25.10.11

Chronologie einer vermeintlichen Störung

20.Oktober 2011 - Pressetermin zur Ausstellung „Nie wieder Störungsfrei" im Ludwig Forum Aachen

Nie wieder störungsfrei ... wieso erinnert das an ein verzweifeltes „Nie wieder zweite Liga" eines finanziellen wie sportlich katastrophalen Provinzvereins? Wahrscheinlich weil der Verein bald in der fünften Liga jammern wird: Nie wieder zweite Liga. Und weil auch diese Ausstellung wohl völlig störungsfrei über die Bühne gehen wird. Was eine ernüchternde Erkenntnis angesichts dieser versammelten Fluxus- und anderen Aktionismen vergangener Jahrzehnte ist: Gemischte Gefühle gegenüber einer zwischen Provinzialität und ehemaligem, kurzem Kunstruhm schwankenden Sammlung von historischen Schätzchen und alten Bekannten aus dem Fundus von Ludwigs. Was allerdings sinnvoll ist, soll doch auch mit dieser Schau lokale Ausstellungsgeschichte gefeiert werden: 20 Jahre Ludwig Forum.

Aber was provoziert heute noch? Die Mittelseiten des Kulturmagazins Movie beta immer wieder mal. Wenn man Hitler und den Papst in einem Satz bringt, oder Flakhelfer und Messdiener. Oder wenn deutsche Soldaten mit einem Luftschlag 140 Afghanen umbringen? Neuer Highscore nach 1945! Oder reicht auch das nicht... Dann eine Regierung, die Steuergelder für Jahrzehnte am Parlament vorbei den Banker schenkt? Wann ist die nächste Occupy-Aktion?

Nichts davon im Ludwig Forum - der Titel lügt: Nie wieder störungsfrei. Was macht die Kunst derweil? Unverschämt viel Geld macht Gerhard Richter, von dem ein frühes Werk aufgehangen wurde, und der den aufgeblasenen Kunstmarkt selber kritisiert! „Störungsfrei" zeigt, wie die Kunst ihre Kinder frisst. Die Aufregung ist im Museum angekommen - an die Wand genagelt und in Bildschirmen eingefangen. Das macht so viel Spaß wie Sex im Film zusehen. Dabei sein wäre besser. Vielleicht doch zur nächsten Occupy ziehen und ein paar Banken enteignen ... als Kunstakt selbstverständlich, die korrumpierte Politik ist dazu nicht fähig.

Update 21.10.2011 - Inszenierte Störung, reichlich peinlich
Ohne dass der Puls auch nur einen Tick schneller ging und man sich irgendwie aufgestört fühlte, gab es am Morgen die Meldung eines Diebstahls von drei Fahnen vor dem Ludwig Forum. So angekündigt wie früher die Revoluzzer mit der gelösten Bahnsteigkarte stellte die «Redesign Aachen Fraktion» (RAF, uiuiuih!) Forderungen: «Hot Dogs für ein Euro im Foyer!, Bällebad in der Mulde!, Jeden Mittwoch Köttbullar! Zwecks Besucherumleitung hängen die Ikea-Fahren seit dieser Nacht am Ludwig-Forum.» Das roch sehr nach Designmetropole Aachen (designmetropole-aachen.de), denn wann immer was Spannendes passiert, sind die dabei. (Und es bleibt spannend, auch wenn man sich mittlerweile mit dem Kulturbetrieb angefreundet hat.)

Update 22.10.2011 - Angepasste Kunst für angepasstes Publikum
Zu Eröffnung am Freitagabend noch so ein künstlich inszenierter Aufreger: Personenkontrolle am Einlass, Metalldetektoren und dadurch lange Schlangen. Keiner murrt, dabei war auch diese Sicherheits-Beklopptheit eine Aktion der Designmetropole. (Hier werfe ich anderen keine Balken ins Auge, denn wir Filmkritiker lassen uns seit Jahren von hirnrissigen Kontrollen drangsalieren und wortwörtlich ausziehen, ohne dass Widerstand entsteht. Man verzichtet nur immer öfter auf den hochsicherheits-geschützten Hollywood-Scheiß.)

Nach Ausstellung mit und ohne Störung ist das Gesamtbild klar: Man sollte doch den emsigen und guten Leuten der Designmetropole Aachen direkt den Etat des Kulturbetriebes Aachen vermachen und das Ludwig Forum zur offenen Werkstatt umwandeln.