblicherweise verhunzt. „Die Liebe seines Lebens"? Ist das Eric Lomax' (Colin Firth) zwanghafte Obsession für Zugfahrpläne und Eisenbahn-Modelle? Oder die Erinnerung an den japanischen Folterer Nagase (Hiroyuki Sanada)? Die eher nüchterne Beziehung von Eric zu Patti (Nicole Kidman) kann es kaum sein, die nimmt höchstens gefühlte fünf Minuten in diesem Film ein.

Dann wird Eric aus seinem frischen Eheglück von einem japanischen Soldaten zu einem Foltercamp abgeholt - in einem Tagtraum. Denn die japanische Gefangenschaft im 2. Weltkrieg ist 1980 schon Jahrzehnte her, aber die Traumata sind noch so lebendig, dass eine Ehe kaum möglich erscheint. Es geht um die filmisch berühmte Brücke am River Quai und all die Kilometer eigentlich unmöglicher Bahnstrecke, die unter extremsten Umständen von einer Armee aus unmenschlich behandelten Kriegsgefangenen angelegt wurde.

Eric Lomax, Funker der Armee in Asien, war schon immer ein Nerd, ein Spezialist für Zugfahrpläne. Als die britischen Truppen sich den Japanern ergeben, beginnt die übliche Geschichte von heldenhaften Kriegsgefangenen, die nie aufgeben. Lomax bastelt ein Radio für Nachrichten aus der Heimat und Hoffnung auf baldiges Kriegsende. Als er erwischt wird, zeigt der Film hymnisch, ja sogar religiös gefeiertes Heldentum und Opferbereitschaft gegenüber einem brutalen, weitgehend gesichtslosen Feind.

Eine besondere Rolle bei den Foltern mit dem von den USA weltweit „populär" gemachten Waterboarding spielt der Übersetzer Nagase (alt: Hiroyuki Sanada, jung: Tanroh Ishida). Ihn sucht der alte Lomax schließlich mit einem Racheplan auf, gedrängt von seiner Frau und dem Selbstmord eines anderen Veteranen. Am Ort der Folter in Thailand sitzen sich Nagase und Lomax nun in umgekehrten Rollen gegenüber. Dass sie „nach einer wahren Geschichte" schließlich Freunde werden müssen, lässt sehr einen sehr unbefriedigt zurück. Wie der Rest des Films auch. Da hilft selbst ein Satz wie „Manchmal muss der Hass ein Ende haben" nicht mehr.

Das Psycho-Drama um den alten Eric Lomax macht zwischen den Rückblenden mit einem jüngeren Schauspieler (Jeremy Irvine) einen eher kleinen Teil des Films aus. So wirkt der großartige Colin Firth lange unterfordert, trotz der Schwere grausamer Ereignisse, die in Oshimas „Furyo - Merry Christmas, Mr. Lawrence" mit David Bowie und Ryûichi Sakamoto wesentlich eindringlicher und in „Unbroken" kürzlich noch viel schlimmer wiederbelebt wurden. Wie viel zeitgemäßer zum Thema traumatisierter Veteranen ist da doch Susanne Biers „Brothers", denn dieser Film blendet nicht aus, dass weiterhin solche Kriegs-Monster produziert werden - für Arbeitsplätze in der Waffenindustrie unserer Länder. Dass sich alle Soldaten systeminhärent in ihren Untaten gleichen, blendet dieses Stück Patriotismus und Militarismus aus.

Nicole Kidman sieht in einer ernsten Rolle als ehemalige Krankenschwester, als "Florence Nightingale", ebenso gut aus, wie die großartig gezeichneten Landschaften. „Die Liebe seines Lebens" ist schön gefilmt und gezeichnet, aber simpel, feige und im naiven Patriotismus sogar geschmacklos.