30.6.10

Für immer Shrek 3D


USA 2010 (Shrek Forever After) Regie: Mike Mitchell 93 Min

„Shrek lässt nach“ hieß es schon einmal, als der Leinwand-Erfolg des grünen Ogers in den Teilen 2 und 3 verflachte. Noch ein Wiederholung des schrecklich schwächelnden Oger-Spaßes wäre schon zum grün und blau ärgern. Dieser „Shrek 4“ entfernt sich zwar vom Erfolgsrezept, doch auch das tut ihm gar nicht gut. Die einst gelungene Mischung aus frischen Figuren und peppigen Medien-Parodien ist nur noch blaß-grün oder vielleicht gar angeschimmelt.

Nach Prinzessinnen- und Königreichs-Rettung ist es nun soweit: Der Oger Shrek lebt mit seiner Fiona und den drei Kinder glücklich und zufrieden im Sumpf bis dass der Tod ... Moment: In einer Art Groundhog Day-Horror läuft für Shrek der Rest des Lebens tatsächlich in dieser Routine ab. Das schafft selbst den stärksten Oger. Shrek, der vom Schrecken der Umgebung zur Touristen-Attraktion verkommen ist, fühlt sich brav, zahm und zahnlos. Selbst sein berüchtigter Brüller wird nicht mehr ernst genommen. So hat das Rumpelstilzchen leichtes Spiel, dem grünen Grobian für einen einzigen Tag alter Oger-Gloria einen anderen Tag seines Lebens abzuluchsen. Da dies aber Shreks Geburtstag war, ändert sich nach dem Zeitreisen-Prinzip alles in dem Märchenland „Weit Weit Weg“: Im Schloss herrscht Rumpelstilzchen mit seinen Hexen, Fiona ist unter dem Grund, also im Untergrund, und kann sich vor allem nicht an Shrek erinnern. Der hat nur einen Tag, um seine Liebe und seinen Routine-Alltag wieder zu gewinnen.

Die ganze Geschichte ist lahme Shrek-Schluß-Pistole und hätte eigentlich schon nur auf DVD herauskommen sollen. Denn dies soll endgültig sein letzter Kinoauftritt sein - so uninspiriert ist Shrek auf direktem Wege zur eigenen Zeichentrick-Serie bei der jedes Kind alles versteht. Einst war es sein märchenhafter Zaubertrick, einen bunten Spaß für die Kleinen und eine ganze Menge Querverweise, Seitenhiebe und doppelte Medien-Referenzen für die Erwachsenen zu bieten. Nun ist es simpler Familienkitsch vom Fließband, wie schon bei „Ice Age“ schadet der filmische Nachwuchs dem Spaß. Nun geriet alles sehr menschlich, sogar romantisch, aber nicht mehr besonders komisch.

Selbstverständlich wird sich am Ende alles nur als ein böser Traum erweisen und der einstige Grobian muss Sätze ablassen, die er früher tief im Morast hätte vermodern lassen: „Weil ich erst wusste, was ich hatte, als ich es nicht mehr hatte.“ So folgt dem Action-Finale ungebrochene Romantik - wo früher alles auf den Kopf gestellt und durch den Wolf und die sieben Geißlein gedreht wurde, ist nun der gestiefelte Kater fett, der dumme Esel dumm und nicht mehr Shreks Freund. Das muss an Originellem reichen.

Als neuer Star von „Shrek“ erweist sich nicht das immer präsente und bei Hexenritten durch tiefe Schluchten und hohe Brücken wirkungsvolle 3D. Nein, der Filmtitel sollte besser: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich eigentlich Rumpelstilzchen heiß“ lauten. Der kleine, neurotische Giftzwerg, der Amadeus der hinterhältigen Verträge ist ein Knaller unter all seinen Perücken für die verschiedenen Gemütszustände und Amtshandlungen. Ausnahmsweise macht auch die Synchronisation mit der Stimme von Bernhard Hoëcker großen Spaß. Also liebe Hollywood-Feiglinge: Packt den Shrek weg und lasst mal wieder das Rumpelstilzchen in euch raus.

29.6.10

Wendy & Lucy DVD

Wendy & Lucy

Regie: Kelly Reichardt

Al!ve AG

Hunde und Kinder sind Erfolgsgaranten im Film, doch „Wendy & Lucy“, das herzergreifende Drama um die kindliche, junge Frau Wendy und ihren Hund Lucy, war abseits von Hollywood-Formeln einer der besten Independent-Filme des letzten Jahres: Auf der Durchreise nach Alaska strandet Wendy (Michelle Williams) mit ihrem Hund Lucy in einem kleinen Kaff in Oregon. Immer knapp bei Kasse, wird sie beim Stehlen von Hundfutter erwischt. Während sie bei der Polizei ist, verschwindet Lucy.

Regisseurin Kelly Reichardt („Old Joy“) basiert ihren Film auf eigenen Erfahrungen und klagt die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich an. Doch dieser amerikanische Neorealismus wird erfrischend einfach erzählt. Mit großem Mitgefühl verfolgt man nicht die Suche des Fahrrades („Fahrraddiebe“), sondern des „besten Freundes“.
In der Hauptrolle beeindruckt der kommende Superstar Michelle Williams mit nuanciertem Spiel. Ihr ängstlicher Blick ist hilflos der Gesellschaft ausgeliefert. Wobei der herzlose Mechaniker ebenso bedrohlich wirkt, wie die Lebensbeichte eines verstörten Obdachlosen im Dunkeln neben lauten Schienen. Das kleine Drama mit der großen Wirkung lässt sich Zeit für Begegnungen mit Menschen und verdient die gleiche Aufmerksamkeit.

Als Bonus-Material gibt es ein kurzes Interview mit Kelly Reichardt sowie zwei Kurzgeschichten von Jon Raymond, der die Vorlage zum Film schrieb.

Der Andere


USA, GB 2008 (The Other Man) Regie: Richard Eyre mit Liam Neeson, Laura Linney, Antonio Banderas, Romola Garai 88 Min. FSK ab 12

„Ich mag deine Schuhe, nur nicht die Menschen, die sie tragen...“ Wenn der Ehemann Peter (Liam Neeson) dies seiner Frau Lisa (Laura Linney) sagt, kann die Verbindung noch gut sein? Doch - Peter und Lisa leben harmonisch miteinander. Die Frage der Modedesignerin, ob er sich vorstellen könne, ein ganzes Leben lang zusammen zu sein, irritiert ihn nicht sonderlich. Ebenso wenig das Nachhaken, ob er nicht mal mit einer anderen ins Bett wolle. „Dann ist ja alles in Ordnung,“ beschließt er das Gespräch, bevor es spannend wird.

Einige Zeit später ist Lisa nicht mehr da. Peter schmeißt ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung und findet auf ihrem PowerBook Hinweise einer Affäre. Leidenschaftliche Aufnahmen vom Comer See und eine Männerstimme auf dem Handy. Sehr entschlossen zwingt der Firmenchef Peter eine Angestellte, die Identität des Mail-Schreibers herauszufinden: „Ich möchte ihn töten.“

Die Eifersucht treibt Peter mit einer Waffe nach Mailand, dort lauert er dem Anderen (Antonio Banderas) auf. Es kommt zu einem Duell zweier Schachspieler, zweier älterer Männer. Der scheinbare Gegensatz zwischen dem ruhigen Briten Peter und dem reiselustigen Latin-Lover mit dem albern ausgesprochenen Namen Ralph („räf“) baut sich während einer indische Verteidigung auf. „Die Ehe ist die Hölle - ich ziehe Hotels und den Himmel vor.“ Der verrückte Romantiker stellt sich mit solchen Sätzen, die nur Fassade sind, mehr und mehr als Schwätzer bloß. Ein Idiot in Gucci-Slippern, den man umso mehr hassen muss, wen sich seine Liebe mit so einem debilen Kretin abgibt. „Was ist schlimmer:  Dass die Person, die man liebt, jemand anderes ist, wenn sie mit dem anderem zusammen ist, oder dass sie die gleiche ist?“ Solche bitteren Gedanken schmerzen mehr als die (eingebildeten?) Rückblenden auf ein mehrere Jahre dauerndes Doppelleben.

Mit „Der Andere“ verfilmte Regisseur Richard Eyre („Tagebuch eines Skandals“, „Iris“) eine Kurzgeschichte von Bernhard Schlink („Der Vorleser“) aus dem Erzählband „Liebesfluchten“. Liam Neeson gibt den eifersüchtigen Ehemann eindrucksvoll - die Synchronisation nimmt ihm allerdings eine Menge seiner Präsenz. Banderas glänzt - nicht nur mit der Pomade im Haar, die den Look eines schmierigen spanischen Blenders vervollständigt. Doch nur das Gegeneinander unterschiedlicher Männer wäre ein ermüdendes Klischee. „Der Andere“ gibt Peter Zeit, sich aus der Wut zu befreien und in der Trauer sowohl milde zu werden, als auch ein besseres Verhältnis zu seiner Tochter zu entwickeln. Selbst der alberne Ralph erhält eine liebenswerte tragische Note: „Ich mache die Dinge sehr viel schöner als sie sind. Verlierer sind gut darin.“ Am Ende, nach einem schönen und friedlichen Abschied, überzeugt die wesentlich entspanntere Miene Peters/Neesons - ein Effekt, den selbst die Synchronisation nicht kaputt bekommt.

28.6.10

The Private Lives Of Pippa Lee


USA 2008 (The Private Lives of Pippa Lee) Regie: Rebecca Miller mit Robin Wright Penn, Alan Arkin, Blake Lively, Maria Bello, Keanu Reeves, Julianne Moore  93 Min.

In der besonders hochkarätig besetzten Selbstfindungs-Geschichte einer fünfzigjährigen Ehefrau und Mutter beeindruckt Robin Wright Penn als zwischen Vergangenheit und Zukunft verlorene Pippa Lee. Der Künstlerin und Regisseurin Rebecca Miller - Tochter von Arthur Miller - zeigt in ihrem vierten Film eine stimmige Entwicklung mit leisen Tönen.

Die Tischrede lobt die gutaussehende, elegant gekleidete Fünfzigerin als perfekte Gattin, Hausfrau und Muse. Kaum zu übersehen ist, dass sich Pippa Lee (Robin Wright Penn) in dieser Rolle überhaupt nicht wohl fühlt. Als Gattin eines gleich um dreißig Jahre älteren, erfolgreichen Verlegers (Alan Arkin) wird sie als anpassungsfähiges Rätsel bezeichnet - und hasst es! Vor allem nach dem Umzug aus der Metropole New York in ein Rentnerdorf der Provinz schleichen sich mehr und mehr Irritationen in das Leben von Pippa Lee.

So verliert sich Pippa Lee tagträumend in Erinnerungen: An ihre Kindheit mit der Speed-abhängigen Mutter (Maria Bello), die ihren Alltag wie in einem Werbespot lebte. Damals lernte das Kind alles Nötige zur Karriere einer sorgenden Frau. Für die Mutter, die Männer, die Kinder, die Nachbarin. Eine Flucht führt den Teenager Pippa (Blake Lively) zu ihrer lesbischen Tante Trish, deren Freundin (eine wieder sagenhaft präsente Julianne Moore) sie schon nach ein paar Tagen in Lesbenpornos einsetzt. Danach eine wilde Zeit mit Drogen und zu viel bedeutungslosem Sex, aus der Pippa, deren vornehmliche Qualität nach eigener Aussage zuvor „Versagerin“ war, vom viel älteren Verleger Herb gerettet wird.

Bevor Pippa Sarkissian zu Pippa Lee wird, tritt ihre Vorgängerin Gigi (Monica Bellucci) mit einem äußerst dramatischen Selbstmord ab. Vor lauter Schuld beschließt die haltlose junge Frau, von nun an eine gute Frau zu werden. Sie bedient ihren Mann, findet sich in die Rolle, von der sie anfangs gar nicht weiß, wie sie funktioniert. Über die Jahre gerät sie allerdings zu einer Farce, wenn Herb Pippa wie einen Hund zu sich ruft.

Die leicht skurrile, witzige und doch sehr warmherzige Emanzipation der Vorzeigefrau Pippa Lee zum selbständigen Menschen begeistert auf den ersten Blick mit ungewöhnlich vielen exzellenten Schauspielern. Vor allem Robin Wright Penn, durchaus mit starken Rollen vertraut, zeigt vom ersten Moment an eine schillernde Verlorenheit. Je mehr man sich auf die ebenso so scharf wie spöttisch beobachteten Feinheiten des Buches von Regisseurin Rebecca Miller (nach ihrem eigenen Roman) einlässt, desto mehr gewinnt der Film. Die vielfältig talentierte Künstlerin, Tochter des 2005 verstorbenen Arthur Miller, zeigt sich bei ihrer vierten Regie-Arbeit nicht nur in der Figurenzeichnung des vielfältigen Beziehungsgeflechts als sehr sicher, sie verbindet auch die Ebenen des Films mit sehr eleganten Überblendungen.

22.6.10

Easy Virtue


Großbritannien, Kanada 2008 (Easy Virtue) Regie: Stephan Elliott mit Jessica Biel, Ben Barnes, Kristin Scott Thomas, Colin Firth 97 Min. FSK ab 6

Eine amerikanische Rennfahrerin in den Roaring Twenties, den Wilden Zwanzigern, rennt sich an der verstaubten Familie ihres britischen Mannes den hübschen und klugen Kopf ein. Nach einer Bühnen-Vorlage des schillernden Autors und Schauspielers Noel Coward (1899 - 1973) inszenierte Stephan Elliott („Priscilla, Queen of the Desert“) mit tollem Cast und großartiger Ausstattung eine bissige Komödie mit überraschendem emotionalen Tiefgang.

Die blonde und höchst attraktive Amerikanerin Larita (Jessica Biel) liebt große Auftritte. Beim Grand Prix in Monaco, den sie gewinnt, dann aber als Frau disqualifiziert wird. Oder wenn sie mit ihrem Rennwagen bei der Familie des frischgebackenen britischen Ehemannes John Whittaker (Ben Barnes) vorfährt. Nur leider lautet eines der Gesetze der schlecht gelaunten, gestressten Familiendiktatorin Mrs. Whittaker (Kristin Scott Thomas) auf dem riesigen, langsam verfallenden Schloss: „Nicht auffallen! Sich unsichtbar machen!“

Nun versucht die sympathische Larita, sich an die seltsamen Gepflogenheiten der Landeier anzupassen, doch das geht nicht erst beim Can Can ohne Unterwäsche auf der Kriegswitwen-Benefiz schief, der alte Herren zu Tränen rührt. Auf die unerlässliche Frage, ob sie die Jagd liebe, kontert Larita: „Die auf wehrlose Tiere oder nach Glück und Vollkommenheit?“ Generell bescheinigt die junge Frau aus Detroit Pferden eine schlechte Lenkung sowie ein unzuverlässiges Bremssystem. Und mischt auf dieser Grundlage die Fuchsjagd grandios auf. In der erstickende Atmosphäre des rückständigen Landlebens, ist die junge Ehe trotzdem schnell bedroht. Gatte John singt nette Liedchen, verhält sich aber nicht solidarisch. Nur sein Vater (Colin Firth - ein Genuss) steht Larita mit galligen Kommentaren zur Seite. Hinter seiner ruhigen, sarkastischen Art steckt die bittere Geschichte eines Offiziers, dessen komplette Mannschaft im „Großen Krieg“ innerhalb von wenigen Minuten massakriert wurde. Seine Frau holte ihn aus einer Opiumhöhle zurück, seitdem gibt es eine Lüge mehr in dieser Familie.

Das pralle Kino-Vergnügen vom Priscilla-Regisseur Stephan Elliott unterhält scheinbar ganz einfach leicht und trotzdem mit anrührendem Tiefgang. Der Humor reicht vom guten, alten Slapstick, wenn der versehentlich platt-gesessene Schoßhund heimlich verbuddelt wird, bis zu feingeistigen Bemerkungen, scharf wie bei Oscar Wilde. Das historische Dekor verbindet sich mit auf alt gestimmten Songs wie Rose Royces „Car Wash“ oder Tom Jones’ „Sex Bomb“ Larita erkennt die Bitterkeit der Mrs. Whittaker als deren Frust, nie die Welt gesehen zu haben. Von der nicht nur blonden, sondern auch klugen Frau kommen auch die Einsichten darüber, was und wen man so in Beziehungen sucht. Und was dabei kaputt gegen kann. Im großen Finale tanzt eine Ausgestoßene ihren Tango alleine. Doch „Easy Virtue“ wird doch noch ein großer Liebesfilm, ein schöner Aus- und Aufbruch.

16.6.10

When in Rome


USA 2010 (When in Rome) Regie: Mark Steven Johnson mit Kristen Bell (Beth), Josh Duhamel (Nick), Anjelica Huston 90 Min.    

Eine Workaholic und Ungläubige der Kirche der Romantik fischt besoffen in Rom fünf Münzen aus einem Brunnen. Sofort sind fünf Männer aus New York hemmungslos in sie verliebt. Ein hartes Pflaster für Nick (Josh Duhamel), den einen unter ihnen, der ernsthaft und schon einige Minuten länger in die junge blonde Beth (Kristen Bell) verliebt ist. Die alte (romantische) Idee von "Drei Münzen im Brunnen" aus dem Jahre 1954 wurde hier nicht aufpoliert, sondern erleidet die allgemeine Inflation des Humors. Diese filmische Fehlprägung namens „When in Rome“ legt programmatisch mit dem falschen Brunnen in Rom los: War der Trevi ausgebucht? Oder hat die römische Filmkommission vorher das Drehbuch gelesen?

Denn schon die Tatsache, dass alle fünf Männer, die Münzen in den römischen Brunnen warfen, am nächsten Tag in New York landen, ist eine Armutserklärung des Drehbuchs. Dass es nur Witzfiguren sind, ist eine bewusste Entscheidung. Der Taschendieb beherrscht ebenso nur einen Scherz wie der italienische Straßenmaler oder das dämliche Male Model. Danny DeVito darf als Fleischproduzent solche klassischen Sätze ablassen wie „Diese Bratwurst sagt Hallo zu dir!“ Damit wird selbst das kleinste Aufkeimen von Magie durch grobe Albernheiten geplättet. Da ist der Salat zwischen den Zähnen beim Wiedersehen mit dem Ex schon ein poetischer Holzhammer unter all den schlappen Schenkelklopfern. Quietschende Scharniere des holperigen Verlaufs dieser Möchtegern-Komödie sind dumme Missverständnisse, grob und ungelenk hergeleitet.

Den Filmemachern scheint man Komödie mit „American Pie“ eingetrichtert zu haben. Dazu passen infantile Figuren, die unglaubwürdig Beruf und Beziehung spielen. Angefangen bei Beth, dem dummen Blondchen, die Kuratorin in New Yorker Guggenheim sein soll. Sie versucht, während einer lauten Hochzeitsfeier mitten in der Menge und im Gebäude zu telefonieren. Derartig verstrahlte Intelligenz könnte nicht mal einen Kindergeburtstag organisieren. Mit einem unglaublichen Tollpatsch wie Nick in ein völlig dunkles Fühl-Restaurant zu gehen, könnte guten Slapstick liefern. Doch der Film muss dann noch vier andere Typen mit Nachtsichtgeräten auffahren.

Aufwand und Inhalt stehen bei „When in Rome“ in einem krassen Verhältnis zueinander: So gibt es teure Bilder (NY) und Postkarten (Rom) für einen Witz von Geschichte, der mit der absurden Ernsthaftigkeit von einem Millionen Dollar-Einsatz nicht mal ansatzweise lustig ist. Bei der unglaublich blassen Hauptdarstellerin wirkt es extrem erstaunlich, dass echte Schauspieler wie Angelica Huston oder Danny DeVito mitmachen.

Und dann nach allen Gründen, sich den Eintritt für diesen Film für irgendeinen Glück- oder Liebesbrunnen aufzubewahren, passiert diesem komödiantischen Nichts eine historische Szene: Die Pokermünze, welche die Guggenheim-Wendel herunter rollt, zeigt sich als die originellste Hommage an die Architektur des Museums seit Tom Tykwers Shotout in „The International“. Aber das gibt es als Minuten-Clips sicher bald auf YouTube - mehr lohnt sich am Film wirklich nicht.

La Nana - Die Perle


Chile, Mexiko 2009 (La Nana) Regie: Sebastián Silva mit Catalina Saavedra, Claudia Celedón, Alejandro Goic, Andrea García-Huidobro 115 Min.

Dass sich viele Filme aus Lateinamerika um Dienstboten und Hausangestellte drehen wie in Carlos Reygadas Meisterwerk „Batalla en el cielo“ hat nicht nur den Hintergrund, dass dort in vielen Ländern noch zahllose Dienstverhältnisse dieser Art gibt. Die scherzhafte Bemerkung eines Kritikers, dass viele Regisseure in solchen Verhältnissen aufgewachsen sind, trifft auf den chilenischen Regisseur Sebastián Silva zu. So enthält der vielfach ausgezeichnete und exzellent gespielte „La Nana“ auch die Wehmut des Bedienten, einmal nicht mehr von dieser sozialen Ungleichheit profitieren zu können.

Es ist Raquels (Catalina Saavedra) Geburtstag und ein große Peinlichkeit: Die 41-jährige Hausangestellte hat ihr halbes Leben bei „ihrer“ Familie verbracht. Jetzt gibt es einen Kuchen und Geschenke, aber schon die Frage, ob Raquel den Kuchen in der Küche oder im Esszimmer verspeisen darf, ist problematisch. Die gut meinende Hausherrin meint, „das Mädchen“ solle sich an den Tisch setzen und mal nicht die Teller abräumen. „Dann muss ich es doch nachher machen“, lautet die pragmatische Antwort.

Seit 23 Jahren kümmert Raquel sich um die Wohlhabenden, zog ihre Kinder groß und stopft den Kleinsten noch immer heimlich Süßes in die Schultaschen. Sie hat sich „ihrer“ Familie völlig verschrieben, mit der eigenen Mutter gibt es nur kurze Telefongespräche. Das Hausmädchen ist dabei zu einer alten Jungfer geworden, und sehr eigenwillig dazu. Erfolgreich verscheucht sie andere Hausangestellte. Ihr Gesicht zeigt dabei kaum Regungen. Auch ist es nicht besonders raffiniert, wie Raquel immer wieder die Konkurrentinnen aussperrt und dann den Staubsauger anwirft, um deren Klopfen angeblich nicht zu hören. Manchmal wirkt sie auch debil, einfältig. Geradezu manisch wischt sie das Angestelltenbad, wenn mal wieder eine andere darin war und lässt einen auch ansonsten befürchten, dass hier etwas in Sachen Psycho abgeht.

Aber irgendwann lassen sich die Schwächeanfälle nicht mehr verheimlichen. Raquel braucht Bettruhe und die lebenslustige Lucy (Mariana Loyola) übernimmt nicht nur ihren Job. Die junge Frau achtet auf sich selbst und zeigt, im Gegensatz zum Hausherrn, der sich selbstverständlich mehr um sein Modelbau-Schiff als um seine Angestellten sorgt, wahre Anteilnahme für Raquel. Die üblichen Anfeindungen lacht sie hinweg, kümmert sich wie eine Mutter um die verbitterte Nana und ihre seelische Öde. Bald taucht Freude in Raquels Gesicht auf. Sie feiert Weihnachten mit Lucy, auch wenn sie dafür schweren Herzens ihre (Arbeitgeber-) Familie verlassen muss. Der Zusammenbruch ist auch ein Aufbruch - ein kleiner wenigstens.

Die lange Reihe von Auszeichnungen beweist es: „La Nana“ ist der Film von Catalina Saavedra, der Darstellerin der Raquel. Ihr Gesicht, das von lebloser Abgestumpftheit am Rande der Bösartigkeit langsam auftaut, trägt einen Großteil der Dramaturgie und der Faszination dieses Films. Irgendwann vergisst man darüber auch die digital dünne Aufnahmen. Dass „La Nana“ kein Stück Klassenkampf ist, verdankt man dem Regisseur, der die letzte, schöne Szene einer ganz kleinen Freiheit für Raquel nur mit Bedauern eingefügt hat, weil er dabei die gleiche Wehmut empfand, wie früher, als das Hausmädchen seinen freien Tag hatte.

15.6.10

Five Minutes of Heaven


Großbritannien, Irland 2009 (Five Minutes Of Heaven) Regie: Oliver Hirschbiegel mit Liam Neeson, James Nesbitt, Anamaria Marinca 89 Min.

Nach dem missglückten Science Fiction-Remake „Invasion“ mit Nicole Kidman und Daniel (James Bond) Craig trumpft Oliver Hirschbiegel („Das Experiment“) mit einem hoch spannenden Nord Irland-Drama auf. Ein Mord im Jahre 1975, mitten im Bürgerkrieg, bindet zwei Männer aneinander, die sich erst Jahrzehnte später wiedersehen werden. Während Kinder auf den Straßen Bürgerkrieg spielen, macht sich der Teenager Alistair Little vor dem Spiegel für den Abend fertig. Pickel sind ein Problem für ihn, aber vor allem muss er die Waffe, die unter seiner Spielzeugkiste versteckt war, in seiner Kleidung unterbringen. Dann zieht er mit gleichaltrigen protestantischen Freunden los, um für die Ulster Volunteer Force (UVF) einen jungen katholischen Arbeiter zu erschießen. Stummer Zeuge dabei ein elfjähriges Kind: Joe, der kleine Bruder des Opfers. Nur einen langen Moment lang blickt er dem maskierten Mörder in die Augen.

Eine reißerische TV-Sendung will Jahre später die erwachsenen Alistair Little (Liam Neeson) und Joe Griffen (James Nesbitt) zusammenbringen. Schon die Anreise macht unterschiedliche Typen deutlich: Joe bekam durch die Tat ein Trauma für den Rest des Lebens verpasst. Die Mutter warf dem Jungen vor, nichts getan zu haben. Nach dem Mord am Bruder raffte das Leid fast die ganze Familie hin. Joe ist jetzt ein unkontrolliertes Wrack, das von seinen Erinnerungen überwältigt wird.

Alistair hingegen wirkt extrem ruhig, kann alle Details und Folgen solcher Taten exakt schildern und abstrahieren. Er predigt Versöhnung, leitet Selbsthilfegruppen, kann aber tatsächlich sich selbst nicht helfen. Das Treffen ist eine heikle Situation. Die Fernsehfritzen kümmern sich nur oberflächlich um das Opfer. Joe scheint am wenigsten am Konzept von „Truth and Reconciliation“ („Wahrheit und Aussöhnung“) interessiert zu sein. Das Messer in seiner Tasche macht klar, dass es ihm um Rache geht. Doch bis er den Mann trifft, der sein Leben zerstört hat, spielt er krampfhaft gute Laune vor. Nur Vika (Anamaria Marinca), die einfache russische Hilfskraft, fühlt mit und erkennt: Es ist gut, dass sich die zwei gebrochenen Männer treffen werden. Die Begegnung scheitert zwar, aber die Kontrahenten haben dabei die Adresse ihres Gegenpols erfahren...

Sehr spannend spielt Regisseur Oliver Hirschbiegel diese hochdramatische Situation aus. Von Anfang an sind Hass und Gewalt packend und erschreckend. Die Charakterisierung der Personen gelingt auf den Punkt, wie Alistair/Neeson kurz vor der Ankunft seine Sonnenbrille aufsetzt, erzählt mehr als andere Filme in drei Teilen. Nebenbei werden noch die TV-Macher demontiert und die inszenierten Gefühlen solcher Formate vorgeführt. Es ist eindrucksvoll, was Hirschbiegel inszenatorisch drauf hat, was ihm gelingt, wenn er sich nicht mit unsäglichen Stoffen wie dem „Untergang“ abgibt. Auf der Basis des teilweise authentischen Materials von Autor Guy Hibbert führt er die menschlichen Trümmerfelder ideologischer Gewalt vor und unterhält in knappen 80 Minuten vortrefflich. Ein Segen, dass dieser Film in Originalversion mit Untertiteln gezeigt wird. So lässt sich vor allem die Schauspielkunst von Liam Neeson in seiner Gesamtheit genießen. Für den Konflikt kann keine Lösung geben. Am Ende entspricht ihr Äußeres jedoch den Wracks, die sie innerlich sind. Und Joe, der nie über all das geredet hat, was ihn verfolgt, sitzt in einer Selbsthilfegruppe.

9.6.10

Cindy liebt mich nicht


BRD 2010 (Cindy liebt mich nicht) Regie: Hannah Schweier mit Clemens Schick, Peter Weiss, Anne Schäfer 92 Min. FSK o.A.

„Jules & Jim“ war ein unglaublich schöner Film über zwei Männer und eine Frau. Zahllose andere Beispiele sollten diese Zeilen füllen, und irgendwann sollte man erwähnen, dass „Cindy liebt mich nicht“ auf keinen Fall in diese Reihe gehört. Der Form nach lieben zwei Männer eine Frau. David (Peter Weiss) sagt von sich: „Ich klage an“, berufsmäßig als Referendar bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim. Eine Karikatur, so steril und leblos, dass er gut Data aus Enterprise spielen könnte. Große hilflose Augen kennzeichnen den Depp, der immer hilft und „Kein Problem“ als zweiten Vornamen mit sich herum trägt.

Dem Anzugträger wird die Lederjacke entgegen gesetzt: Der coole Viertage-Bärtler Franz (Clemens Schick) mit seinen Bindungsängsten kellnert in der Bar „Cindy liebt mich nicht“. Und beide vermissen seit ein paar Wochen Maria (Anne Schäfer), die Freundin von David und die Irgendwie-auch-Freundin von Franz. So geht es im ganz alten Schrägheck-Passat des Chaoten auf ins deutsche Dorf Philadelphia, wo Marias Eltern wohnen. Da Franz und David auf der Fahrt schweigen, ist viel Zeit für Rückblenden zu den jeweiligen ersten Begegnungen mit Maria. Danach führt die Reise in eine Psychiatrie und letztendlich zu Marias Ehemann in Dänemark. Dort fällt der Satz, der vielleicht ein guter Film werden könnte: „Maria fühlt sich stark und lebendig, wenn sie geliebt wird. Eine Liebe ist nicht genug für sie.“ Der vorliegende „Cindy liebt mich nicht“ ist nicht dieser Film, eher sein lebloses, blutleeres Gegenteil.

Die lebenshungrige, etwas verrückte, aber auch Halt suchende Maria nimmt sich Franz nach wenigen Minuten, trinkt auf Partys direkt aus Weinflaschen und darf die femme fatale sein. Bis man von ihren Depressionen erfährt. Wenn so was funktioniert, werden Klassiker draus. Wenn nicht, ist es sehr peinlich. „Cindy“ hat hauptsächlich peinliche Momente. Das gilt vor allem für die überladenen Dialoge, die nach den beiden Klischee-Männern der dritte Grund gewesen sein muss, weswegen Maria abgehauen ist. Die Bilder sehen aufgeräumt nett aus, irgendwo zwischen mittelmäßigem Werbeprospekt und Bravo-Fotoroman. Am Ende bleibt nur das Rätsel, weshalb die Bar, in der Franz kellnert, „Cindy liebt mich nicht“ heißt. Und, ob es ein Eigentor oder eine sich selbsterfüllende Prophezeiung der Kinos ist, wenn man in Erwartung der WM so einen schwachen Film starten lässt?

Die dreißigjährige Hannah Schweier schrieb und inszenierte den Film für „ZDF - Das kleine Fernsehspiel, was dem einst herausragend mutigen und nun immer langweiliger werdenden Format nicht zur Ehre gereicht. Das ganze, höchstens akzeptabel gespielte Projekt erweist sich ebenso als Verschwendung wie die paar auffallenden aber nichtssagenden Kranfahrten.

7.6.10

My Name is Khan


Indien 2010 (My Name is Khan) Regie: Karan Johar  mit Shah Rukh Khan, Kajol 125 Min.

Der indische Film ist der erfolgreichste der Welt. Und der absolute Überstar dieses „Bollywood-Kinos“ ist Shah Rukh Khan - eine Art Elvis und Michael Jackson in Personalunion und dann auch noch lebendig! Dies nur, um „My Name is Khan“ für die Uneingeweihten einzuordnen. Nun hat Shah Rukh Khan mit „My Name is Khan“ einen sehr politischen und gleichzeitig herrlich kitschigen Bollywood-Film hingelegt. Shah Rukh Khan zeigt als Rizvan Khan in „My Name is Khan“ den USA und der ganzen Welt, dass nicht jeder Muslim ein Terrorist ist. Zudem erweist sich der naive Held als moralisches Vorbild für die Amerikaner. In der Tradition Bollywoods geht das selbstverständlich nicht ohne ein großes Liebesdrama und einige Lieder ab.
 
Das ebenso unglaublich politische wie herrlich kitschige Drama „My Name is Khan“ zeigt Superstar Shah Rukh Khan als indischen „Rainman“ und als heiligen Narr, der zum moralischen Retter der USA wird. Seine Figur Rizvan Khan leidet am Asperger-Syndrom, einer milden Form von Autismus. In der Jugend muss Rizvan Khan in Indien blutige religiöse Massaker zwischen Hindus und Moslems miterleben. Doch seine liebevolle und fürsorgliche Mutter lehrt ihn, dass es nur zwei Arten von Menschen gibt: gute und schlechte. Jahre später ist Rizvan in den USA glücklich mit einer Traumfrau (Kajol) verheiratet, als die Anschläge vom 11. September 2001 eine Welle des Hasses gegen alles, was muslimisch sein könnte, auslösen. Sein hinduistischer Stiefsohn Sam wird aufgrund des angenommenen Nachnamens Khan von weißen amerikanischen Mitschülern ermordet und in seiner verzweifelten Einfalt will Rizvan allen, vor allem aber dem Präsidenten Bush klarmachen: „Mein Name ist Khan, ich bin kein Terrorist.“ Seine Reisetätigkeit auf den Spuren von Bush rufen allerdings die Sicherheitsdienste auf den Plan...

„My Name Is Khan“ beginnt seine - in der Originalversion - fast drei prallen Filmstunden packend und politisch. Spätestens wenn die Liebe zwischen Rizvan und Mandira (Superstar Kajol Devgan) ausbricht, ist dieser amerikanisch-indische Film wieder in Bollywood angekommen. Zwar fehlen die Tanzeinlagen und es gibt relativ wenige Lieder, doch hier traut man sich, die Gefühle viel deutlicher heraus zu schreien und die Schmetterlinge im Bauch blumiger auszumalen. Trotz heftigster Überzeichnungen und eines sehr freien Umgangs mit der Krankheit des Helden ist der Aufruf zur Verständigung überzeugend. Scheinbar spielerisch leicht gelingt es dem Film, Politisches und Banales miteinander zu verbinden.

Das Schauspiel von Shah Rukh Khan trägt dazu besonders bei: Ihm gelingt es, den für Außenstehende geistig behinderten Rizvan mit Menschlichkeit und viel Humor darzustellen, ohne ihn lächerlich zu machen. Man kann Shah Rukh Khan auch das politische Engagement glauben - bei allem Überkitsch, der zu diesem Kino gehört. Denn parallel zur Euro-Premiere riskierte Khan daheim seinen Ruhm, indem er sich für pakistanische Spieler in Indiens Kricket-Liga ausgesprochen hat, worauf extremistische Hindus heftig protestierten.

„My Name Is Khan“ ist großes Spektakel und mehr. Damit nicht nur für die zahlreichen Khan-Fans ein ganz spezieller Stoff. Der Film kommt leider nur in einer um ganze 40 Minuten gekürzten Fassung in die deutschen Kinos. Das wird einige der Fans verschrecken, die sich dann für die volle Khan-Dröhnung auf dem internationalen DVD-Markt bedienen.

2.6.10

Bedways


BRD 2010 (Bedways) Regie: RP Kahl mit Miriam Mayet, Matthias Faust, Lana Cooper 76 Min. FSK ab 16

Rolf Peter Kahl, der eher mit spektakulären Konzepten („99 Euro Films“) als mit gelungenen Filmen auf sich aufmerksam macht, drehte nun einen Autoren-Film-Porno. Oder Autoren-Filmer, die einen Porno drehen. Es gibt auf jeden Fall die Regisseurin Nina, die in einer leeren Wohnung Hans und Marie spielen lässt, ohne zu wissen, wo sie eigentlich hin will. So sehen wir Drehs und Proben der beiden Darsteller. Zwischendurch schaut Nina lächelnd listig und rätselhaft. Und es häufen sich die bedeutungsschwangeren Namen, Sätze und Einstellungen. Am zweiten der sieben Tage des Films ziehen sie sich aus, am sechsten bekommt Nina ihren Ex Hans. Das Arrangieren von nackten Körpern im kalten Scheinwerferlicht ist bewusst weit von Erotik entfernt.

Im Gegensatz zu anderen Filmen, die Sexualität thematisieren und unverhüllt zeigen - zum Beispiel Patrice Chereaus „Intimacy“ - bleibt „Bedways“ lange im Status der Versuchsanordnung. Da spielen reduzierte Figuren im Film-im-Film reduzierte Figuren. Und reden viel über Sex. „Wahnsinnig gute Texte“ werden im Slip vorgelesen - Kopfgeburten in nackter Haut. Alle drehen sich immer irgendwie um das Filmemachen. Dieser Dreh ist allerdings so verdreht, dass halbwegs geerdete Gefühle unabhängig von diesem rätselhaften Prozess nicht zu entdecken sind. Das Vexierspiel zwischen „echt“ und „Film“ verliert so seinen geplanten Reiz. „Bedways“ ist weder emotional noch intellektuell bereichernd oder erweiternd. Beim sich rebellisch gebenden Kahl muss es selbstverständlich ein Low Budget-Film sein. Man tut dieser durchaus kreativen Ecke des Filmemachens allerdings Unrecht, wenn man Werke eines in sich selbst verhinderten Künstlers als deren Speerspitze anpreist.

1.6.10

Vergebung


Schweden, Dänemark, BRD 2009 (Luftslottet Som Sprängdes) Regie: Daniel Alfredson mit Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Jacob Ericksson, Sofia Ledarp 146 Min. FSK ab 16
 
Ist es tatsächlich „langerwartet“, das Finale der Millennium-Trilogie nach den Romanen von Stieg Larsson? Oder hat sich der Hype erledigt und ist der Blick mittlerweile frei für eine zwar teilweise gut gespielte und skandinavisch schwarzseherische, aber doch nicht sensationelle Krimireihe?
 
Der investigative Zeitungsreporter Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) und die Privatdetektivin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) stürzen sich wieder in die erschreckenden Abgründe der schwedischen Gesellschaft. Nach der für sie fast tödlichen Abrechnung mit dem mächtigen Gegner Zala liegt Lisbeth fast wehrlos und vor allem erst einmal ohne ihre Computer-Spielzeuge im Krankenhaus. Dabei hat sie noch eine Menge Feinde, denn ihr Wissen kann eine Verschwörung alter Männer aufdecken, die bis in höchste Regierungskreise geht. Den Druck dieser Seilschaften bekommt auch die Millennium-Redaktion zu spüren, wobei kein Unterschied zwischen Verfassungsschutz und organisierter Kriminalität auszumachen ist. Obwohl auch das Leben seiner Kollegen und seiner Ersatz-Geliebten bedroht ist, tut Mikael Blomkvist alles, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Der Kampf um Lisbeths Freiheit wird dabei vor Gericht ausgefochten, denn noch immer steht sie wegen der Morde unter Anklage, die ihr in der letzten Folge untergeschoben wurden.
 
Man muss jetzt nicht gleich alle drei Filme zusammen sehen oder die fürs deutsche Publikum so prägnant umbenannten „Verblendung“ und „Verdammnis“ auf DVD nachholen. Aber „Das Luftschloss, das gesprengt wurde“ wie der dritte Teil im Original heißt, strickt doch viele Handlungsfäden der „Verdammnis“ fort. Dabei kann vor allem Noomi Rapace die ebenso traumatisierte wie wehrhafte Punk-Detektivin Lisbeth Salander erneut eindrucksvoll verkörpern. Michael Nyqvist hat bei seinem braven Reporter Mikael Blomkvist nicht so viele Möglichkeiten, sein Können auszuspielen und wirkt daher blasser. Während einige Szenen durchaus überzeugen, nervt die extrem aufdringliche Musik wieder und das Action-Finale kommt - unter anderem mit vielen brachialen Schock-Geräuschen - platt wie ein Computer-Spiel daher. Also anständige Krimi-Unterhaltung mit einigen besonders pessimistischen Noten, aber keineswegs die Sensation, die uns seit der wesentlich stärkeren „Verblendung“ eingeredet wird.

#9


USA 2009 (9) Regie: Shane Acker mit den Stimmen von Christopher Plummer, Martin Landau, John C. Reilly, Crispin Glover 79 Min.

Der post-humane Zeichentrick „#9“ (nicht zu verwechseln mit dem Musical-Kitsch „Nine“) war zu schön düster, zu emotional, zu nachhaltig und zu wenig oberflächlich, um als Multiplex-Futter durchzugehen. Deshalb blieb er weitgehend ungesehen, was eine Schande ist. In einem verfallenen Miteinander von altmodischer und futuristischer Technik erwacht die Puppe #9 zum Leben. Das liebenswerte Wesen aus Jutestoff mit dem Reißverschluss am Bauch fand gerade in den Kriegs-Trümmern einer Stadt den artverwandten #2, da wird dieser auch schon von einer grausigen Maschine entführt. Gegen den Widerstand des Führers #1 mit seiner Papst-Mitra und zusammen mit der mutigen Kämpferin #7 tritt #9 den Maschinenwesen entgegen und entdeckt den Sinn seiner Existenz.

Von einer durch Krieg völlig zerstörten Welt ohne jedes Leben erzählt Regisseur Shane Acker in der Langversion seines gleichnamigen Kurzfilms, ganz anders als beim Kinderspiel „Wall*E“. Ebenso faszinierend wie die Bilder der zerstörten Welt sind die Kreaturen mit Gesichtern wie in (Produzent) Tim Burtons „Nightmare“. Auch Timur Bekmambetow („Wächter der Nacht“) gehört zu den Produzenten. Entsprechend wirkungsvoll berührt der Kampf um die letzten Seelen in einer düsteren Welt. Die Originalversion gewährt zudem das Vergnügen der Stimmen von grandiosen Schauspielern wie Christopher Plummer, Martin Landau, John C. Reilly und Crispin Glover.

Forgetting Dad


BRD 2008 (Forgetting Dad) Regie: Rick Minnich, Matt Sweetwood 84 Min.

Was macht einen Menschen zu einem Individuum und was ist, wenn nur noch die äußere Hülle übrig bleibt? Rick Minnich hat erlebt, wie sein Vater durch einen völligen Gedächtnisverlust zu einem Fremden wurde. Die bewegende und spannende Dokumentation „Forgetting Dad“ von Minnich und Matt Sweetwood zeichnet diesen Verlust einer ganzen Familie nach und versucht vergeblich eine letzte Annäherung.

Es war ein Auffahrunfall in Sacramento im Jahre 1990: Kurz danach fühlte sich Richard Minnich immer schlechter und konnte sich ein paar Tage später plötzlich an nichts mehr erinnern. Der 44-Jährige verhält sich wie ein kleines Kind. Dann, nachdem er viele Dinge wieder gelernt hat, wie ein Fremder ohne emotionale Bindung zu den Menschen, die ihn umgeben. Während dieser außergewöhnliche Wandel in den USA stattfand, studierte der Sohn Rick Minnich Film in Berlin. Bei der Rückkehr hatte er seine Kamera dabei, so gibt es eine Menge privater Aufnahmen, um 15 Jahre Entfremdung nachzuerzählen.

Dieser Riss im Leben, oder genauer: dies neue Leben, ist ein faszinierendes Ereignis, das uns neben der spannenden und emotional aufgeladenen persönlichen Geschichte von Ko-Regisseur Rick Minnich viel über das Wesen von Persönlichkeit erzählt. „Forgetting Dad“ lässt den Abschied von einer Person, die nur äußerlich noch da ist, miterleben. Die Persönlichkeit des „alten Richard“ verschwand. „Schlimmer als wenn er gestorben wäre“, sagt unter Tränen Richards Schwester, eine der vielen Familienmitglieder aus drei Ehen vor der Kamera.

Aber selbst nach Jahrzehnten der Entfremdung bleibt der Verdacht, dass der sehr intelligente Richard dies alles nur spielt. Vielleicht um den Unregelmäßigkeiten bei seiner Bank zu entkommen? Steve, der prollige Stiefbruder des Regisseurs, hält alles für eine feige Flucht vor Schulden und Verantwortung. Hier wird die Suche nach dem Vater fast zu einem Krimi, doch Richard entfernt sich immer mehr von seiner alten Familie, von seinen fünf „biologischen Kindern“, wird noch seltsamer. Er erzählt sogar, dass er seinen Körper verlassen und an weit entfernte Orte reisen könne...

Minnich und Sweetwood, die bislang einige Dokumentarfilme in den USA und in Deutschland drehten, finden gute Bilder für den Gedankenfluss von Rick. Die gelungene Balance zwischen persönlicher Geschichte und außerordentlichem Ereignis, dass am Wesen unserer aller Identitäten kratzt, machen „Forgetting Dad“ zu einer sehenswerten Kino-Dokumentation.

Diamantenhochzeit


BRD 2009 Regie: Michael Kupczyk mit Marleen Lohse, Jörg Pohl, Uta Maria Schütze, Dietrich Hollinderbäumer, Anja Franke 84 Min.

Ein Beutelchen Diamanten zur Hochzeit mitbringen - eine schöne Idee, die ein junges Brautpaar freuen wird. Allerdings nicht, wenn die Diamanten noch im Bauch des Kuriers stecken und der tot im Kofferraum liegt. Der Vater der Bräutigams hat mal wieder ein krummes Ding vergeigt. Der aus Lünen stammende Regisseur Michael Kupczyk („Nordstadt“) machte aus dieser Grundidee und einigen bekannten Gesichtern in seinem zweiten Langfilm eine flotte Komödie mit der Besonderheit, dass alles in „Echtzeit“ abläuft - die erzählte Zeit ist gleich der Erzählzeit.

Auch für die jungen, verliebten Studenten Julia Dähnert und Alex Protovski (Marleen Lohse, Jörg Pohl) soll ihre Hochzeit zu einem besonderen Tag werden. Als Problem erweist sich jedoch einmal nicht, dass die Elternpaare kaum gegensätzlicher sein könnten. Julias Eltern (Uta Maria Schütze, Dietrich Hollinderbäumer) steigen als reiche Spießer im noblen Hotel ab und bringen einen Kleinwagen als Geschenk mit. Alex’ Erzeuger, die esoterische Ramona Keller (Anja Franke) und der zwielichtige Manfred Protovski (Martin Brambach), kommen nicht nur getrennt, Manfred bringt auch eine Menge Ärger mit. Denn er schoss aus Versehen mit der Pistole, die ja „aussieht wie echt“ durch die Klotür und den Kopf des Kuriers, der sich gerade einer aus Afrika geschmuggelten Ladung Diamanten für 120.000 Euro entledigen wollte.

Der chaotische Manfred bringt die Leiche einfach zur Hochzeit mit, was in Folge auch den Gangster Grecco (Udo Kroschwald) und seinen mordlüsternen Handlanger Jay Jay (Helmüt Rühl) zum Teil der Feiergesellschaft macht. Die Leiche mit den Diamanten kommt in Alex’ alten Saab, der im Laufe der sich überschlagenden Handlung Stück für Stück zu Schrott verwandelt wird. Julias Eltern warten derweil in klassischer Slapstick-Tradition sehr lange vor dem Hotel, während immer wieder mal jemand aus der Hochzeitsgesellschaft hektisch vorbeifährt und sie nicht mitnimmt...

Schon der Vorspann sieht nach Blake Edwards’ „Pink Panther“ aus. Statt des Diamanten Pink Panther gibt es bei der „Diamantenhochzeit“ eine Pink Torte, die erstaunlich lange sehr viel mitmacht. Die Grundidee für den klassischen Komödien-Plot, der recht flott umgesetzt wurde, war von einem abgeschlossenen Handlungszeitraum bestimmt: Alles was sich ereignet, passiert exakt in den knapp 90 Minuten, die auch der Film läuft. Aquafilm-Produzent und Ko-Autor Peter Kreutz entwickelte diese Idee zusammen mit seinem Autor und Freund Georg Piller, noch bevor sie in Form von „24“ berühmt wurde. Was John Badham als Krimi „Gegen die Zeit“ mit Johnny Depp gelang, sorgt auch komisch mit einer Riege treffend besetzter Darsteller aus der zweiten Reihe für nette Unterhaltung. Nicht immer hält der Film sein vorgegebenes Tempo, doch freche Dialoge („Arsch voll Diamanten, keen Geld für’n Taxi!“) sowie originelle Bildgestaltung mit Splitscreens und Wischblenden fangen einiges auf. Ein wenig schwarzer Humor rundet den leichten Hochzeitsschmaus ab.

Repo Men


USA, Kanada 2010 (Repo Men) Regie: Miguel Sapochnik mit Jude Law, Liev Schreiber, Forest Whitaker, Alice Braga 111 Min.

2007 drehte Clip-Regisseur Miguel Sapochnik einen originelle Kurzfilm-Geschichte mit der treibenden Kraft des Unkle-Songs „Burn My Shadow“: Ein Mann (Goran Visnjic) wacht morgens mit einer Zeitbombe als Herz auf und eine Uhr auf der Brust zählt die 5.41 des Songs herunter. Starker Song, nettes Filmchen, das immer noch auf You Tube steht. Nun knallt „Burn My Shadow“ als Hintergrund einer Splatter-Szene in Matrix-Choreographie. Miguel Sapochnik ist erstmals Spielfilm-Regisseur und darf direkt mit zig Millionen sowie mit Jude Law, Forest Whitaker und Liev Schreiber spielen. Ergebnis: Starke Songs, dünne Grundidee, mäßige Unterhaltung.

Remy (Jude Law) arbeitet bei der Abteilung „Repossession“ eines Gesundheitskonzerns. Die Rückforderungen von nicht bezahlten Organen sind ein großer Spaß, mit seinem Kumpel Jake Freivald (Forest Whitaker) erschreckt Remy zukünftigen Kunden - oder Opfer - wie Kinder. Die Menschenjagd fällt allerdings sehr blutig aus: Beim Grillfest geht Jake mal eben „mehr Fleisch“ holen. Dabei werden Remys Frau und ihr Sohn Zeugen des unappetitlichen „Ausnehmens“ vor der eigenen Haustür.

Dann versetzt Remy sich selbst bei einem Arbeitsunfall einen Herzschlag. Kurioserweise fühlt er mit seinem neuen Kunstherzen mehr als zuvor. Vor allem empfindet er Skrupel. Oder liegt es daran, dass ihn seine Frau rausgeschmissen hat? Auf jeden Fall schaut er ab jetzt sehr belämmert aus der Wäsche. Klar, er weiß, was passiert, wenn er seine extrem hohe Herz-Rechnung nicht bezahlt. Aber da er jetzt auf der anderen Seite steht, kann er seinen alten Repo-Job, das Ausnehmen säumiger Patienten, nicht mehr erledigen. Remy wird vom Jäger zum Gejagten.

So flieht er mit einer seiner Kundinnen in den Untergrund. Beth (Alice Braga aus "I Am Legend") ist ein besonderer Fall - sie besteht fast vollständig aus Ersatzteilen. Nur ihr Herz und ihre Lippen sind ihre eigenen. Welch schöne Grundlage für Untergrund-Romantik! Als Füllsel zwischen den Action-Einlagen. Denn die guten Songs des Films erscheinen tiefsinniger als der Rest. Die psychologische Grundsituation wurde sehr übersichtlich gestaltet, nur bei der Ausarbeitung der einzelnen Szenen hat man sich etwas mehr einfallen lassen. Kleine Scherze, originelle Zukunftsvisionen wie eine illegale asiatische Klinik mit einer neunjährigen Chirurgin. Da ahnt man schon die homöopathische Dosis „Blade Runner“, die mit viel Geld und bekannten Gesichtern bis zum traumhaften Trug-Schluss aus „Brazil“ („Dream a little Dream“) zu einem massenkompatiblen Blockbuster ohne Nachwirkungen verdünnt wurde.

Im letzten Drittel wird „Repo Men“ noch etwas spannend, aber die Action auch immer blutiger und brutaler. Forest Whitaker darf das dumme Grinsen auf seinem Gesicht durch konfliktgeladene Bedenklichkeit ersetzen. Liev Schreiber überzeugt als aalglatter Verkäufer. Jude Law steht die Action überhaupt nicht. Allein eine große, futuristische Liebesszene ragt heraus: In engster, blutiger Umarmung werden alle unbezahlten Organe Beths mit einem Scanner aus dem System gelöscht. Song dieses Clips: Ein „Sing it Back“-Remix von Moloko. Erkenntnis des Films: Schuster Sapochnik, bleib bei deinen Video-Clips!