22.2.10

Nine



USA, Italien 2009 (Nine) Regie: Rob Marshall mit Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penélope Cruz, Nicole Kidman, Judi Dench, Kate Hudson, Sophia Loren 112 Min.

Ein Mann mit so vielen Frauen im Kopf, das hätte Fellini gefallen. Ein Mann und gleichzeitig ein kleiner Junge. Einer, der immer wieder neu lieben will, aber selber exklusiv geliebt werden will. „Nine“ ist die (Selbst-) Demontage des Künstlers und Menschen Guido Contini, dargebracht mit der Leichtigkeit des Musicals. „Nine“ ist der neunte Film von Contini und Fortsetzung mit anderen Mitteln von Fellinis „8 1/2“. Hier und in vielen unauffälligeren Details verweist der Film zum großen italienischen Film-Fantasten. Das originale Broadway-Musical wurde seit seiner Erstaufführung 1982 mit reihenweise Tony-Awards auszeichnet. Wobei „Nine“ auf das Alter des jungen Guidos bei seiner ersten Erinnerung verweist. Nun machte Rob Marshall („Memoirs of a Geisha“) daraus seine zweite Musical-Verfilmung nach „Chicago“.

Welch ein gesegneter Künstler: Den Kuss der Musen erhält er gleich von mehreren jeden Alters - von Kate Hudson über Penelope Cruz bis zu Sophia Loren. Das ganze begleitet von einem Lalala-Liedchen, denn Lalala lautet tatsächlich der ganze Text der Eröffnungsszene auf einer leeren Bühne, die vor allem das weibliche Starpotential vorführt. Besser werden „Nine“ und Marshall, wenn es raus geht nach Rom. In das Rom, das Contini/Fellini erfunden hat und das die Welt so sieht, wie er es in seinen Filmen schuf. Über die Flucht des gefragten Regisseurs ohne Ideen und Drehbuch nach Positano, über imaginierte Gespräche mit seiner imaginierten Mutter (Sophia Loren) türmen sich die Schauwerte. Doch auch die Schaffenskrise, die ihn bei jedem Film ereilt, drückt sich in einem Lied, die Selbstreflexion dabei in einigen Spiegeln aus. Daniel Day-Lewis gibt und singt den Italiener Contini, den gequälten Künstler zwischen Mitleid und Albernheit, gut. Alle diese Lieder wurden filmisch sehr raffiniert aufgelöst. Die Flucht aus der Pressekonferenz und die parallelen Bewegungen im Filmstudio schaffen eine Balance zwischen der emotionalen Situation und ihrem „musicalischen“ Ausdruck.

Nach einigen Flops sucht Contini in größter Verzweiflung nach Antworten - selbst bei einem Kardinal. Aber weder seine Näherin Lilli (Judi Dench) noch seine Geliebte Carla (Penélope Cruz) können helfen. Dafür unterhalten sie mit jeweils einem Lied: Cruz legt als Strip getanzten und geräkelten Telefon-Sex hin. Dench darf auf dem Piano liegend mit französischem Akzent singen. Dazu rennt Guido als Kind zwischen den Tänzerinnen des Folies Bergère herum und leistet sich danach mit ein paar anderen kleinen Machos am Strand die Privatshow einer heruntergekommenen Prostituierten. „Be Italian“ heißt dann auch diese Anweisung zur Mannwerdung. Bei der sich die Theaterbühne mit Sand gefüllt hat. Auch das eine große Shownummer, wie die ganze Inszenierung von Marshall. Doch was zeigt, sagt oder vermittelt die Show? Auf jeden Fall, dass Marshall das große Filmtheater beherrscht. Gerade der Wechsel zwischen dem satten, üppigen Rot des Bühnenstückes und dem grobkörnigen Schwarzweiß der Stranderinnerung ist reizvoll, lässt einen Hauch Melancholie in die große Nummern-Maschinerie einschleichen. Ein großartiges und anrührendes Lied, die traurige Erinnerung an eine vergangene Liebe „My husband makes movies“ gibt Marion Cotillard als Ehefrau Luisa Contini das Herz des Film. Cotillard spielt Giulietta Masina, langjährige Partnerin und immer wieder Hauptdarstellerin des Schürzenjägers Fellini.

Dabei ist das Aufgebot der Frauen so gar nicht fellinesk: Kate Hudson, die als Mode-Journalistin auf dem vor lauter Glitzer ziemlich stillosen Catwalk über den „Style“ von Guidos Filmen singt, entspricht noch am ehesten dem Typus der Fellini-Frauen. Sie durften ja auch blond sein, aber niemals so dürr wie die Modellchen von heute. Oder wie Nicole Kidman, die Continis blonden Star Jenssen verkörpert. Sie
spielt die ganze Ausdrucks-Kälte aus, die man ihr oft nachsagt. Die Rolle der Muse, die sich verabschiedet, kommt dem allerdings auch entgegen. Trotzdem bleibt sie der Tiefpunkt des Liedreigens. Nicole Kidman war fünfte Wahl für diese Rolle. Aber auch die anderen Schauspielerinnen standen nicht ganz oben auf der Liste Marshalls.

Ob man sich auf die geträllerte und geschmetterte Psychoanalyse eine genialen Machos einlässt oder nicht - ein Gutes hat „Nine“ auf jeden Fall: Man will wieder Fellini sehen - ob neugierig gemacht oder als Gegengift.