17.3.14

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Schweden 2013 (Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann) Regie: Felix Herngren mit Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg, Mia Skäringer 114 Min.

Auch wenn dieser Hundertjährige keinen Bart hat - der Witz des Filmes zieht einen sehr langen hinter sich her. Die Bestsellerverfilmung „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" überrascht den Rezensenten, der zur Minderheit gehört, die das Buch nicht gelesen haben, mit erstaunlich simplen Scherzchen. Weise Weltbetrachtungen und anrührende Freundschaftsszenen bleiben in der Unterzahl.

Keine schlechte Idee, rechtzeitig zur furchtbaren Feier des eigenen Hundertjährigen aus dem Altersheim abzuhauen! Wieso Allan Karlsson (Robert Gustafsson) allerdings mit seinen letzten Groschen ausgerechnet in das nächste Kaff quasi ins Nichts fährt, kann nur die Simplizität dieses glücklichen Narren erklären. Mit der er durch sein ganzes erstaunliches Leben tapste, wie Rückblenden zeigen, die genau so chaotisch verlaufen wie die Handlung in der Gegenwart. Denn noch am Bahnhof bleibt Karlsson nichts anderes übrig, als den Koffer eines groben Rockers mitzunehmen. Ein Koffer voller Geld, wie der Rentner gemeinsam mit einem Schrankenwärter in Ruhestand entdeckt. Zusammen brechen sie fluchtartig auf, nicht ohne den Gauner vorher tiefzufrieren und nach Afrika zu verschicken.

Im weiteren Verlauf der Odyssee lesen die Senioren noch einen Studenten auf, der sich nie entscheiden kann, und bei einer frisch getrennten Powerfrau freundet man sich sogar mit einem befreiten Zirkuselefanten an. Derweil folgt die extrem dämlich Rockerband der Spur des Geldes und die ahnungslose Polizei einer breiten Schneise des Verbrechens. Aber keiner hat mit den Beziehungen Karlssons zum alten KGB-Netzwerk gerechnet. Denn der alte hat in seinem Leben nicht nur Unterdrückung und eine Kastration in Folge von Rassenlehren erlitten, er hat auch im spanischen Bürgerkrieg rumgebombt, Franco das Leben gerettet, Oppenheimer bei der Atombombe entscheidend geholfen und mit Stalin gesoffen. Mit größter Naivität war der tumbe Mitläufer auch als Doppel-, Trippel- und Quadrupel-Agent im Kalten Krieg aktiv.

Die Fabulierkraft von Jonas Jonassons Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" ist schon erstaunlich. Der schwedische Regisseur Felix Herngren setzt die skurrilen Erlebnisse mit flotten, komischen Rückblenden ins Bild. Das ist eine Weile unterhaltsam, doch das Anekdotische dabei ermüdet bei fast zwei Stunden Laufzeit. Mit dem in Schweden bekannten Komiker Robert Gustafsson in der Hauptrolle bleibt dieser Karlsson ohne Dach und Heimat ein stoischer Antiheld. Dieser Blick auf die Welt unterhielt auch in Woody Allens „Zelig" oder in „Forrest Gump" - allerdings mit reichlich mehr Tiefgang.

So bleibt zwischen den vielen, nur netten Scherzen Zeit genug, sich ausnahmsweise ein Hollywood-Remake herbei zu sehnen. Statt der authentisch schwedischen Verfilmung etwas im perfekten, glatten Stil von „Walter Mitty" vielleicht? Doch dann wäre vielleicht auch am Ziel der langen Reise in diesem langen Road-Movie nicht doch dieses anrührende Gefühl, in das man sich ein- und wohlfühlen kann.