26.4.11

Mutter und Töchter

USA, Spanien 2009 (Mother And Child) Regie: Rodrigo García mit Naomi Watts, Annette Bening, Kerry Washington, Jimmy Smits, Samuel L. Jackson 126 Min. FSK          ab 12

Ist dies der Filmtitel oder die unverhohlene Benennung des Zielpublikums? Der Originaltitel von „Mutter und Töchter" hieße übersetzt noch „Mutter und Kind", aber der deutsche Verleiher zieht eindeutig die Karte „Frauenfilm". Und tut dem Drama um drei Frauen mit ihren Familien damit teilweise unrecht.

Wie die drei Geschichten miteinander verbunden sind, soll eine Weile lang Rätsel bleiben. In denn einzelnen Strängen ist da die extrem selbstbewusste, ja, schon eingebildete Anwältin Elizabeth (Naomi Watts). Ohne viel Umschweife startet sie ein Verhältnis mit dem älteren, dunkelhäutigen Chef Paul (Samuel L. Jackson), zu dessen Erstaunen. Den unsicheren, gerade verheirateten Nachbarn nimmt sie zwischendurch auch mit ins Bett. Als sie schwanger wird und das Verhältnis sowieso viel zu eng gerät, flieht sie in eine andere Gegend - ohne eine Spur zu hinterlassen. Wieder einmal. Karen (Annette Bening) pflegt. Beruflich als Physiotherapeutin und privat die eigenen Mutter. Zwischendurch schreibt die erschöpfte, aus lauter Einsamkeit seltsam und hart gewordene Frau Briefe an eine Tochter, die nicht mehr ihre ist, nie ihre war. Ein afro-amerikanisches Paar möchte ein Kind adoptieren, weil es selbst nicht schwanger wird. Die dabei federführende Lucy (Kerry Washington) trifft auf eine sehr fordernde, junge Schwangere, die Wohnung und Familie der möglichen Adoptiveltern sehen will und viele Bedingungen stellt. Der Kinderwunsch wird auf die Probe gestellt, die Probe entwickelt sich zu einer Reflexion des Lebens und seiner Werte.

Nach einer gründlichen Exposition kommt Bewegung in die Geschichten. Karen lernt einen geduldigen Mann kennen und macht sich auf die Suche nach ihrer Tochter. Ein Schlüssel zum Drama bildet die erste Szene von zwei Teenagern, die leidenschaftlich fummeln, und dem Mädchen, das danach bei der Entbindung gezeigt wird. Die Jugendliche darf das Kind nicht behalten, dafür Traumata und persönliche Deformationen, die aus dieser Trennung zur Adoption erwachsen.

„Mutter und Töchter" ist tatsächlich ein Frauenfilm, weil nur die Frauen reden - die Männer, aktuelle und mögliche Partner, stehen mit offenem Mund daneben. Aber das Triptychon um die Probleme der Fortpflanzung ist keine auf reinen Effekt angelegte Schmonzette. Regisseur Rodrigo García, dessen Spezialität solche Geschichten um mehrere Frauen zu sein scheint, baut einige Nebenthemen mit ein, reflektiert die Funktion von Familie, hinterfragt auch mal den Glauben. Vor allem führt er seine gute Darstellerriege energisch zu einer runden Ensemble-Leistung. So gibt es ein gerüttelt Maß an Rührung und Tragik, vor allem bei Karen, deren Mutter selbst schon nicht unbedingt ein fröhlicher Mensch ist. Sie sieht das Leben als eine Enttäuschung nach der anderen. Aus der Fähigkeit, sich zu ändern, erwächst andererseits die Hoffnung des Films.

20.4.11

Monsters DVD

Großbritannien 2010 (Monsters) Regie: Gareth Edwards mit Whitney Able, Scoot McNairy 93 Min. FSK ab 12

Capelight (Leih-DVD; Kauf  ab 20.5.) 

Am Anfang gibt es einige Nachtaufnahmen von panischen schießenden Soldaten. Riesigen Kreaturen, gegen die sich der Kampf richtet, sind nur aus der Ferne zu erahnen. Wir sind in Mexiko, südlich einer „Infizierten Zone". Dort herrschen nach dem Absturz einer Weltraum-Sonde außerirdische Lebewesen und nur brutalste Bombardements mit Sprengstoff und Gas fallen den Militärs als Gegenmaßnahmen ein.

Mittendrin versucht der nord-amerikanische Fotograf Andrew Kaulder (Scoot McNairy) die Tochter seines Herausgebers zu retten. Samantha Wynden (Whitney Able) soll auf die letzte Fähre, die durch den Golf von Mexiko um die infizierte Zone schifft. Dabei erweist sich erst einmal der Tequila in der Nacht vor der Abfahrt als größte Bedrohung. Sam und Andrew kommen nicht aufs Schiff und können sich gerade so eine illegale Passage durch die Zone erkaufen. Die ersten 30 Minuten sind eine recht entspannte Reise, bei der nur am Rande die Vernichtungen der Außerirdischen auftauchen und sich die Bedrohung lounge-mäßig anfühlt. Der Weg per Boot und Jeep durch den Dschungel wird gefährlicher, aber es dauert fast eine Stunde, bis bei einem nächtlichen Angriff alle Begleiter von Sam und Andrew von den hochhaus-großen Riesenkraken zerfetzt werden. Viel ist nicht zu sehen, die weitere Flucht gleicht einer Urwald-Wanderung bis die monumentale Grenzbefestigung der USA auftaucht. Doch die ist längst überwunden, ein Teil von Texas bereits evakuiert. Während die Flüchtlinge auf Rettung warten, kommt es zu einer Begegnung der anderen Art...

Eher unbekannte, aber sehr gute Schauspieler. Ein britischer Filmemacher, der das Buch für sein Debüt selber inszenierte, gestaltete und auch filmte. Das Erfolgsrezept für einen guten Film scheint recht einfach zu sein. Vor allem baut Gareth Edwards auf eine Spannungs-Dramaturgie weit weg vom Prinzip der zehn kleinen Afro-Amerikanerlein. Am Ende bleiben die fremden Wesen mysteriös, ebenso wie das weitere Schicksal von Sam und Andrew.

Lebanon - Tödliche Mission DVD

Israel, Libanon, Frankreich, BRD 2009 (Lebanon) Regie: Samuel Maoz mit Yoav Donat, Itay Tiran, Oshri Cohen, Zohar Strauss, Michael Moshonov 92 Min. FSK: ab 12

Universum (Leih-DVD, Kauf ab 13.05.)

Nur aus der Perspektive einer israelischen Panzer-Besatzung erzählt der israelische, deutsch und französisch produzierte Film „Lebanon" vom Höllenritt eines Angriffs auf den Libanon. Die extrem laute, durchrüttelnde und erschütternde Panzerfahrt in den Libanon-Krieg des Jahres 1982 ist ein ungemein starkes Fanal gegen Krieg oder wie auch immer Regierungen das steuerfinanzierte Morden nennen mögen. Die klaustrophobische Atmosphäre erinnert stark an Petersens „Das Boot". Regisseur Samuel Maoz, der seine eigenen Erlebnisse Jahrzehnte später verarbeitete und verfilmte, gewann in Venedig 2009 mit „Lebanon" den „Goldenen Löwe" und widmete den Preis allen, die Krieg überlebt haben und nach Hause kommen konnten. Sein Audiokommentar ist als Bonus vorhanden.

Extrem erschütternd sind die Blicke auf das Trümmerfeld der Massaker. Mitten in den zerbombten Häusern eine schreiende Frau, Geiseln im Rollstuhl. Aber längst werden keine Warnschüsse mehr abgegeben. Wer noch immer glaubt, Krieg sei ein kontrollierbarer Konflikt, möge sich diesen Film antun. Wenn Samuel Maoz den unvorstellbaren Wahnsinn mit dem poetischen Overkill eines Feldes voller Sonnenblumen kontrastiert, wird ein Gefühl nur noch stärker: Nichts wie raus hier!

Red Riding Hood

USA, Kanada 2011 (Red Riding Hood) Regie: Catherine Hardwicke mit Amanda Seyfried, Gary Oldman, Billy Burke, Julie Christie 100 Min. FSK ab 12

Valerie (Amanda Seyfried) und Peter (Shiloh Fernandez) schnitten schon als Kinder gemeinsam mordlüstern einem Kaninchen mit dem Messer die Kehle durch. 12 Jahre später sind sie immer noch verliebt, träumen von der Flucht in die Stadt, aber Valerie wurde für Geld mit dem Schmied Henry verlobt. Wir befinden uns in einem düster-pittoresken Dorf zwischen Märchenwald und Mittelalter. Gerade hat der Wolf den mit Opfern erkauften Frieden gebrochen und Valeries Schwester getötet. Die Männer wollen, warnender Rufe zum Trotz, den Wolf jagen, dies wird ein Fiasko. Da zieht auch schon Pater Solomon (Gary Oldman) mit schwarzen Rittern und metallenem Elefanten heran, um die einfältige Bevölkerung aufzuklären: Es handelt sich beim nächtlichen Mörder um einen Werwolf und jeder von ihnen könnte dieser sein.

Von nun an beginnt das Rätseln und Verdächtigen, während die Inquisition des Fremden voreilig Gefangene macht. Auch Valerie hegt unter dem roten Cape der Großmutter (Julie Christie!) einen Verdacht: Peter und der Wolf, könnten beide eins sein? Die Eifersucht der Männer facht die Situation ebenso an wie das vom Geistlichen etablierte Regime aus Angst und Folter. Schließlich soll Valerie selbst Opferlamm und Lockvogel in einem sein...

Catherine Hardwicke besorgt als Regisseurin der ersten Stephenie-Meyer-Verfilmung mit viel Erfahrung für Romantik die netten Elemente einer unmöglichen Liebe. „Red Riding Hood" erweist sich als nicht sensationelle Rotkäppchen-Variante mit etwas Schauerpotential aber auch mit holperigen Inszenierungsmomenten.

Sanctum

USA, Australien 2011 (Sanctum) Regie: Alister Grierson mit Richard Roxburgh, Ioan Gruffudd, Rhys Wakefield, Alice Parkinson 108 Min.

Ja, dieser Film ist von James Cameron ... produziert. Und: Nein, dieses Natur-Psycho-Abenteuer hat absolut nichts mit „Avatar" zu tun und reicht auch in keiner Hinsicht an ihn heran. James Cameron entdeckt gerne die Tiefen des Meeres und scheinbar auch verwinkelte unterirdische Höhlen. Eine solche ist der Spielplatz für einen Abenteuerfilm ohne jede Tiefe.

Unterhalb einer riesigen Kaverne liegen in Papua-Neuguinea unentdeckte, weitverzweigte Höhlenarme. Während zwei Besucher voller Neugier in die Welt des unterirdischen Labyrinths eintauchen, herrscht im erschöpften Entdecker-Team vor Ort angespannte Atmosphäre. Der finanzierende, extrem abenteuerlustige Milliardär Carl (Ioan Gruffudd) will Ergebnisse sehen sowie seine Freundin Victoria (Alice Parkinson) beeindrucken, doch ein bedrohlicher Sturm nähert sich. Der erfahrene Expeditionsleiter Frank (Richard Roxburgh) führt bereits Selbstgespräche, wenn er nicht auf seinen Sohn Josh (Rhys Wakefield) rumhackt, der Teil des Teams ist. Zur Begrüßung in der, wie beim Bergsteigen aufwendig errichtete Basisstation, erwartet sich ein tödlicher Unfall. Dann flutet das Unwetter das Höhlensystem und der einzige Ausweg führt nach unten ins Meer - vielleicht...

Sehr schnell fordern die Naturgewalten Opfer. Die Gruppe wird rasant kleiner, aber Vater und Sohn lernen sich in dieser Extremlage endlich wirklich kennen. Zusammen müssen sie sich gegen den hinterhältigen Milliardär verteidigen. Genau wie Expeditionsleiter Frank spielt auch das Drehbuch unangenehm auffällig Gott. Immer wieder werden Team-Mitglieder geopfert oder gnadenreich für den schnellen Tod unter Wasser gedrückt. Erschreckend viele Figuren bleiben auf der Strecke. Dass dies bei einigen nicht schmerzt, liegt am schwachen Drehbuch. Die erfahrene Everst-Bergsteigerin Victoria (Alice Parkinson) etwa, soll die Unterschiede zwischen extremer Höhe und Tiefe ganz deutlich machen. Und mit eifrigem Rumzicken unnötig Schwierigkeiten provozieren.

Obwohl in marktschreierischer und verfälschender Weise in Deutschland „James Cameron" an den Titel geklebt wird, atmet „Sanctum" längst nicht den Perfektionismus wirklicher Cameron-Filme. Nur ein Ureinwohner weckt Erinnerungen an „Avatar". Trotz der ganzen Taucherei ist auch „Abyss" sehr fern. Einige Aufnahmen sind eindrucksvoll, 3D braucht dieser Film aber nicht. Regie-Neuling Alister Grierson nutzt seine Chance nicht, auch die Schauspieler stehen üblicherweise in der zweiten Reihe. Scheinbar entstand dieses Abfallprodukt wohl auch, damit Cameron seine begeistert betriebenen Abenteuerreisen in unbekannte Tiefen von der Steuer absetzen kann.

Le Mac

Frankreich 2010 (Le Mac) Regie: Pascal Bourdiaux mit José Garcia, Gilbert Melki, Eric Defosse, Carmen Maura 92 Min. FSK ab 12

Ein cooler Prol? Gibt es so was? Ace (José Garcia) stylt sich wie Tarantinos „Jacky Brown", hat einen imposanten Waffenschrank, viele Ausweise und bringt seinem Rottweiler mit Kopfstoß bei, Platz zu machen. Ace „arbeitet" in Marseille als Zuhälter und hilft dem großen Boss Tiago (Gilbert Melki) aus. Nebenbei verrät er alles der Polizei. Als ein vermeintlicher Spitzel kurzerhand erschossen wird, verschwindet Ace. An seiner Stelle soll nun sein Zwillingsbruder Chapelle, ein hyperkorrekter Bürohengst aus Paris, den Termin eines Drogendeals in Erfahrung bringen. Nach kurzer, schlagkräftiger Einführung in das Zuhälterleben, samt großflächigem Tattoo und sehr schmerzhaftem Piercing, läuft der Biedermann zu ganz großer Form auf. Als Belohnung sieht er sogar erstmals seine Mutter (Carmen Maura), eine knallharte und kaltherzige Gaunerin.

Die mäßige Verwechslungskomödie inszeniert den Wechsel Chapelles zum Partyking allzu heftig. Der Angsthase blufft und verblüfft plötzlich alle, legt gar ein John Travolta-Imitat auf die Tanzfläche. Um das Zitat-Trio zu vervollständigen gibt es auch noch ein Reservoir Dogs-Shoot out im Finale. Das geriet alles übertrieben und höchstens albern. Einige brutale Einsätze erfordern ein gewisses Maß an Empfindungslosigkeit, das noch witzig zu finden. „Le Mac" - ein gut gespielter, aber unterentwickelter Mini-Spaß.

19.4.11

New Kids Turbo

Niederlande 2010 (New Kids Turbo) Regie: Steffen Haars, Flip van der Kuil mit Huub Smit, Tim Haars, Wesley van Gaalen 90 Min. FSK ab 16

Eine Manta, Manta-Retro aus Holland. Fünf Rudi Völler-Klone und -Clowns mit Vokuhila und Schnäuzer ... können Fußballer sich über die Spucke fortpflanzen? Doch genug der komplizierten Referenzen, die gehören nicht in die Nähe von „New Kids Turbo"! Schlimmer als „Flodder" gehen die Macher und Darsteller von fünf Proleten aus dem Brabanter Dorf Maaskantje ans Werk. Man kennt sie vielleicht als unterstes Niveau des Senders Comedy Central oder von You Tube-Clips der TV-Folgen. Das hätte auch gereicht, die künstliche Kino-Verlängerung lässt statt cooler Stunts mit dem Hollandrad nun gleich Mopeds im Hollywood-Stil explodieren.

Begleitet vom primitiven Techno fliegen fünf äußerlich sehr ähnliche, wandelnde Unterschichts-Beleidigungen aus Job und Wohnung, verprügeln einen Beamten, weil man von der Sozialhilfe doch nicht leben kann, und bekommen nun gar nichts mehr. Deren Logik - dann bezahlen wir auch gar nichts mehr - führt dank Übertragung vom lokalen TV-Sender zu landesweiten Unruhen. An diesem dürren Handlungsfaden hängen sich die groben und auf keinen Fall „political correct" seienden Gags auf. Da scheint es besonders komisch zu sein, wenn ein Mongoloider am Steuer eines Lasters auch mal in einer Schocksekunde irgendeine Figur aus dem Bild knallen darf. Das geht alles gar nicht, „jonge"! Selbst, wer über einzelne Unverschämtheiten lachen kann, wird sich bei diesem einfältigen Prekariats-Kino bald langweilen.

Four Lions

Großbritannien 2010 (Four Lions) Regie: Chris Morris mit Kayvan Novak, Nigel Lindsay, Riz Ahmed, Adeel Akhtar, Preeya Kalidas 101 Min. FSK ab 16

Pünktlich zu Ostern kommt wieder ein Skandalfilm. Diesmal werden sich allerdings vor allem die Dschihadisten und Selbstmordattentäter aufregen. Vielleicht mit einem Leserbrief bei der Bild? Irgendwo zwischen Monty Python und Heiligem Krieg ist die absurde, aberwitzige und sehr clever gemachte Geschichte von vier Idioten angesiedelt, die sich für den Krieg der Kulturen in die Luft jagen wollen und damit auch teilweise erfolgreich sind. „Four Lions" ist die seltsamste Komödie seit langem und lässt sich kritisch ebenso wenig festnageln wie ein koscherer Wackelpudding.

Terrorbomber sein, ist ganz schön schwer, das fängt beim Problem an, ein anständiges Dschihad-Video zu drehen. Die vier Löwen des Religions-Krieges posieren mit Spielzeug-MG und verhüllen das ideologische Brett vor der Stirn mit einem Karton auf dem Kopf. Bomben-Bauer Barry rät, die SIM-Cards zu essen, damit die Geheimdienste die Spur verlieren. Ohne sie vorher zu kochen! Es ist sehr absurd, wie dämlich sich diese vier Männer aus Sheffield mit pakistanischen Wurzeln bei ihren terroristischen Versuchen anstellen. Und erschreckend, dass es Fessal, dem einfältigsten von ihnen, trotzdem gelingt, eine enorme Menge Chemikalien zum Bombenbau einzukaufen. Der Senior Barry möchte damit eine Moschee in die Luft jagen, um moderate Moslems zu radikalisieren! Eine andere tolle Idee des Kurz-Denkers war, einen selbstgebackenen Twin Tower-Kuchen bei einer Synagoge abzuliefern!


Der junge Omar folgt mit seinem Neffen Waj einer Einladung zum Terror-Camp nach Pakistan, um „richtiger Mudschaheddin" zu werden. Im Wüsten-Versteck halten sie die Panzerfaust beim Abschießen einer Drohne falsch rum und jagen die arabischen Verbündeten in die Luft. Ein erster Richtungsstreit zwischen Einheimischen und Terror-Touristen ging schon darum, wo jetzt genau Mekka liegt. Nach dieser Pleite zurück in Sheffield, wollen sich die vier Selbstmord-Attentäter während eines Marathonlaufs in die Luft jagen. Letztendlich macht man es ihnen sehr leicht. Omars Kollege vom Sicherheitsdienst ist - unglaublich aber wahr - noch blöder als der Rest. Und ein hilfreicher Polizist kommentiert ihre fülligen, mit Sprengstoff angedickten Kostüme für den Fun-Run nur mit den Worten „Ihr werdet darin sterben"!


All die Idiotien des oft scheindokumentarisch aus der Hand gedrehten „Four Lions" sind so verdreht, dass sie nicht als Provokation taugen. „Four Lions" sei zynisch, so wird sicher ein Totschlagargument (sic!) lauten. Aber was ist zynisch? Selbstmord-Attentäter als Idioten zu zeigen? Sollte man sie als hochintelligente Glaubenskämpfer vorstellen? Als tragische Helden? Ko-Autor und Regisseur Chris Morris erzählte im Interview, dass man auf Überwachungsvideos der Polizei überraschend viele ebenso bescheuerte Handlungen der Attentäter entdeckte.

Zeitweise wirken die „Löwen" so, als wenn die Monty Pythons Verschwörer spielen würden. Mit einem sehr „crazy walk" watscheln die komischen Kämpfer mit Bombenmaterial bepackt durch die Straßen. Man lacht sich fast tot - oder unzynisch: schlapp. Bis sich Fessal dabei selbst in die Luft sprengt. Seine Überreste sind in einer Mülltüte nicht von dem Schaf zu trennen, dass auch den Märtyrertod erlebte.


Die koranischen Kämpfer fühlen sich wie im Computer-Spiel „Mortal Combat". Für Waj ist der Selbstmord wie eine Abkürzung an der Warteschlange eines Freizeitparks. An diesem Simpel toben sich die äußerst verbogenen Argumentationsketten, ein Hauptmerkmal der Figuren, besonders gerne aus. „Hör nicht auf deinen Kopf, hör auf dein Herz! Und wenn dein Herz zweifelt, dann macht dir dein Kopf vor, dein Herz zu sein." In diesem Sinne bleiben psychologische Erklärungen oder Kindheitstraumata für Haltungen und Handlungen in den entsprechenden Schubladen liegen. „Four Lions" ist quasi das Gegenteil von Werken wie „Paradise Now", die sich in die Seele des Wahnsinns einfühlen und die Attentäter verstehen wollen. Als Referenzpunkt könnte man den Puppen-Film „Team America: World Police" anführen. Im Vergleich mit anderen Komödien, die auch am heutigen Starttag auf das Publikum losgelassen werden, steckt eine Menge Intelligenz und filmisches Können in diesem „Blödsinn". „Four Lions" ist keine soziologischen Studie und hilft auch nicht der Verständigung, macht aber sehr unverschämten Spaß.

13.4.11

Kalter Hauch DVD

USA 1972

Regie: Michael Winner

EuroVideo

Auftragskiller Arthur Bishop, genannt der Mechaniker, erledigt seine Jobs präzise, perfekt und ohne Spuren. Bei ihm sehen Morde aus wie Unfälle. Auch der an seinem alten Freund McKenna (Keenan Wynn). Bishop ist so abgebrüht, dass er sogar McKennas Sohn Steve im Mörder-Metier ausbildet. Steve lernt schnell, während Bishop immer häufiger Fehler unterlaufen, die auch dem Boss nicht verborgen bleiben. Der gibt Bishop eine letzte Chance zur Wiedergutmachung: Ein Spezialauftrag in Italien: Der soll einen Mafioso töten...

Das klingt bekannt - „Kalter Hauch" ist das Original von „The Mechanic", der mit Jason Statham in der Hauptrolle gerade im Kino läuft. In den 70er- Jahren lief die Aktion mit Charles Bronson auf dem Poster. Der verkörperte diesen Part immer wieder so gut, dass man Bronson gerne als Geist des Bösen bei simplen und sehr gewalttätigen Rachefilmen beschwört. Die edleren Varianten wie „Spiel mir das Lied vom Tod" geraten dabei leicht in Vergessenheit. Die Regie bei „Kalter Hauch" hatte Routinier Michael Winner, in der Rolle des Ziehsohns tauchte Jan-Michael Vincent auf.

 

Zarte Parasiten DVD

 

Regie: Oliver Schwabe, Christian Becker

Lighthouse

Drama

Jakob (Robert Stadlober) und Manu (Maja Schöne) leben im Wald und nisten sich im Leben anderer Menschen ein. Er freundet sich mit einem Ehepaar ohne Sohn an. Sie pflegt eine alte Frau. Die Gründe sind egoistisch, wobei das Vorgehen faszinierend offen ist. „Ich kann euch helfen", sagt Jakob dem Paar, dessen eigener Sohn verstorben ist. Das Auftauchen des Ersatzsohns löst ein Drama aus. Endlich wird das Trauma besprochen, doch was will Jakob eigentlich? Das fragt sich auch Manu, die bei der toten Frau alleine bleibt. Ihr Gangster-Partner verhalte sich unprofessionell, würde sich zu sehr auf die Gastfamilie einlassen. Eifersüchtig taucht nun auch Manu bei den einsamen Wirten auf und behauptet, Jakobs Schwester zu sein. Die Täuschung wird immer komplizierter.

Robert Stadlober und Maja Schöne können als junges, obdachloses Paar fesseln. "Zarten Parasiten", ein junges Stück Kino von Christian Becker und Oliver Schwabe („Egoshooter") lief 2009 in Venedig.

 

Paul - Ein Alien auf der Flucht

Spanien, Frankreich, Großbritannien, USA 2011 (Paul) Regie: Greg Mottola mit Simon Pegg, Nick Frost, Kristen Wiig, Seth Rogen, Jason Bateman 104 Min. FSK ab 12

Comic-Conventions bieten sich als Start- und Endpunkt netter Geschichten an: Sigourney Weaver raste schon mit Tim Allen und Alan Rickman in „Galaxy Quest - Planlos durchs Weltall". Ben Affleck wurde in Kevin Smiths unterschätzten „Chasing Amy" vom Fanboy zum Mann. Trekkies und sonstige Fan-Gruppen stellen dabei ein dankbar seltsames Häufchen dar. Selbst in der Gattung der Nerds, fallen sie noch mit ihrer kindischen Begeisterung für Laserschwerter oder obskure Autoren deutlich auf. Wenn es denn auch noch Briten wie Graeme Willy (Simon Pegg) und Clive Gollings (Nick Frost) auf ihrer Tour zu einer amerikanischen Comic-Convention sind, dann müssen sie außerhalb dieses Reservats für Fanboys mit skeptischen Blicken rechnen. Ausgerechnet diese gut gelaunten Witzfiguren des wahren Lebens nehmen auf einer Rundreise zu berühmten Orten der Außerirdischen-Legenden einen Alien als Anhalter mit!

Paul war die Mutter und das Muster aller Aliens seit er auf den Hund gekommen ... Verzeihung: Auf die Erde gekommen und auf einem Hund gelandet ist. (Färben blöde Scherze eigentlich auf die Kritik ab?) Er schuf als Berater für Hollywood E.T. nach seinem Angesicht und den „Akte X" Fox Mulder nach seinen Ideen. Trotzdem zeigt sich Paul anfangs als außerirdische Intelligenz, die sich nicht viel intelligenter als der durchschnittliche Jugendliche oder geistig jung gebliebene Erwachsene anstellt. Alien Paul raucht Zigaretten und Joints, lässt gerne mal die Hosen runter und ist sich für einen dummen Witz nicht zu schade. Wie jeder andere in diesem Film muss auch er ein paar dämliche Schwulenscherze machen, weil Graeme und Clive zusammen reisen. Zudem ist diese seltene Mitfahrgelegenheit mitnichten ein süßlicher „E.T.": Dieser Alien holt einen verunglückten Vogel wieder zurück ins Leben - um ihn dann in einem Bissen zu verspeisen!

Damit aus dieser unheimlichen Begegnung der anderen Art mit zwei infantilen Science Fiction-Fans ein Film wird, hat das intergalaktische Trio bald einen Mann in Black und zwei depperte Agenten an der Stoßstange mit dem „Alien on Board"-Sticker kleben. Im gemächlichen Laufe der Handlung versammelt sich eine ganze Karawane von Verfolgern im Schlepptau. Mit ihr holpert „Paul" über ein paar Längen, das Ende wird unnötig dramatisch, aber insgesamt verläuft die Alien-Flucht doch unterhaltsam und kurzweilig. Der kleine Held selbst erweist sich bei allem rüden Verhalten als gutherziges Kerlchen, das seine heilenden Hände gerne für Freunde einsetzt. Was vor allem nach dem großen Auftritt der gefürchtetsten Alien-Jägerin aller Film-Zeiten nötig ist: Sigourney Weaver! Viele weitere Scherze richten sich vor allem an Fans und zufällige Kenner des Genres. Im Vergleich zu anderen Komödien-Hits, für die Simon Pegg und Nick Frost die Bücher schrieben („Run, Fat Boy, Run", „Hot Fuzz", „Shaun Of The Dead"), fiel die Gag-Dichte bei „Paul" jedoch recht dünn aus. 

12.4.11

Der Name der Leute

Frankreich 2010 (Le Nom Des Gens) Regie: Michel Leclerc mit Sara Forestier, Jacques Gamblin, Zinedine Soualem, Jacques Boudet 103 Min. FSK            ab 12

Woher anders als aus Frankreich kann diese herrlich komische und sehr gewitzte Amour fou kommen? Ein wilde Leidenschaft mit verrückter, junger Frau und seltsamen Herrn. Politisch sind Bahia Benmahmoud (Sara Forestier) und Arthur Martin (Jacques Gamblin) auf der gleichen, (ge-)rechten linken Seite. Eigentlich. Sie schläft allerdings mit Rassisten, Rechten und Faschisten, um diese zu bekehren. Er trauert der historischen Niederlage von Lionel Jospin nach. Sie ist halb algerischer Abstammung. Seine Mutter verdrängt die jüdischen Eltern und deren Tod in Auschwitz. Viel Zündstoff also eigentlich, doch „Der Name der Leute" zündet zuerst mit Witz und einer herrlich munteren Erzählweise.

Arthur Martin beginnt seine Geschichte mit der sehr komischen Vorstellung der Lebensgeschichte seiner Eltern, bei der sich der Biologe seinen Vater nur als alten Mann vorstellen kann. Dabei taucht der erwachsene Arthur auch als Kommentator in früheren Lebensphasen auf, spricht mit jüngeren Ausführungen seiner selbst und ebenso mit seinen Großeltern. Die hießen Cohen und Arthur weiß so gut wie nichts von ihnen. Arthur Martin heißt wie eine in Frankreich sehr bekannte Haushaltsmarke. Bahia Benmahmoud hat hingegen einen extrem seltenen Namen und widerspricht dem Fachmann Arthur und seiner Panikmache um Schweine- und Vogelgrippe. Das zweite Mal treffen sie sich, als Bahia den Rechten Jacques Chirac zum Präsidenten wählen musste, um ihre Stimme nicht dem noch rechteren Le Pen zu geben. Ein Drama! Sie ist eine sehr chaotische Frau mit bewegtem Leben, gutem Herzen und einfachem Wertesystem. Dabei vergisst sie vor lauter Terminen im Telefonstress schon mal, sich etwas anzuziehen, und merkt es erst in der Metro gegenüber der Frau in der Burka. Zwei spannende, vielschichtige Leben kommen da zusammen, wobei der Witz niemals zu Klamauk wird. Denn obwohl Regisseur Michel Leclerc Bahias Trauma von zwei Jahren Missbrauch durch den Klavierlehrer in pointierten Szenen nur andeutet, wird die Beschädigung ernst genommen.

So gelingt eine kluge Komödie, die dadurch nicht weniger komisch ist. Die Schwierigkeiten des ersten Essens mit den Schwiegereltern, bei denen man über gar nichts reden darf, ist eine wunderbare Umsetzung einer Gesellschaft des Verschweigens. Der vorhersehbare Streit zwischen Algerien-Kämpfer und algerischem Kriegs-Waisen entspannt sich, als eine kleine Sabotage die Kaffeemaschine lahmlegt und die Väter sich beim Reparieren unterstützen. „Der Name der Leute" erzählt so nebenbei die politische Geschichte Frankreichs und eine Geschichte der technisch überlegenen Geräte, die sich nicht durchsetzen. Das politische Äquivalent dazu war Lionel Jospin. Der sehr gelungene Spaß unterhält mit tollen Schauspielern und vielen überraschenden Schnitten. Wie den nach einem leidenschaftlichen Kuss zwischen Bahia und Arthur direkt zu einer Hochzeit - mit einem anderen. Der brauchte eine Aufenthaltsgenehmigung und eigentlich könne auch Arthur ja mal eben eine Scheinehe zur Einbürgerung durchziehen...

„Der Name der Leute", dessen Originaltitel „Le Nom Des Gens" auch auf unsere Gene anspielt, bietet einen schönen Querschnitt durch die Gesellschaft, ist im liebend leichten Verlauf ein Anti-Sarkozy und Anti-Sarrazin, dabei so klug witzig wie „Sein oder nicht sein" von Lubitsch. 

World Invasion Battle Los Angeles

World Invasion: Battle Los Angeles

USA 2011 (World Invasion: Battle Los Angeles) Regie: Jonathan Liebesman mit Aaron Eckhart, Michelle Rodriguez, Ramon Rodriguez 116 Min.

Die Stadt der Engel, der Traumfabrik und der karriereträumenden Kellner liegt nach einem Angriff Außerirdischer als brennendes Kriegsgebiet darnieder, das von der US-Armee plattgebombt werden soll. Ein Trupp von Soldaten hat drei Stunden, um die letzten Zivilisten aus dem Stadtteil Santa Monica zu retten. Weshalb ausgerechnet L.A.? Einige Religiöse, viele amerikanische Landeier und ebenso europäische Filmkünstler betrachten die Stadt auch schon mal als Hort des Bösen und nicht als letzte Bastion der Menschheit. Doch solche Gedanken sind angesichts der Baller-Simplizität des aufgeblasenen Filmchens noch unvorstellbarer als Alien-Angreifer. Deswegen sei nun Los Angeles das Fort Alamo der USA und man darf munter die beliebten Kulissen vieler anderer L.A.-Filme in die Luft jagen.

15 Minuten Aufwärm-Training gibt es für das mäßig bekannte und geforderte Personal bevor ein Meteoriten-Hagel zum echten Weltkrieg, zum „War of the Worlds" wird. Dann brechen Panik und Durchhalte-Reden aus, massig Militär-Material füllt die Bilder. Wackelnde Kameras und hektischer Schnitt machen sich übermäßig breit, als wenn mit stärkster Feuerkraft die Erinnerung an den genialen, weil zurückhaltenden Alien Attack-Film „Monsters" ausgetrieben werden soll. Es gibt minimale Spannung bis zur ersten Begegnung in Nahaufnahme mit den metallischen und schwer bewaffneten Riesenameisen aus dem All. Danach sind die Gegner unspektakulär menschenähnlich. Die politische Analyse erkennt Kolonialismus, die veterinäre Untersuchung findet ein Herz als Ziel der Kugeln. Der Rest ist ermüdendes Geballer und Gerenne, zu dem man nur noch schweigen kann. Selbst die Vernichtung eines Mutterschiffes gerät so einfallslos, dass „Independence Day" dagegen wie ein intellektuelles Feuerwerk wirkt. Wer darauf steht, Jungens in Khaki durch die Gegend rennen zu sehen, kann hier Ersatz für seinen, nun von der konservativen Regierung verweigerten Kriegsdienst finden.

11.4.11

Ohne Limit

USA 2011 (Limitless) Regie: Neil Burger mit Bradley Cooper, Abbie Cornish, Robert De Niro, Anna Friel 105 Min.

Ein Film über Drogen, die Intelligenz steigern, sollte nicht allzu dumm ausfallen. Das fängt schon beim Titel an: „Ohne Limit". Was soll das auf Deutsch heißen: Unbegrenzt haltbar? Stimmt schon mal nicht, denn die Halbwertszeit dieses ebenso dämlichen wie ärgerlichen Möchtegern-Thrillers liegt unter seiner Laufzeit.

Eine Schreibblockade hält Eddie Morra (Bradley Cooper) davon ab, seine Wohnung aufzuräumen und sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Die Freundin hält ihn nicht mehr aus - auch finanziell. Gut, dass gerade ein Ex-Schwager vorbeikommt und ihm eine Wunderpille anbietet. Die Droge NZT 45 lässt Eddie das ganze Vermögen seines Gehirns nutzen, er erinnert sich an Sachen, von denen er nicht wusste, dass er sie weiß. Nebenbei hilft der frische Überflieger seiner Vermieterin bei ihrer Juraarbeit und landet ganz schnell bei ihr im Bett. Der „loser" wird zum Gewinner von Herzen und Frauenzuneigung. Allerdings hat der Prototyp der Pharmaforschung noch ein paar Fehler, unangenehme Nebenwirkungen, die dazu führen, dass sich der ach so hyperintelligente Eddie ziemlich dämlich verhält, als er seinen Ex-Schwager gemeuchelt in dessen Appartement findet. Schon steckt er mittendrin in einer kriminellen und gefährlichen Geschichte. Weil das vielleicht an Blödheit nicht reicht, leiht Eddie sich bei einem auf fünf Häuserblocks unsympathischen Russen eine Menge Geld. Dieser sadistische Killer entdeckt irgendwann auch die Wirkung des nun von vielen begehrten Mittels: Wie aus dem dumpfen Totmacher ganz ganz langsam ein cleverer Gangster werden will, gehört zu den wenigen gewitzten Momenten des höchstens unfreiwillig komischen Films.

Der Rest ist ziemlich vorhersehbar. Mit ein paar abgegriffenen Rezeptoren-Animationen wird die ebenso altmodische Idee vom ganz schnellen Geld an der Börse illustriert. Eddie scheffelt als Broker Millionen, kann Frauen auf Italienisch anmachen und bekommt ein Treffen mit dem großen Boss Van Loon (DeNiro). Zwischendurch irritieren ein mysteriöser Verfolger und immer häufigere Aussetzer. Ein Neu-Kluger kommt mit seinem Leben im Schnelldurchgang nicht mehr mit.

Trotz vieler Trickaufnahmen, Zeitraffer und Farbverfremdungen wirkt der Stil des Drogenfilmchen ebenso wenig reizvoll wie sein Hauptdarsteller Bradley Cooper. Ganz seltene Geistesblitze wie die Verachtung eines älteren Bankers, der sich sein Wissen und Können noch selbst verdient hat, werden von der holperigen Handlung links liegengelassen. Ein besonderer Hohn ist das Ende: Die Intelligenz aus der Apotheke setzt sich durch und ist mit massig Gel im Haar auf dem direkten Weg ins Präsidentenamt. Das wird den Absatz von Ritalin unter Studenten steigern, da man ja jetzt nicht mehr lernen muss. Als Gegengift sei Darren Aronofskys „Requiem for a Dream" empfohlen, eine schwer erträgliche Abwärtsspirale aller Drogenhoffnungen. Vor Gebrauch des Films „Ohne Limit" ist hingegen dringend abzuraten! Fragen sie vorher ihren Filmkritiker oder ihren Apotheker. Nebenwirkungen sind plötzliche Müdigkeit, heftiges Kopfschütteln und gequältes Stöhnen. 

Der Dieb des Lichts

Kirgisien, BRD, Niederlande, Frankreich 2010 (Svet-Ake) Regie: Aktan Arym Kubat mit Aktan Arym Kubat, Taalaikan Abazova, Askat Sulaimanov 80 Min.

Ein Robin Hood der Stromversorgung: Von den Armen geliebt, lässt er in deren Wohnungen die Zähler rückwärts laufen und bringt so Licht in Haushalte, die es sich nicht leisten können. Damit erzürnt „Herr Licht" (selbst in der Hauptrolle: Aktan Arym Kubat) - so die Übersetzung des Originaltitels „Svet-Ake" - das staatliche Energie-Unternehmen und wird auch schon mal festgenommen, was ihn aber in seinem menschenfreundlichen Tun nicht stoppen kann. Der nette Familienvater bringt mit seiner sonnigen Art auch Licht in die Herzen seiner Mitmenschen. Er ist Visionär und Don Quixote: Hinter seinem Haus steht ein selbst gebautes Windrad, das zwar bei guter Laune gerade mal eine Glühbirne flackern lässt, doch richtige Windräder im kargen Tal des Dorfes könnten das bescheidene Leben der vom ruhelosen Wind geplagten Menschen nachhaltig verändern. Solche Pläne werden vom alten Bürgermeister und dem Rat des Dorfes belächelt, doch immerhin stimmen diese Traditionalisten auch nicht gleich dem Landverkauf an den reichen russischen Kandidaten und Spekulanten zu, der mit seinem protzigen SUV das dürre Vieh aufscheucht. Mit viel Geld und Pferdestärken ist dieser für den Stimmenkauf unterwegs, weiß aber auch die Reitertradition des Steppenvolkes - bei einer ruppigen Art des Polos mit Schwein statt Ball - zu ehren.

Mit dieser großen Politik hat der gutmütige Herr Licht eigentlich nichts am Hut - das ist eine Sache der Herren mit den hohen Hüten, die den Rat des Dorfes auszeichnen. Der Elektriker möchte vor allem endlich auch mal einen Sohn zeugen und nimmt deshalb gelegentliche Stromschläge freudig hin: Sie würden die weiblichen Hormone austreiben. Doch viel Zeit bleibt dem hilfsbereiten Nachbarn nicht für eigene Sorgen, schon gilt es wieder den erfolgreichen Jockey auszunüchtern, der an der Enge des Dorfes verzweifelt.

Aktan Arym Kubat, der exzellente und vielfach ausgezeichnete Filmemacher aus Kirgisien, dessen Name auch als Aktan Abdykalykov wiedergegeben wird, beschäftigt sich nach seiner biografischen Trilogie aus „Maimil" (2001, internationaler Titel: „The Chimp"), „Beshkempir - Der fremde Sohn" (1998) und „Sel'kincek" (1993, „Swing") nun mit den ökonomischen Verhältnissen des Landes - in seiner speziellen poetische Art und Weise. Es geht im Hintergrund um die Macht über die Energieversorgung, um absurde Situationen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in den vereinzelten, ehemaligen Sowjetrepubliken herrschten. Das kann man mit etwas angelesenem Wissen aus den Bildern herauslesen. Doch ganz einfach fühlbar ist der konstant wehende Wind und man möchte glatt selbst mit anfassen, um aus dem peinigenden Naturzustand einen Quell des Wohlstandes zu machen. Wozu diese Energie dann genutzt werden soll ist, eine heikle Frage. Die Widmung des Films wünscht den Enkeln Zufriedenheit und Glück - nicht Reichtum. Die kirgisisch-deutsche Koproduktion „Der Dieb des Lichts" ist bestes Weltkino, eine bittere Parabel voller poetischer Bilder von Aktan Arym Kubat, der mit „Beshkempir" 1998 einen Silbernen Leoparden in Locarno gewann.


6.4.11

Wir sind die Nacht DVD

Regie: Dennis Gansel mit Karoline Herfurth (Lena), Nina Hoss, Jennifer Ulrich 100 Min. FSK ab 16

Blut geleckt? Wer noch immer  unstillbaren Durst nach Vampirfilmen verspürt, wird jetzt matriarchalen und berlinerischen Variante gefüttert, denn Vampir-Männer sind ausgestorben, „sie waren zu laut, zu gierig und zu dumm": Ein flottes Vampirtrio aus kühler Chefin Louise (Nina Hoss), melancholischer Leserin und modisch verrückter DJane jettet nach Paris. Der Klamotten wegen und für die Häppchen im Flieger - die anderen Fluggäste werden nämlich in den Hals gebissen und ausgesaugt. Auf diese Clique trifft die Berliner Diebin Lena (Karoline Herfurth) in einem einen Club auf die Louise (Nina Hoss). Louise verliebt sich in Lena und macht sie zum Vampir. Zwischen Faszination und Abscheu erlebt sie die Welt der blutigen Beißer, wobei ihre Gefühle für den Polizisten Tom (Max Riemelt) für noch mehr Verwirrung sorgen.

Nach seinem eigenen Drehbuch inszenierte Dennis Gansel („Die Welle", „Napola") diese Berliner Vampirgeschichte mit exzellenter Besetzung in den beiden Hauptrollen. Die Hoss gibt ihrer Figur etwas Besonderes - wenn schon nicht dämonisch, dann wenigstens herrisch - aber nicht unbedingt, das was man in diesem Genre erwartet. Digitale Bilder lassen das Ganze dreckig echt, aber auch zu viel höherem Styling-Budget von „Blade" oder „Twilight" etwas dünn erscheinen.

 

The Mechanic

USA 2011 (The Mechanic) Regie: Simon West mit Jason Statham, Ben Foster, Donald Sutherland 93 Min. FSK ab 18

Dieses „Leon" für Kerle ist das Remake des Charles Bronson-Rachefilmchens „Kalter Hauch" von Michael Winner aus dem Jahre 1972. In dem recht mechanischen Action-Vehikel gerät der erfolgreiche Auftragsmörder Arthur Bishop (Jason Statham) in einen Konflikt, als er seinen väterlichen Freund Harry McKenna (Donald Sutherland) umbringen soll. Er macht es trotzdem - Auftrag ist Auftrag. Und nimmt sich voller Reue dessen schwierigen Sohnes Steve (Ben Foster) an. Der wird nun auch zum Killer ausgebildet und begleitet seinen Mentor Arthur beim Morden. Aber irgendwann wird der Jäger zum Gejagten - welch Überraschung!

Also Rache, weniger kalt serviert als cool gestylt von Regisseur Simon West („Con Air", „Lara Croft"). Jason Statham fährt weiter seine Action-Schiene, Ben Foster passt gut in die Rolle des orientierungslosen Killer-Lehrlings. Der besondere Clou des zwiespältigen Verhältnisses von Arthur zu seinem Gehilfen, dessen Vater er ermordete, kommt zwischen vielen Kugelhageln und Explosionen nicht zur Geltung. Ein paar besonders brutale Morde machten „The Mechanic" ungeeignet für Jugendliche. Zudem transportiert diese „Transporter"-Variation einen extrem beschränkten Satz an Werten. Loyalität zum Auftraggeber der Morde ist wichtig, Freundschaft nicht ganz so sehr. Dafür kümmert man sich um den Sohn des eigenen Opfers - bis der aus gutem Grund wütend wird. Danach zählt nur noch die eigene Perfektion beim Killen. Und das scheint cool so. 

5.4.11

Womb

 

BRD, Ungarn, Frankreich 2010 (Womb) Regie: Benedek Fliegauf mit Eva Green, Matt Smith, Lesley Manville, Peter Wight 107 Min.

 

Der Ungar Benedek Fliegauf drehte 2007 mit „Tejút" fast ein Kunstvideo. Jetzt verlegt er sich auf die Kunst des Erzählens mit Bildern und legt direkt ein Meisterwerk des emotionalen Erzählkinos hin: „Womb"!

 

Die sommersprossigen Rebecca und Tommy lernen sich in einem kleinen Küstenort kennen, sinnlich herausgeleuchtet in warmen Bildern von Haut, Haus und Strand. Die Kinder verstehen sich ohne Worte. Doch dann muss Rebecca nach Japan ziehen. Ihre Liebe könnte sich fortsetzten, als Rebecca (Eva Green) nach 12 Jahren zurückkehrt. Aber ein tragisches Unglück reißt Tommy (Matt Smith) aus dem Leben. Rebecca zögert nicht lange, einen Klon ihrer großen Liebe zu gebären und aufzuziehen. Tommys Eltern sind zwar Atheisten und leiden sehr unter ihrem Verlust, doch diese Wiedergeburt können sie nicht akzeptieren. Die Reaktion der Mitmenschen auf „unnatürliche" Kinder treibt das ungewöhnliche Paar in ein einsames Strandhaus, weiter hinaus in die Isolation. Tommy wächst erneut zum jungen Mann heran, doch irgendwann taucht seine Großmutter auf und Rebecca muss Fragen beantworten.

 

Fliegaufs großes gestalterisches Vermögen macht aus der atemberaubenden Geschichte von „Womb" (dt. der Schoß) ein bewegendes Meisterwerk, das seine ethische Problematik ganz nebenbei transportiert. Eindringliche Bilder erzählen, gerade die entscheidenden Sätze werden gerne ausgelassen. Stattdessen blendet der Regisseur immer wieder atmosphärische Stillleben ein. Nur ein Satz wird wieder und wieder wiederholt: Die Schlüsselfrage „Wer bist du?"

 

Eine große „Bigger than life"-Liebesgeschichte, die sich von allen Konventionen löst und mit Hilfe von Science-Fiction ein Tabu spannend austestet. Die ausufernde Mutter-Sohn-Bindung buchstabiert Ödipus mit den Elementen der DNA völlig neu. Vor allem Eva Green füllt die exzellent stilisierte Geschichte mit dem Herz einer Liebenden und einer Mutter. Ein nicht klonbares Kino-Erlebnis.

The Fighter (2010)

 USA 2010 (The Fighter) Regie: David O. Russell mit Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, Melissa Leo 115 Min.

Der Boxer Micky Ward verdankt seinen Ruhm in „einschlägigen" Kreisen drei Kämpfen gegen Arturo Gatti in den Jahren 2002 und 2003. Die Faustkämpfer haben sich besonders heftig und ausdauernd die Birnen zu Brei geschlagen. Wer jetzt sagt, das sei ja interessant, wird vielleicht etwas in diesem biographischen Ward-Film finden. Wer fragt „ja und?", wird trotz einer klaren, schlüssigen Machart in diesem Boxer-Familien-Porträt des interessanten Regisseurs David O. Russell („I heart Huckabees", 2004) wenig Ausdauer aufbringen können.

Micky Ward (Mark Wahlberg) ist in der ärmlichen Umgebung von Lowell, Massachusetts nur der kleine Halb-Bruder der Box-Legende Dicky Eklund (Christian Bale). Der ist zwar mittlerweile vor allem Crack-Champion, lebt aber immer noch von einem einmaligen Erfolg gegen Sugar Ray Leonard. Erst als der ehrliche, etwas schüchterne Micky sich mit Hilfe der Kellnerin Charlene Fleming (Amy Adams) von seiner unübersichtlichen und höchst peinlichen Familie lossagt, bekommt er die Chance auf einen Weltmeister-Fight. Das führt allerdings zu lächerlichen Zickenkriegen von Charlene gegen Ex-Managerin und Mutter Alice sowie deren sieben ebenso blondierten wie debilen Töchtern. Sie betrachten Micky als Familieneigentum und leben ganz gut von dessen Gagen - er wird dafür von nicht regelgerechten Gegnern zusammengeschlagen.

„The Fighter" bemüht sich, authentisch zu sein - so wurden möglichst die Originalschauplätze in Lowell verwendet. Und Mark Wahlberg tanzt die echten Kämpfe fast identisch nach. Trotzdem ist selbst „Rocky" ein ganzes Stück interessanter. Im Bemühen „echt" zu sein, geriet auch der Stil altmodisch und behäbig. So ist David O. Russells („Three Kings" 1999, „Flirting with Disaster" 1996) Ring-Film weit von der filmischen Schlagkraft eines Martin Scorseses in „Wie ein wilder Stier" entfernt. Und wenn „The Fighter" mal irgendwie wirkt, dann nur in den geradezu satirischen Szenen von Mickys unglaublicher Riesenfamilie.

Darren Aronofsky sollte eigentlich die Regie von „The Fighter" führen. Dessen Rourke-Abgesang „The Wrestler" zeigt, was möglich gewesen wäre. Jetzt dominieren überzogene Darstellungen, die auch noch zwei Oscars einheimsten: Beste Nebendarstellerin für Melissa Leo („Willkommen bei den Rileys") als hysterische Mutter und Bester Nebendarsteller für Christian Bale und seine Rolle als nerviger großer Bruder, der tatsächlich eine tragische (Haupt-) Figur hätte sein können. Wie die Kämpfe von Ward, der sich sieben Runden lang verprügeln ließ, um dann mit nur einer Kombination den Gegner ko zu schlagen, verlangt „The Fighter" über fast zwei Stunden viel Stehvermögen. Eine schlagkräftige Szene gelingt nur im wahrsten Sinne der Worte und Fäuste.

Am Ende sitzen die Brüder auf der Couch vor einer Kamera - das hat etwas von Dick und Doof. Wenn dann während des Abspanns die beiden echten Wards sich bei den „Hollywood-Leuten" bedanken, spürt man auch hier, dass ihr einfaches Leben einfach kein Stoff für einen Film ist.

MADE IN EUROPE feiert Film mit Charakter und Gästen

Maastricht. 40 Filme in fünf Tagen, Premieren, internationale Filmprominenz und Filmparty - diese Festivalvergnügen läuft nicht in Cannes, Venedig oder Berlin, sondern vor der Haustür in Maastricht. Das „6. Made in Europe Film Festival" (5.-10- April 2011) startet am kommenden Dienstag im Maastrichter Pathe mit dem limburgischen Drama „Rundskop". Die Geschichte um Freundschaft und Verrat vor dem Hintergrund der flämischen Hormonmafia wurde im benachbarten Sint-Truiden aufgenommen.

Der Film von Michael R. Roskam ist also eine regionale Aufzucht, allerdings mit internationaler Festivalgeschichte: „Rundskop" lief im Februar auf der Berlinale. Regisseur, Hauptdarsteller Matthias Schoenaerts sowie weitere Team-Mitglieder sind bei der Premiere dabei. Ab Mittwoch, dem 6. April laufen alle Maastrichter Filme in den sechs Sälen des vertrauten Festivalkinos Lumière. Das Programm will mit eigenwilligen Filmen ein Bild des aktuellen Europa zeigen. Die Sektion „Made in Europe" präsentiert ganz frische Festival-Entdeckung vom Lumière-Chef David Deprez und seinem Team, „Festival Previews" hingegen Filme, die bei uns bereits oder bald im Arthouse-Kino laufen.

Den Charakter des sehr erfolgreichen und von Maastricht - auch mit Blick auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2018 - verwöhnten „Made in Europe" bestimmten schon immer außergewöhnliche und mutige Werke. In der Sektion „Hors Catégorie" laufen besonders eigenwillige Filme wie das poetische „Little Baby Jesus Of Flandr" des jungen Belgiers Gust Van Den Berghe. Die Geschichte von drei Bettlern, die als Sternsinger durch eine Breughel-Landschaft ziehen, wurde größtenteils von geistig behinderten Laien gespielt. In Cannes verglich die Kritik den Film mit Béla Tarr und Pasolini. Der schwedische „Sound Of Noise" wird als Percussions-Guerilla-Komödie angekündigt. Der Trailer auf der reichhaltigen Festival-Website zeigt eine vielversprechende Percussion-Perforation (sic!) im OP-Saal. Angekündigt wurde das Festival-Event durch eine sehr originelle Werbekampagne, bei der ein stolzer Festivalpudel auf bunten Karten freche Filmsprüche verbreitet.

Star des Festivals wird die französische Schauspielerin Hafsia Herzi sein, die auch zwei eigene Regiearbeiten präsentiert. Mit ihrer denkwürdigen Dauer-Bauchtanz-Szene aus „Couscous mit Fisch" von Abdellatif Kechiche spielte sich die 1987 geborene Herzi ins Rampenlicht. Sie erhält „für ihre Verdienste um die europäische (Film-) Kultur" den mit 6000 Euro datierten „Made in Europe Film Award", der noch 2009 als Lambertz-Euregio-Filmpreis in Aachen verliehen wurde. Die Preisverleihung findet am 6. April während der Festivaleröffnung für Genk im neuen Kulturzentrum „C-Mine" statt.

Das Herz von „Made in Europe" schlägt jedoch mit über 100 Vorstellungen in Maastricht. Als Satelliten sind in der nächsten Woche Genk , das Heerlen, das Roermond und das Sittard dabei. Festivalmacher David Deprez meldet, dass auch das Ludwig Forum wieder zu den Teilnehmern gehört. Die Filme stehen allerdings noch nicht fest und sollen erst im Rahmenprogramm zum Karlspreis 2011 laufen.

Das komplette Programm des „Made in Europe Film Festivals" ist auf  www.madeineurope.nu zu finden. Dort auch Hinweise auf die jeweiligen Sprachversion und eine spezielle Auswahl von Filmen in Englisch. Der Vorverkauf beginnt am Sonntag um 12 Uhr im Maastrichter Lumière.

4.4.11

Willkommen bei den Rileys

USA 2009 (Welcome To The Rileys) Regie: Jake Scott mit Gandolfini, Kristen Stewart, Melissa Leo 110 Min.

Wie in American Beauty ist auch bei den Rileys die Garage Ort für Trauer und Sublimation: Doug Riley („Soprano" James Galdofini) muss dort rauchen und weinen. Seine Frau Loïs (Melissa Leo) bekommt dies mit, zieht sich jedoch zurück. Eher ängstlich als rücksichtsvoll. Irgendwann wird Doug schreien: „Ich bin noch nicht tot!", denn die Riley leben nach dem Unfalltod ihrer Tochter vor acht Jahren wie im Mausoleum. Loïs verdrängt das tragische Geschehen, aber verlässt das Haus nicht. Als Dougs jüngere Geliebte ganz plötzlich an einer Herzattacke stirbt, bricht noch mehr in ihm zusammen. Bei einem Messebesuch in New Orleans trifft der einfache Geschäftsmann, der eher unfreiwillig in einer Strip-Bar landet, dort auf die ziemlich ordinäre Mallory (Kristen Stewart, „Twilight"). Irgendwas klickt bei ihm, nicht ganz ohne Widerstand quartiert er sich in Mallorys versiffter Bruchbude ein, repartiert, macht sauber und hängt sich voll rein, um das gefallene Mädchen wieder auf die rechte Bahn zu bringen.

Diese Rettungsaktion eines kleinen prolligen Mädchens ist eine verrückte Geschichte. Mallory und andere vermuten einen irgendwie perversen Hintergrund. Doch der kräftige und massige Doug Riley erweist sich nicht nur handwerklich als ganzer Kerl. Während er der Ersatz-Tochter etwas Erziehung im Schnelldurchgang angedeihen lässt, versucht seine Frau trotz heftiger Angstattacken zu ihm zu kommen. Jahrelang traute sie sich nicht mal zum Briefkasten. Obwohl die Tochter bei einem Autounfall starb, fährt Loïs schließlich selbst die gewaltige Strecke nach New Orleans. Was nicht ohne komische Momente bleibt.

Wie so oft im Leben passiert etwas, während eigentlich etwas anderes geschieht: Die Ripleys kümmern sich vermeintlich um eine hilflose junge Frau, doch diese gute Tat dient nebenbei der Bewältigung des eigenen Traumas. So kümmert sich das Ehepaar um die Geschlechtskrankheiten des leichten Mädchens und dieses sagt den Alten irgendwann, dass sie mal miteinander reden sollten...

Regisseur Jake Scott („Plunkett & Mclean") ist der Sohn von Ridley Scott und der Neffe von Tony Scott – beide haben den Independent-Film mitproduziert. Da könnte man misstrauisch werden. Braucht man aber nicht: Scott Jr. gelingt die Gratwanderung der Geschichte. Er sorgt für Glaubwürdigkeit und vermeidet zu viel Kitsch. Die kuriose Situation sorgt immer wieder für komische Momente, in denen James Gandolfini ebenso glänzt wie in den gefühlvolleren. Der ehemalige Soprano-Boss erweist sich wieder einmal als großartiger Schauspieler, der solch einen Charakter-Part und auch so einen ernsthaften Film komplett tragen kann. Kristen Stewart zeigt, dass sie mehr kann, als neben Vampiren blass auszusehen. „Willkommen bei den Rileys" ist ein Beispiel für eine gute Geschichte, die ohne überzogenes Drama leicht unterhalten kann, dabei nicht auf Inhalt und Tiefe verzichtet.