28.1.09

Far North DVD


Regie: Asif Kapadia

Euro-Video
 
Ganz ohne Manierismen kommt Asif Kapadia in dem erfrischend klaren Eis-Drama „Far North“ aus, das außer Konkurrenz in Venedig läuft: Zwei Eskimo-Frauen– unter anderem gespielt von Michelle Yeoh, die in Ang Lees „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ spielte – meiden in der Einsamkeit des Nordens jeden menschlichen Kontakt, da die russische Soldateska, die hier alles terrorisiert, bereits ihre ganze Familie niedermetzelte. Als sie den flüchtenden Soldaten Loki (Sean Bean) aufnehmen, entwickelt sich ein Dreiecksdrama mit sehr überraschendem Ausgang. Die von einer starken Ursprünglichkeit lebende Cinematographie überzeugt zusammen mit der ungewöhnlichen Geschichte. Bei einer derart starken und intensiven Geschichte ist der Originalton das wichtigste Extra.

Stilles Chaos


Italien/Großbritannien 2007 (Caos Calmo) Regisseur: Antonio Luigi Grimaldi mit Nanni Moretti, Valeria Golino, Alessandro Gassman, Isabella Ferrari, Silvio Orlando, Hippolyte Girardot, Roman Polanski 112 Min. FSK ab 12

Dass man „Stilles Chaos“ als „neuen Nanni Moretti“ ankündigt, ist nicht nur geschicktes Marketing. Tatsächlich zeigt sich Nanni Morettis Film „Das Zimmer meines Sohnes“, in dem Moretti einen Vater spielt, der um seinen Sohn trauert, thematisch und Seelen verwandt mit diesem ebenso wunderbaren, tief traurigen und ganz leise hoffnungsvollen Meisterwerk. Und die Rolle des Vaters, der um seine Ehefrau trauert, scheint vom Regisseur Antonio Luigi Grimaldi nur für Nanni Moretti geschrieben.

Anfangs rettet der Geschäftsmann Pietro (Nanni Moretti) mit seinem Bruder eine fremde blonde Frau vor dem Ertrinken. Dem Tod knapp entwischt, doch zuhause wartet schon er Rettungswagen - Pietros Frau ist gestorben. Das Begräbnis lässt er ebenso regungslos vorüber gehen wie seine kleine Tochter Claudia. Doch als er diese wieder zur Schule bringt, folgt ein seltsamer Gefühlsausbruch: Er werde sie jetzt nicht alleine lassen, er werde den ganzen Tag vor der Schule auf sie warten. Und auch den folgenden und die nächsten.
Pietro isoliert sich von der Welt, zieht sich zurück auf den kleinen Platz vor der Schule seiner Tochter. Doch langsam und irgendwie ganz selbstverständlich kommt die Welt zu dem Sonderling, die anderen Bosse des Medienkonzerns, der verschachert werden soll, Steiner, ein ganz großer „Kapitalist“ (gespielt durch den ganz großen Regisseur Roman Polanski), der Bruder, die gerettete Frau...

„Stilles Chaos“ ist ein märchenhafter Film und doch so einfach, so menschlich. Wie sich Pietro auf dem kleine Park vor der Schule einlebt, zur Freude des behinderten Jungen täglich die Alarmanlage seines Autos piepsen lässt, berührt mit liebenswerten Kleinigkeiten. Über diese sonderlichen Verhalten findet schließlich die Trauer ihren Ausweg, aber auch ganz andere Dramen der Mitmenschen entwickeln sich um den schweigenden Aussteiger. Nanni Morettis nachdenkliches, entschlossen empfindsames Gesicht ist die ideale Projektionsfläche für diese Gefühle. So darf man „Stilles Chaos“ (an dessen Buch Moretti auch mitschrieb) durchaus als Moretti-Film bezeichnen, und es ist wieder ein unbedingt sehenswerter!

Die Klasse


Frankreich 2008 (Entre les murs) Regie: Laurent Cantet mit François Bégaudeau 130 Min. FSK: o.A.

Waren Schulstunden nicht oft quälend langweilig? Weshalb sollten wir nun freiwillig dem Französischlehrer Francois (und der Kamera) in „Die Klasse“ folgen? Weil Regisseur Laurent Cantet das Kunststück schaffte, mitten im heftigen Leben der französischen Banlieu-Kampfzonen einen unglaublich ehrlichen, echten und auch spannenden Spielfilm mit Laiendarstellern zu drehen. Die Goldene Palme von Cannes aber vor allem viele begeisterte Zuschauer seit dem Kinostart in Deutschland belegen die außerordentliche Leistung des Films.

Am Anfang füllt ein ganz nahes Gesicht die Leinwand: Dies ist François (François Bégaudeau), dies ist seine Geschichte. Dann in den Klassenräumen, Gängen und Lehrerzimmern der Schule, die der Film nie verlassen wird, die Putzmänner und -frauen, ein Hausmeister. Hier schaut jemand sehr genau auf den Betrieb Schule, noch vor der Lehrervorstellung. François ist im vierten Jahr an dieser Schule und erzählt den neuen Kollegen, man brauche Mut hier. Bald rastet auch schon ein Lehrer aus, findet kein Ende im Lamento über die hoffnungslosen Schüler, die doch in ihrer sozialen Sackgasse stecken bleiben sollen.

François ist anders, er diskutiert mit den Schülern, hört zu, wenn sie anmerken, solche komplizierten Zeitformen seien doch höchstens von ihren Großeltern gebraucht worden. Nicht nur mit der raffinierten Esmeralda, die frech durch die Zahnspange grinst und lispelt, liefert er sich große und kleine Duelle. Alle provoziert er zu Beteiligung am Unterricht. Doch unmerklich wird
der idealistische Lehrer ungerecht, lässt sich zu schnell provozieren. Sein liberales, fast kumpelhaftes Gerede hält nicht stand. Als er den größten Querulanten rauswirft, bleibt der Blick auf den Dozenten noch ambivalent. Doch als er die Putzfrau arrogant missachtet, ist er durchgefallen.

Was sich ungemein spannend abspielt, das Drama des Scheiterns, die Hoffnungen für die bockigen, nervigen und doch nur menschlichen Schüler, ist das biographische Drama von François Bégaudeau, der einst Lehrer war, dann den autobiografischen Roman „Entre les murs“ über diese Zeit schrieb und sich nun selbst spielt. Zwischendurch schrieb er auch Filmkritiken für den „Playboy“.

Man sollte sich von den Etiketten nicht täuschen lassen: Sicher, „Die Klasse“ ist authentisch, bewegt sich durch die Teilnahme der Schüler, die sich teilweise selbst spielen, im Bereich zwischen Dokumentation und Fiktion. Klar, die frechen Schnauzen der Schüler, der Mix vieler Nationalitäten und Ethnien liefern einen sozial spannenden Einblick. Aber „Die Klasse“ ist auch ein klasse Film, zeugt in der Präzision der nur scheinbar zufälligen Bilder von großer Meisterschaft der Macher. Es kommt nicht von ungefähr, dass man all die jungen Schüler mit Herkünften aus aller Welt ebenso echt und lebendig erinnert wie die eigenen Klassengenossen.

27.1.09

Der seltsame Fall des Benjamin Button


USA 2008 (The Curious Case of Benjamin Button) Regie: David Fincher mit Cate Blanchett, Brad Pitt, Taraji P. Henson 166 Min. FSK: ab 12

Es war eine Bemerkung von Mark Twain, die F. Scott Fitzgerald zu seiner Kurzgeschichte inspirierte: Wieso verstehen wir erst wirklich, wenn wir schon die Leiden des Alters erleben müssen? Wie wäre es, wenn wir gleichzeitig mit Weisheit und mit (körperlicher) Jugend gesegnet wären? Das Gedankenexperiment dazu: Benjamin Button wird als alter Mann geboren und die nächsten 80 Jahre immer jünger, bis er als Baby stirbt. Eine kuriose kleine Geschichte, die in der Verfilmung „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ zu großem Gefühlskino voller Geschichtchen, Geschichte, Stars und Schauwerte aufgeblasen wurde.

„Der seltsame Fall des Benjamin Button“ zeigt ein Kaleidoskop der Weltgeschichte, wahrgenommen von einer seltsamen Figur. Dieser schrumpelige alte Mann in der Krippe, der recht selbstverständlich im Altersheim aufwächst und immer jünger wird, hat etwas vom Oskarchen aus der „Blechtrommel“, etwas von „Forrest Gump“. (Und tatsächlich ist Eric Roth, der bereits "Forrest Gump" be-schrieb, erneut Drehbuchautor.) Man muss an andere Geschichten von Leben denken, die wie im Zeitraffer vorüber gehen. Virginia Woolfs „Orlando“ etwa oder Simone de Beauvoirs „Alle Menschen sind sterblich“.

Im Gegensatz zu Fitzgeralds kurzer Erzählung breitet sich der Film ins pralle Leben und Sterben aus. Schon die schwarzen Adoptiveltern des frühen (alten) Benjamin pflanzen mit den liebenswert schrulligen Bewohnern ihres Altersheims reichlich Rührung in die faltigen Gesichter. Hier lernt er in den ersten Lebensjahren Abschied nehmen. Hier trifft er - langsam unter der Maske als Brad Pitt erkennbar - die Liebe seines Lebens. Doch erst bricht er, kaum lassen ihn schwindende Gicht und Arthritis arbeiten, in die Welt auf. Lernt die Lust kennen, fährt mit rauen Männern zur See. Der Untergang eines Kriegsschiffes mit über tausend Toten ist erschütternd, doch für Benjamin nur ein kleiner Teil des Schmerzes, den der Abschied von geliebten Menschen immer wieder hervorrufen wird.

Am stärksten selbstverständlich bei der Liebe - vielleicht, weil es so im Leben ist, aber auf jeden Fall, weil dies ein Hollywood-Film ist. In welchem Benjamins Liebe zur Tänzerin Daisy (Cate Blanchett) zentral steht. Diese Mitte, ihre Begegnung ist ausgerechnet der bittere Moment, in dem er im richtigen Alter ist, sie aber einen furchtbaren Bruch in ihrem Selbstbild erleben muss.

In einem Film, der vor allem das Altern in vielen schmerzlichen Facetten durchgespielt, ist eigentlich Daisy die Hauptfigur, die in großer Schönheit verwelkt, dabei Jugend und Liebe gleichzeitig verliert. Eine unerträgliche Grausamkeit, die man nur durch die Langsamkeit der Zeit bittersüß genießen kann. Oder in diesem Film durch die Musik-Watte, die alles warm einkuschelt.

David Fincher („Se7en“, „Fight Club“, „Zodiac“) gelang mit viel Liebe fürs Detail eine ganz große Kinogeschichte. Wenn die symbolische Uhr, die rückwärts läuft, vom Strom der Zeit weggespült wird, wenn die Parallelmontage von Daisys Unfall mit dem Zufall spielt, erleben wir erzählerische Kunststücke. Vielleicht bemüht er zu viele Hollywood-Tricks, blendet zu häufig zur Rahmenhandlung mit der sterbenden Daisy zurück. Aber dieser Rahmen, das Kaleidoskop der Ereignisse und der Figuren, all das lässt viele Schauspieler in reizvollen Rollen glänzen, die Ausstatter, Kulissenbauer und Maskenbildner brillieren. Und man kann sich dem Strom der bewegenden Ereignisse ebenso wenig entziehen wie dem Lauf der Zeit.

Wen die Geister lieben


USA 2008 (Ghost Town) Regie: David Koepp mit Ricky Gervais, Téa Leoni, Greg Kinnear 102 Min. FSK: ab 6

Der Zahnarzt Dr. Pincus (Ricky Gervais) ist Ekel, Menschenfeind, Pedant und dazu ist er auch noch unsympathisch. Also einfach ein arroganter Brite in New York. Die Mitmenschen ignoriert er seit Jahren mit Erfolg und kalter Schulter. Doch ein paar Sekunden Todeserfahrung während einer Operation machen Dr. Bertram Pincus zu einem anderen Menschen: Seine Nächsten sieht er zwar immer noch nicht, aber er sieht nun die Toten, die in den Straßen New Yorks leben - und kann auch sie ignorieren. Nur der aalglatte Frank (Greg Kinnear), den ein Bus bei seinen Lügen erwischte, lässt sich nicht abwimmeln und behaart auf sein Anliegen. Bertram Pincus solle Franks Witwe Gwen (Téa Leoni) und ihren neuen Verlobten entzweien. Ob das die letzte Nachricht ist, damit der noch nicht ganz Verschiedene endgültig Abschied nehmen kann? Auf jeden Fall ist es eine gute Gelegenheit dafür, dass sich wie in jedem guten Buddy-Movie zwei schwierige Charaktere zusammenraufen müssen.

Das humorige Duett des misanthropischen Zahnarztes mit dem toten Ekel wird ergänzt durch die romantische Komponente des ebenso unpassenden Paares aus dem ungeschickten, überhaupt nicht charmanten Pincus und der klugen, selbständigen Gwen. Der britische Komiker Ricky Gervais überzeugt als Unsympath mit Herz, der langsam lernt, nett und für andere da zu sein. Greg Kinnear steht der Lügner und Betrüger gut, der immer noch mit seinem Blackberry spielt, obwohl er im Totenreich bestimmt keinen guten Empfang hat. Regisseur David Koepp, der als Autor mit Megahits ("Indiana Jones IV") punktete, erfindet den Buddy-Movie nicht neu, kann aber mit gutem Handwerk unterhalten.

21.1.09

Bolt - Ein Hund für alle Fälle


USA 2008 (Bolt) Regie: Byron Howard, Chris Williams 96 Min.

Bolt ist ein kleiner Hund, der alle überrascht. Erst einmal in der Fernsehserie mit seinem Namen. Die Partnerin in dem ebenso action- wie erfolgreichen Kinderprogramm ist Penny, ein kleines Mädel, das Bond locker abhängen würde, das macht schon die anfängliche Verfolgungsjagd klar. Einige Gegner unterschätzen den kleinen Hund: Ein Haustier ist Bolt auf keinen Fall: Mit Laser-Augen schießt er Kampf-Hubschrauber ab, sein Brüllen fegt gleich ganze Armeen hinweg wie ein Tornado.

Tatsächlich eine actionreiche Geschichte, aber auch eine Geschichte mit einer anfangs tragischen Figur. Denn Bolt lebt in gänzlich der Scheinwelt seiner Serie. Nach dem Dreh bleibt er auf dem Set und darf nie mit seiner Herrin in die richtige Welt. Deshalb glaubt er auch tatsächlich, die Superkräfte zu haben, die Tricktechniker ihm zuspielen. Als er aus eines Tages dem Filmstudio ausbricht, muss er sich in einem ganz anderen Abenteuer bewähren: Dem richtigen Hundleben. Ohne Super-Sprünge, ohne Super-Kräfte. Zur Seite stehen ihm die clevere Mafia-Katze Mittens und der durchgeknallte Hamster Rhino, der vor allem ein Fan des TV-Bolt ist.

Für die jungen Kino-Fans von „Bolt“ bietet die Action gute Unterhaltung. Aber weil die Hintergründe der Film-Tricks gezeigt werden und ihm wahren Leben andere Dinge zählen, ist der Spaß auch noch ziemlich lehrreich. Vor allem funktioniert auch diese gute Animation über großartige Charaktere: Das Tier-Trio ist umwerfend im Chaos und in der Wirkung auf die Lachmuskeln. Endlich mal eine richtig flotte Computer-Animation von Disney. Zwar noch nicht in der Pixar-Liga, aber es tut sich was, seit Apple- und Pixar-Chef Steve Jobs den altwürdigen Laden übernommen hat. Dank Pixar-Regisseur John Lasseter als Produzenten ist die sehr schöne Underdog-Story „Bolt“ unbedingt sehenswert - für große und kleine Kinder.

20.1.09

Der fremde Sohn


USA 2008 (The Changeling) Regie: Clint Eastwood mit Angelina Jolie, John Malkovich, Jeffrey Donovan 142 Min. FSK: ab 12

Manche Geschichten sind so unglaublich, dass der Film sich mit dem Hinweis auf wirkliche Ereignisse absichern muss. Oder wie bei diesem Drama um Kindesentführungen eines grundsolide Inszenierung und anständiges Schauspiel. „Der fremde Sohn“ ist nicht der beste Eastwood der letzten Jahre und Angelina Jolie hat ihre Mutterrolle auch meist besser gespielt, doch die anständig erzählte Geschichte kann über zwei Stunden unterhalten und immer wieder erschüttern.

Wenige Momente reichen, um die Zeit, die Umstände und ein besonders gutes Verständnis der allein erziehenden Mutter Christine Collins (Angelina Jolie) zu ihrem neunjährigen Sohn Walter zu skizzieren. Im Los Angeles des Jahres 1928 sieht die Telefonzentrale mit den flotten Ladies auf Rollschuhen vielleicht kurios aus, diese emanzipierte Frau wirkt jedoch ebenso modern wie die Mode der Zeit. Eine starke Figur stellt Eastwood auf für das Unglaubliche, was folgen wird.

Als Christine von ihrer Arbeit zurückkehrt, ist Walter verschwunden. Die Polizei ist ratlos, präsentiert jedoch Monate später unverfroren einen anderen Jungen als Walter, nur um gute Presse für sich zu erhalten. Das ungläubige Staunen und die schreiende Verzweiflung der Mutter bringen sie in die von der korrupten Polizei kontrollierte Psychiatrie. Erst das Engagement eines politischen Priesters (klasse: John Malkovich) und die Entdeckung eines Serienmörders bringen die Taten der Polizei ans Licht. Doch Walter bleibt verschwunden...

Clint Eastwood gelingt es, ein Melodram, einen Korruptions-Thriller und eine schauerliche Massenmörder-Geschichte wie aus einem Guss in seine atmosphärische Story zu packen. Dass dabei Angelina Jolie ihre typische Rolle als Löwen-Mutter recht steif runterspielt, stört nur am Rande. „Der fremde Sohn“ wird sicher nicht das Lieblingskind unter Eastwoods Filmen werden, aber der Wechselbalg ist immer noch weit besser als was die jüngeren Kollegen des 78-Jährigen abliefern.

Vom Cowboy zum Meisterregisseur
Wenn es in „Der fremde Sohn“ um Wahrhaftigkeit geht, die einen schweren Stand gegen den eitlen Schein hat, dann könnte dies ein Markenzeichen von Clint Eastwoods sein. Dieser überaus erfolgreiche Schauspieler hatte von der Politik als Bürgermeister eines Küstenörtchen schnell genug und wurde halt nicht Gouverneur von Kalifornien. Sein Ruhm hätte dazu ausgereicht, das Image erst als Revolverheld in der TV-Serie „Rawhide“ und in den Italo-Western von Sergio Leone ebenso. Die Selbstjustiz seines „Dirty Harry“, des Polizeiinspektors Harry Callahan in San Francisco, brüskierte liberale Kritiker, doch vor allem immer mehr die Themen und die stille Wahrhaftigkeit seiner mittlerweile 29. Regiearbeiten machen Clint Eastwood zu einer allseits geschätzten Persönlichkeit. Respektvoll lauscht das ganze Team, wenn er mit sonorer Stimme leise „Action“ sagt. Dabei ist Action immer weniger gefragt, die Leidenschaft für guten Jazz des Komponisten und Pianospielers Eastwood taucht in der Charlie Parker-Biografie „Bird“ (1988) und in fast jedem seiner edlen Soundtracks auf. Mit den leichtfertigen Duellen räumte der humanistische Spätwestern „Erbarmungslos“ (1992) auf. Und dass einmal „Frauenfilme“ wie „Brücken am Fluss“ (1995) oder „Million Dollar Baby“ (2004) seine Filmographie pflastern, hätte sich der frühe namenlosen Cowboy niemals sagen lassen.

Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat


USA 2008 (Valkyrie) Regie: Bryan Singer mit Tom Cruise, Kenneth Branagh, Bill Nighy 120 Min.

Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns endlich Action sehen! So wird mancher Kinozuschauer diese Woche vor diesem politisch und ästhetisch umstrittenen Werk stehen. Die „Operation Walküre“ erwies sich in der Produktion als Himmelfahrtskommando. Ohne dass man den Film kannte, wurde er in den bedeutendsten Feuilletons wegen seiner Wirkung auf das Bild der Deutschen im Ausland hochgejubelt und niedergemacht. Die Dreharbeiten an historischer Stätte in Berlin beschäftigten gar das Außenministerium, dann fielen noch ein paar Komparsen vom Laster und der Fluch der Scientologen lag sowieso über all dem. Letztendlich ist „Operation Walküre“ ein recht belangloses Filmchen, dass auf keinen Fall NS-Geschichtsschreibung verändert oder überhaupt betreibt. Viel Lärm um nichts wäre auch ein passender Titel gewesen...

Das Ende soll selbstverständlich nicht verraten werden, aber es wird auf jeden Fall spannend gemacht, ob der Truppe um Oberst Graf von Stauffenberg (Tom Cruise) die Mission Impossible des Attentats auf Hitler gelingt. Stauffenberg nimmt die ganze Verschwörung sofort in die Hand, nachdem er im Afrika-Feldzug einen Arm und ein Auge verloren hat. Kritisch gegenüber den Plänen der Obersten Heeresleitung war er schon vorher. Und das ist auch die Antriebsfeder der Adligen und Offiziere um Stauffenberg: Man hätte keineswegs auf die Kriege verzichten sollen, man hätte sie nur besser führen müssen. Nun geht es minutiös darum, ein paar Menschen an Schaltstellen zu überzeugen und - immer in Kombination von eindringlicher Verschwörerstimme und zackigem Kommando-Ton - die Aktion voran zu treiben. Dass nach dem Attentat tatsächlich die Macht in Nazi-Deutschland fast in die Hände der Putschisten fiel, ist für viele vielleicht eine Neuigkeit, auch wenn es der Film verkürzt darstellt.

So viel nur zur unrealistischen Forderung nach historischer Korrektheit im Hollywood-Spielfilm. „Operation Walküre“ stellt nicht unbedingt zur Diskussion, dass es sich um einen versuchten Militärputsch handelte. Wichtiger ist der große Solidaritätsmoment, für den der Film sich die Zeit nimmt, während es eigentlich darum geht, die Schaltstellen der Macht so schnell wie möglich zu besetzen.

Auch wenn materialreiche Produktion und wuchtige Musik Gefühle sehr kräftig lenken, auch wenn der Schnitt für Spannung sorgt, ist es ideologisch ziemlich verdreht, dass mit Tom Stauffenberg / Oberst Cruise ein neuer (An-) Führer den Führer Adolf Hitler stürzen soll. Die Logik des (übrigens hochgradig arbeitsteilig hergesellten) Hollywoodfilms verlangt nach einem Helden, auch wenn ein Kollektiv den Staatsstreich plante und ausführte. So wartet Cruise in fast jedem Bild auf die Verleihung des Eisernen Kreuzes. Ästhetisch greift die Faszination des Bösen in Scharz-Weiß-Rot um sich und eine seltsame Begeisterung für Uniformen und Hakenkreuz-Fahnen beherrscht den Film.

Tragisch ist wohl auch die Rolle von Regisseur Bryan Singer, der eigentlich einen kleinen Film drehen wollte und durch den Einstieg von Tom Cruise und dessen Produktionsfirma United Artists förmlich überrollt wurde. Der jüdische Filmemacher, der in „Der Musterschüler“ und selbst in großen Spektakeln wie „X-Men“ Ausgrenzung und Verfolgung nachfühlbar machte, hinterlässt hier kaum einen persönlichen Fingerabdruck.

19.1.09

Das Gesetz der Ehre


USA 2007 (Pride and Glory) Regie: Gavin O'Connor mit Colin Farrell, Edward Norton, Noah Emmerich 130 Min. FSK    ab 16

Es sind ganz besonders feine Kerle, diese Polizisten in New York - „Finest“ steht ganz deutlich in Großbuchstaben auf ihrer Sport-Jacke. Doch man braucht nur ab und zu ins Kino zu gehen, um DeNiro und seine Co-Cops bei besonders schmierigen Machenschaften zu erwischen. Nun wirft „Das Gesetz der Ehre“ mit Colin Farrell, Edward Norton, John Voight und Noah Emmerich eine zweite Garde von Schauspieler in den Sumpf aus Korruption und Verbrechen. Und auch wenn sie den Meuchelmord nicht neu erfinden, kann ihre Leinwand-Präsenz die bekannte Geschichte von Gut und Böse in einer Familie noch einmal interessant machen.

Eine ehrenwerte Familie hat der ehemalige Polizeichef Francis Tierney (John Voight) da großgezogen: Die Söhne Francis Jr. (Emmerich) und Ray (Norton) arbeiten bei den Ordnungshütern, und auch der angeheiratete Jimmy Egan (Farrell) schwor den Eid, „zu dienen und zu beschützen“. So ganz koscher ist die Familie allerdings nicht, das merkt man als vier Kollegen ermordet wurden und sich Ray von seinem Vater lange überreden lassen muss, bevor er die Ermittlungen übernimmt. Schnell wird klar, dass Ray das weiße Schaf in der Familie ist. Jimmy und seine Kollegen verhalten sich schlimmer als die Gangster. Nur auf wessen Seite Bruder Francis und der Vater stehen, ist noch nicht klar.

Eine ganze Weile lag „Das Gesetz der Ehre“ im Regal rum, bevor man ihn ins Dunkel der Kinos brachte. Dabei braucht sich der Cop-Thriller keineswegs zu schämen. Er ist zwar auch keine Sensation, aber gutes Handwerk ist in Hollywood mittlerweile schon zur Seltenheit geworden. Vor allem Edward Norton kann die innere Zerrissenheit zwischen Loyalität zur Familie und dem Gesetz zu dramatischer Größe ausspielen.

13.1.09

W


USA 2008 (W) Regie: Oliver Stone mit Josh Brolin, Elizabeth Banks, James Cromwell 129 Min.

Eine uninteressante Geschichte eines uninteressanten Versagers, wäre es nicht George W. Bush, der die Welt mit Krieg und Religionskonflikten überzogen hat, würde niemand so eine Biografie sehen wollen: Der verzogene, unfähige Sohn des erfolgreichen Politikers und Patriarchen Georg Bush konnte in keinem Job bleiben. „Poppie“ muss immer aushelfen und ist sehr enttäuscht von seinem Sohnemann. Irgendwann entdeckt der die Politik, doch auch das wird ein Debakel, treibt ihn tiefer in den Alkoholismus. Doch dann die religiöse Erweckung und plötzlich der Erfolg und der Ehrgeiz: Noch vor dem immer erfolgreicheren Bruder Jeff, Gouverneur von Florida, bewirbt sich George W. für die Präsidentschafts-Kandidatur. Der Rest ist Geschichte, tragische Geschichte, die wir alle ausbaden müssen.

Oliver Stone zeigt den Verantwortlichen anfangs in einer Farce: Der neue Präsident verläuft sich auf seiner eigenen Ranch während er den Irak-Krieg plant. Dass er den nur veranstaltete, um endlich besser als sein Vater zu sein, ist psychologisches Allgemeingut. Dass Oliver Stone das Scheitern dieses ödipalen Antriebs zum Ende hin tatsächlich tragisch darstellt, ruiniert den ganzen Film. Als Farce verliert „W“ schnell seinen Biss. Da ist der Wüterich Stone simpler als Michael Moore. „W“ wird billiges Theater, das seine Pointe viel zu lang auswalzt. Das geht vielleicht in der Politik aber nicht in einem Film. So ist dieser Film letztlich a-politisch. Eine große Enttäuschung gerade bei Oliver Stone.

„W“ wird am 20. Januar auf DVD erscheinen und am 23. Januar um 22.25 Uhr bei Pro7 zu sehen sein.

Interview Oliver Stone zu W

Der Stone des Anstoßes

Oliver Stone provoziert. Seine Filme sind weltweit bekannt: Die Analyse des Kennedy-Attentates „J.F.K.“. Der Politthriller „Nixon“. „Geboren am 4.Juli“, die Vietnam-Kriegsabrechnung des ehemaligen Vietnam-Kämpfers Stone. Die mediale Gewaltorgie „Natural Born Killers“. Das Börsendrama „Wall Street“ mit Michael Douglas. Die Jim Morrison-Biographie „The Doors“. Um nur einige der fast 20 großen Filme des Amerikaners zu nennen. Und doch ist er nicht beliebt. Angefeindet wegen seiner Stellungnahme zum Vietnamkrieg. Wegen seiner Sicht auf die Politik nach 9/11. In Griechenland ungeliebt, weil er den nationalen Helden „Alexander“ als Schwulen mit blondem Haar zeigte. Das fanden die Türken zwar gut, aber die verübeln Stone immer noch die Darstellung ihrer Justiz in Alan Parkers „12 Uhr Nachts“ (Midnight Express), zu dem der Provokateur das Drehbuch schrieb. Nach „Nixon“, porträtierte Stone Fidel Castro und nun eine Spielfilm-Biographie zu George W. Bush mit dem Titel „W“, die er auf dem Festival von Thessaloniki vorstellte.

Er weiß von der Macht der Bilder: Zur Einführung zeigte man einen sechsminütigen Zusammenschnitt seiner Filme. Nachdem Oliver Stone mit fast einstündiger Verspätung dann doch eingetroffen war, gab es noch mal einer kürzere Version der manipulativen Clips: „Der Drei-Minüter hat mehr Punch!“. „Punch“ hatte auch „Wall Street“, sein Film über die Gier der Finanzwelt, die sich gerade als so prophetisch erweist, dass alle ihn nach einem Nachfolger fragen.

„W“ hat Stone gemacht, weil er wie immer will, dass die Menschen „selber nachdenken, hinter die Fassade schauen.“ Aber auch, weil dieser Präsident die Geschichte mehr beeinflusst hat, als Kennedy oder Nixon. „Der Irakkrieg wird in den USA Generation verkrüppeln, körperlich und seelisch.“ Obwohl er drauf besteht, dass jede Szene bis auf die im streng geheimen „War Room“ verbürgt sei, hat er nicht die Wahrheit für sich gepachtet: „Jeder Film ist nur ein Film, keine historische Wahrheit. Es ist immer eine Interpretation. Wir wissen nicht, was die Wahrheit ist, aber wir müssen sie suchen.“

Ihr Name ist Sabine


Frankreich 2007 (Elle s’appelle Sabine) Regie und Kamera: Sandrine Bonnaire 88 Min.

Sandrine Bonnaire ist ein Star, einer dieser französischen Filmstars, die in Villen neben anderen Göttern zu thronen scheinen. Sandrine Bonnaire ist aber auch eine ganz normale Frau, unprätentiös, immer noch mädchenhaft wirkend. Jetzt zeigt sie, die immer eine große Distanz zwischen Privatem und Beruflichem bewahrte, eine ganz private Seite. Die sehr zärtliche und berührende Dokumentation „Meine Schwester Sabine“ ist eine Begegnung mit dem Schicksal der behinderten Schwester Sabine Bonnaire.

Die junge Frau könnte auch ein Filmstar sein. Ähnlichkeiten mit ihrer mittlerweile berühmten Schwester sind unübersehbar. Die alten Familienfilme lassen diese Vergangenheit miterleben. In den Bildern, die Sandrine Bonnaire nun mit ihrer Schwester Sabine aufnimmt, ist das junge Mädchen eine alte Frau.

Zwischen diesen Jahren ereignete sich eine schockierende Veränderung. Der Verfall von einer jungen Frau, zu einer aufgeschwemmten, sabbernden, immer nur müden, erschöpften Frau erschreckt enorm. Man fragt sich, wie es zu dieser Veränderung kommen konnte.

Sandrine Bonnaire erzählt selbst im Off von guten Zeiten, als ihre Schwester selbständig war, ihre eigenen Dinge machte. Sie war autistisch, hatte eine eigene Welt, aber auch ein eigenes Mofa. Irgendwann fühlt sich Sabine verlassen, schlägt um sich und zerstört das, was sie besondern liebt, auch die Fotos der Familie. Ihr Zustand verschlechtert sich zusehends. Für die unbekannte Krankheit gibt es kein Platz im Krankenhaus, keine Betreuung im Gesundheitssystem. Schweren Herzens gibt die Familie Sabine in eine Psychiatrie und heraus kommt dieser kaum wieder erkennbare Mensch. Mit ihrem anrührenden Porträt stellt Sandrine Bonnaire auch die Frage: Ist Sabines Niedergang der Krankheit oder dem Krankenhaus geschuldet? Erwähnt wird auch die Rolle der Eltern, ihre Suche nach geeigneter Betreuung und ihre Schuldgefühle anlässlich der Frage, ob sie auch alles menschlich Mögliche gemacht haben.

Mittlerweile lebt Sabine in einer betreuten Wohngemeinschaft von Behinderten, die Sandrine privat organisiert hat. Sandrine besucht die Schwester mit der Kamera, ist nicht nur Schauspielerin auf beiden Seiten, sondern auch Schwester. Immer wieder, in endlosen und anstrengenden Wiederholungen fragt Sabine ängstlich in Richtung Kamera: Kommst du morgen wieder, Sandrine? Sie heult und lacht, als sie den Film einer gemeinsamen New York-Reise sieht, sich selbst in einem anderen Leben. Vor allem für die alten Aufnahmen von Sabine benutzt Sandrine die verträumt verspielten, minimalistischen Klaviermelodien von Nicola Piovani aus „Mein liebes Tagebuch“. Aber auch ohne dies wäre das schon ein unwiderstehlich anrührender Moment.

„Für meine Schwester“ hat der Mensch Sandrine diesen Film gemacht und es ist ein ungemein liebevolles und trauriges Porträt geworden. Für die Schwester Sabine war der Film auf jeden Fall positiv: Seitdem sehe sie sich weiblicher, habe an Gewicht verloren, erzählt Sandrine.

Zeiten des Aufruhrs


USA, Großbritannien 2008 (Revolutionary Road) Regie: mit Leonardo DiCaprio, Kate Winslet, Kathy Bates 119 Min. FSK: ab 12

Der Ausbruch aus dem geregelten Leben, die Flucht oder das Aussteigen. Alles mittlerweile trivialisiert, zum Schlager und zur TV-Soap runtergekommen. Der verzweifelte Wahrheitskern, der in diesem Klischee steckt, wird von Sam Mendes, dem Regisseur von „American Beauty“, mit dem atemberaubendem Schauspiel von Leonardo DiCaprio und frisch gebackener Globe-Siegerin Kate Winslet so bewegend bloßgelegt, dass die „Zeiten des Aufruhrs“ nicht nur das Leben von Kinobetreibern zumindest für eine Weile erschüttern wird.

Dieses Drama des falschen Lebens erschlägt direkt mit der Tristesse des Vorstadtlebens, das „American Beauty“ nur langsam entlarvte. Ein furchtbarer Streit des Paares spricht es nach bösen Verletzungen aus: Du bist schuld, dass ich in diesem Leben stecke. Das ruhige, geregelte Leben von Frank und April Wheeler (Leonardo DiCaprio, Kate Winslet) verläuft in milden Farben. Darin schreckt die Einförmigkeit der Anzugträger auf dem Weg zur Arbeit und zum Amt schon über die Bilder ab. Frank ist da, wo er seinen Vater verachtete, bei der gleichen Firma, im gleichen öden Job. April erinnert sich alleine zuhause an bessere Zeiten, als sie noch „fühlen wollten, wirklich fühlen“, als er in Paris war, als der Kauf des neuen Hauses ein Aufbruch war.

Der Familienvater Frank versucht, durch die flüchtige Affäre mit einer Sekretärin seine Leere zu überspielen. Diesem schalen Geschenk an sich selbst zum 30. folgt nach der verspäteten Heimkehr die liebevolle Geburtstagsüberraschung seiner Frau und seiner Kinder. Und Aprils wieder erwachte Lebenslust schlägt vor, das Haus zu verkaufen, nach Paris zu ziehen, wo sie wieder arbeitet und er sich in Ruhe überlegen kann, was er wirklich machen will. Gleich am nächsten Tag verkündet er den Plan im Büro und setzt sich aus der Masse der uniformen Anzugträger ab.

Frank und April rebellieren kurz gegen die Regeln auf der „Revolutionary Road“, aber Normalität fängt sie schnell wieder ein. Er wird von einer Beförderung zum Bleiben verführt. Dann wird April schwanger. Sie will trotzdem ausbrechen, aber er erweist sich als zu träge oder zu feige. Mit dem Aufschrei „Nicht die Träume sind unrealistisch, dieses Leben ist es“ appelliert die Hoffende an die Wahrheit, er zieht sich auf Moral zurück, wird immer enger in seinen Vorstellungen und Lebenswegen, empfiehlt ihr einen Psychiater.

Das Normale und das Richtige. Einer dieser zahllosen Momente, in denen die schonungslose Wahrheit dieses Films einem an die Kehle und ans Herz greift. Und einer dieser vielen treffsicheren Merksätze dreht sich um den Mut, die Hoffnungslosigkeit der leeren Existenz anzuerkennen. Es ist ausgerechnet ein „Verrückter“, der nach 37 Elektroschocks die Idee der Wheelers gut findet. Eine grandiose Figur, die mit untrügerischer Sicherheit die Fassade der Familie auseinander nimmt. In ein paar Sätzen steckt mehr Wahrheit als in ganzem Leben des Paares. Ebenso gnadenlos geht dann jedoch der Film auf das Ende zu. Und meisterhaft, wie auch dies im Bild erzählt wird: Die sanften Pastellfarben der Musterwohnung werden nur von einem Fleck gestört, ein Fleck jedoch, der voller Schmerz und Verzweiflung ist, weil sich die enorme Stärke einer Frau wieder einmal gegen sie selbst wendet.

Sam Mendes findet in seiner zweiten Bloßlegung (nicht nur amerikanischer) Lebensleere Bilder und Momente unendlicher Einsamkeit. Die ungelebten Träume in leeren Blicken, der klägliche Spott der ganz großen Feiglinge, die sich über das Scheitern der verzweifelten Träumer mokieren, all das schickt einen tief erschüttert ins Leben zurück. Auch dank des großartigen, konzentrierten Schauspiels, das ohne viel Drumherum, ohne Action den Film trägt. Grandios wie Leonardo DiCaprio und Kate Winslet durch die Zustände von Öde, Hoffnung, Desillusion und Hass gehen. Ein Drumherum ist allerdings sehr wichtig, die Kulissen und Kostüme, die das Jahr 1955 glaubhaft machen und trotzdem die Figuren atmen und lebendig lassen.

12.1.09

Twilight - Biss zum Morgengrauen


USA 2008 (Twilight) Regie: Catherine Hardwicke mit Kristen Stewart, Robert Pattinson, Billy Burke 122 Min. FSK: ab 12

Ein wirklich fantastischer, weil origineller und ästhetischer Vampirfilm ... läuft schon seit einigen Wochen im Kino, kommt aus Schweden und heißt „So finster die Nacht“. „Twilight - Biss zum Morgengrauen“ stammt aus Hollywood und sein Marketing-Etat ist sicher größer als die Produktionskosten der Schweden. „Twilight“ gilt deshalb als „erfolgreich“, nicht ganz zu unrecht.

Bella ist ein verschlossener, blasser Teenager, also der ganz normale Außenseiter. Sie zieht zu ihrem Vater, dem Polizeichef eines vernebelten Küstenörtchens, in das die Sonne selten durchdringt. Auf den ersten Blick fühlen Bella und der extrem coole Edward sich zueinander hingezogen. Vorauf Edward sich erstmal ein paar Tage nicht blicken lässt. Das Wiedersehen ist ein Knaller, weil der Junge Bella mit ungewöhnlichen Kräften und blitzschnell davor rettet, von einem Auto zerquetscht zu werden. Ein paar verhaltene Treffen später wird der hellen Bella klar: Edward ist ein Vampir und sie steht trotzdem auf ihn - der Beginn einer besonderen Freundschaft.

Selbstverständlich gilt es nun, ein paar Hindernisse zu überwinden: Edward ist ein ganz besonderer Vampir und meint: „Ich will kein Monster sein.“ Seine Familie ernährt sich von Wölfen und verzichtet gerne auf Menschenblut. Wer jetzt hämisch denkt „Haha, ein vegetarischer Vampir!“, dem kommt der Film zuvor, indem er genau diesen Scherz selber bringt. Edward und seine Freunde leben friedlich unter den Menschen. Bis ein Trio durchreisender, echter Vampire für Leichen und Unruhe sorgt. Ein besonders böser unter ihnen hat es sogar auf Bella abgesehen.

„Twilight“ ist ein „cooler“ Film, bei dem alles zur Stimmung und zum Trend passt, die blassen Teenager, die leicht morbide Musik zwischen Grunge und Gothik, die entsättigten Farben. Der gar nicht schauerliche Vampirfilm punktet als schöne, ungewöhnliche Romanze und als sorgfältig gemachter Jugendfilm. Den Darstellern Kristen Stewart und Robert Pattinson (der auch ein paar eigene Liedchen zur Klampfe singt) sowie der Regisseurin Catherine Hardwicke ist zu verdanken, dass diese halb-ewige Romanze funktioniert. Hardwicke begeisterte schon mit dem heftig realistischen Teenager-Drama „Thirteen“.

Was den Film auch vom seriellen Durchschnitts-Kram unterscheidet, sind schöne Feinheiten in der Figurenzeichnung: So macht sich Bella vor dem ersten Besuch bei der Vampir-Familie Sorgen. Nicht Sorgen, gebissen zu werden, sondern ob die Familie sie mögen wird. Die Begegnung mit den mehr oder weniger konsequenten „Vegetariern“ ist dann eher komisch als schaurig. Ein kleiner Tanz zu Debussy leitet die Liebesgeschichte um Begehrem und Vertrauen ein. Statt Sex oder den sonstigen Teenie-Grobheiten gibt es ein Abheben durch die Wipfel der Wälder, das die Flüge von „Spiderman“ und „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ überflügeln will. Erst in der letzten halben Stunde bis zum Finale im Spiegelkabinett wird „Twilight“ spannend. Dass Edward, dieser Teenager, der kein Bett hat, nie schlafen muss und seinen Trieb unterdrücken will, auch ein Plädoyer für eine Freundschaft ohne Sex verkörpert, ist mehr als naheliegend. Und ein bitterer Tropfen Prüderie in diesem ganz süßen Saft.

Trotzdem schreckt es nicht ab, dass „Twilight“ nach den Geschichten von Stephanie Meyers ein sogenanntes „Franchise“ zu werden droht, eine gewinnbringende Marke im Mediengeschäft. Denn die Fortsetzung dieser halb-ewigen Geschichte ist unübersehbar angelegt.

6.1.09

Sweet Mud - Im Himmel gefangen

Israel, BRD 2007  Regie: Dror Shaul

Das mit der Kölner "Heimatfilm" koproduzierte und nrw-geförderte, sehr intensive Drama eines Jungen, der erleben muss, wie seine psychisch labile Mutter an der geistigen Enge einer Kibbuz-Gemeinschaft zerbricht, zeigt Kibbuz-Leben sehr differenziert aus der Innenperspektive. Von den menschlichen und politischen Idealen dieser Lebensgemeinschaften in Israel sind schon einige Abstriche auch filmisch erfolgt. Doch der Kampf eines Jungen um die Gesundheit und die Freiheit seiner Mutter lässt diese Welt sehr intensiv erleben. „Sweet Mud“ gewann den Gläsernen Bär der Berlinale 2007 für den besten Spielfilm - aber das ist nicht der einzige Grund, dass dieser Film in die hochwertige Berlinale-Edition von „absolut medien“ aufgenommen wurde. Es ist ein ungewöhnlicher und eindringlicher Film, der mit seiner Thematik und der Intensität des Schauspiels einzigartig bleibt.

Die DVD enthält die deutsche und die hebräische Originalversion.

Bangkok Dangerous DVD


USA 2008 (Bangkok Dangerous) Regie: Oxide Pang, Danny Pang mit Nicolas Cage, Philip Waley, Charlie Yeung 95 Min. FSK: k.J.

„Bangkok ist korrupt, dreckig und überfüllt“ - so lautet nicht die Einschätzung der aktuellen politischen Lage, sondern die des Auftrag-Killers Joe, der wie die meisten seiner Filmkollegen den letzten Job erledigen will. Das Remake der Pang-Brother ihres eigenen Profikiller-Thrillers von 1999 zeigt endlich mal wieder eine Gangster-Rolle, die Nicolas Cage mit schmierigen langen Haaren gut steht. Seine tödliche Routine wird unterbrochen von magischen Momenten und Begegnungen. Vor allem die stumme Apothekerin mit der leisen Piano-Begleitung zieht ihn in ihren Bann. Immer öfter treten viele dieser offenen Gesichter in seinen Weg und es droht ihm ein Tod in Venedig, nur in Bangkok mit seiner Neon-Welt, den Rotlichtbezirken und der Korruption.

Die Video-Premiere unterhält mit nettem Spiel des angeblichen so coolen Killers und seiner ziemlich raffinierten und frechen Thai-Aushilfe Kong. Wer hier an Kato und Inspektor Clouseau denkt, sollte aussteigen. Wer Cage und Kong mag, wird begeistert sein. Selbstverständlich ist auch diese spannende, stylish inszenierte Aktion nicht humorfrei. Typisch ist allerdings auch, dass ausgerechnet in den härtesten Szenen die Filmkunst die reizvollsten Kapriolen schlägt.

Die DVD-Features zeigen ein alternatives Ende, Making of, Interviews, Bio- und Filmografien

5.1.09

Sieben Leben


USA 2008 (Seven Pounds) Regie: Gabriele Muccino mit Will Smith, Rosario Dawson, Woody Harrelson 123 Min.

Welch wunderliches Verhalten legt dieser Steuerschätzer an den Tag! Ben (Will Smith) schätzt Menschen. Nicht finanziell, nein, er wägt ihr Leben ab. Wie sie mit anderen Menschen umgehen, wie sie ihre Zeit auf Erden für Gutes nutzen oder sie vertun. Man muss bei „Sieben Leben“ sehr aufpassen, nicht dauernd ins Biblische, ins Messianische hinein zu geraten. Denn Ben hat etwas von einem guten Samariter, von einem Heiligen, wenn nicht am Anfang diese Szene gewesen wäre, wo er den harmlosen, freundlichen und blinden Menschen vom Callcenter aufs Fieseste beleidigt und provoziert. Und was sollte dieser Anruf bei der Polizei, bei dem Ben einen Selbstmord meldet, seinen eigenen?

„Sieben Leben“ hält einige Geheimnisse in der Hinterhand während man der Arbeit dieses seltsamen Schutzengels folgt. Für einen Steuerfahnder ist Ben viel zu neugierig, fragt sehr persönliche Dinge, zu persönliche. Dabei tritt er immer korrekt im Anzug auf, erfüllt diese an sich vermessene Aufgabe mit gewinnender Freundlichkeit, mit zwingender Selbstaufgabe. Der Film besteht nur aus Begegnungen mit Menschen und aus Einsamkeit. Denn Ben hat auch diese Bilder eines schrecklichen Unfalls, die herzzerreißende Erinnerungen an gute Zeiten mit seiner Frau, begleitet von einem noch schmerzlicheren Nick Drake-Song. Und er sucht diese rätselhafte Nähe zu Tödlichem, wie zu der hochgiftigen Qualle, die er in einem Aquarium hält. So will er seinen Klienten ein freundliches Gesicht zeigen, kann aber doch nicht seine tiefe Traurigkeit überspielen. Ausgerechnet bei der herzkranken Emily (Rosario Dawson) kommt mehr als menschliches Mitgefühl ins Spiel und wenn die Geheimnisse gelüftet sind, ergibt das ein Dilemma, das tatsächlich nicht besser als wiederum mit herzzerreißend beschreiben werden kann.

Zum Umschreiben dessen, was hier nicht verraten werden will, muss man den Originaltitel zu Rate ziehen: Was sind „Seven Pounds“? „21 Gramm“ waren der Unterschied vom Leben zum Tod, war das Gewicht der Seele in einem verrätselten Geflecht aus Beziehungen und Schuld. Wie schwer wiegt die Schuld? Der Schätzer Ben findet eine Antwort, die in ihrer Selbstlosigkeit schockierend ist und weit über kleinmütige Gedanken zum Für und Wider von Organspenderausweisen hinaus weist. Hier gibt jemand etwas zurück, mit unmenschlicher Konsequenz extrem menschlich. Bringt ein Opfer, das keines ist, bis eine neue Liebe, die aus Hilfsbereitschaft und Mitgefühl erwächst, zu diesem wahrlich - übertragen und wortwörtlich - herzzerreißenden Dilemma führt.

Will Smith produzierte sich erneut selbst, aber im Gegensatz zu dem Vorläufer "Das Streben nach Glück", der auch schon von Regisseur Gabriele Muccino inszeniert wurde, ist seine Rolle hier nie aufgesetzt oder zwingt krampfhaft Rührung herbei. Der ehemalige Prinz und Superheld spielt unprätentiös und so zurückhaltend, wie es bei solch einem Part eben geht. Das Ergebnis ist ein Film, der ohne die allgemeine Reizüberflutung im Kino einen Ewigkeitswert wie Frank Capras „It’s a wonderful life“ erreichen könnte.

Jerichow


BRD 2008 (Jerichow) Regie: Christian Petzold mit Benno Fürmann, Hilmi Sözer, Nina Hoss 92 Min. FSK: ab 12

Die innere Unsicherheit

Thomas (Benno Fürmann) ist aus der Bundeswehr rausgeflogen und richtet sich in dem heruntergekommen, abgelegenen Haus seiner verstorbenen Mutter ein. Der Film protokolliert diese Behausung ebenso wie den stillen Einsiedler. Dass direkt ein paar halbseidene Typen vorbeikommen, um Schulden einzutreiben, und dass Thomas beim Versuch erwischt wird, einen ehemaligen Freund zu betrügen, tariert am Anfang exakt die moralische Meßlatte des Films und seiner Figuren ein. Denn bis auf einen altruistischen Moment betrügt hier jeder, sucht hier jeder seinen eigenen Vorteil.

Wenn Thomas anfangs ohnmächtig geschlagen wird, wenn ein zu roter Zug im Hintergrund vorbei fährt und ein Reh irritiert um die Ecke schaut, könnte alles wie in Petzolds letztem Film "Yella" wieder ein Traum sein. Doch damit legt der raffinierte und hochintellektuelle Regisseur nur eine Finte. „Jerichow“ ist als dramatisches Dreiecks-Drama, als Variante von Viscontis "Ossessione - Von Liebe besessen" und „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ nach James M. Cains Krimi „The Postman Always Rings Twice“ ein anderer Petzold und doch wieder ein exzellenter Petzold.

Weil Thomas dem türkischen Imbissbuden-Besitzer Ali (Hilmi Sözer) mit einer Falschaussage vor Polizei und Führerscheinverlust rettete, bietet dieser ihm einen Job als Transport-Fahrer an. Der schweigsame Ex-Soldat hilft fortan, Alis 45 Läden am Laufen zu halten und deckt clever kleine Betrügereien der Angestellten auf. Die beiden Männer könnten Freunde werden, doch da ist noch eine Frau. Der erste Blick von Thomas auf Laura (Nina Hoss) fällt auch ihrem eifersüchtigen Ehemann Ali auf. Trotzdem fordert der die beiden zu einem engen Tanz auf - ein Spiel mit dem Feuer am Meer, das dramatische Folgen hat. Die beiden jungen Menschen verfallen einander in heftiger Leidenschaft. Doch Laura gehört Ali - ganz brutal und nicht im übertragenen Sinne. Sie hatte 140.000 Euro Schulden und Ali kaufte sie auf.

Die Frage in „Jerichow“ lautet nicht nur "Geld oder Liebe?" Sie lautet vor allem "Wer ist noch ehrlich?" Wie immer bei Petzold fasziniert die genaue Beobachtung - des Films und der Figuren, des sozialen Umfeldes im Osten Deutschlands. Manche bezeichnen das als kalt. Doch während Thomas und Laura eine heiße erotische Spannung in das Dreieck bringen, er bald seine Bisswunden verstecken muss, ist vor allem die Ökonomie der Gefühle kalt und berechnend. Petzolds filmische Analyse der Liebe als Handelware macht nicht fröhlich, doch sie packt von Anfang an.

Nina Hoss spielt die verzweifelt berechnende Betrügerin Laura völlig glaubhaft und erstaunt erneut nach ihrer Wende-Verliererin „Yella“, nach der Nachkriegs-Überlebenden „Anonyma“, nach der modernen Medea von „Die Liebe ist ein dunkler Wald“ mit einer weiteren Facette ihres atemberaubend exakten Schauspiels. Diese Laura ist verlebt, getrieben von ihren Gefühlen und Instinkten, wobei die Orientierung auf einen Versorger auch schon ein internalisiert und Instinkt ist. Dass auch Benno Fürmann exakt und gut spielen kann, ist vielleicht die größte Überraschung dieses zwischen Leidenschaft und kalter Berechnung ungemein spannenden Films.

4.1.09

Transporter 3


Frankreich 2008 (Transporter 3) Regie: Olivier Megaton mit Jason Statham, Robert Knepper, François Berléand 104 Min. FSK: ab 12

Einige Ideen sind einfach fesselnd: Man setze eine Frau in einen Bus und mache die Bombe scharf, die explodiert, falls der „Speed“ des Busses unter 50 Stundenkilometer fällt. Oder man „vermähle“ einen Mann und eine Frau mit elektronischen Fußfesseln und sobald sich beide zu weit voneinander entfernen, macht der „Wedlock“ sehr laut Bumm! Oder man lege einem rasanten Chauffeur so eine Minibombe an und zwingt ihn damit, immer in der Nähe seines Autos zu bleiben. So will „Transporter 3“ seine Zuschauer fesseln, hilfreich bei der Action-Lieferung ist dabei die stoisch heroische Präsenz von Jason Statham, der auch die ersten beiden Transporte erfolgreich ans (Kassen-) Ziel brachte.

Frank Martin, der perfektionistische Transportfahrer für kriminelles Frachtgut, hat sich eigentlich in der Nähe von Marseille zur Ruhe gesetzt und will nur noch mit seinem befreundeten Ex-Gegner, dem Polizeikommissar Tarconi (François Berléand) gemütlich angeln. Doch eines Abends schaut ein Kollege von Frank in dessen Küstenvilla vorbei - direkt mit Kopf und Kühlerhaube durch die Wand. Die Gründe für dies zwanghafte Klammern ans Automobil werden dem coolen Helden Frank nach einem Niederschlag schnell klar: Nun trägt er das elektronische Armband, das ihn in Stücke reißen wird, sobald er sich mehr als 20 Meter vom Auto entfernt. Ein skrupelloser Gangsterboss (Robert Knepper) zwingt ihn so zu einem Transport in den Osten Europas. Als Ballast kommt die junge Valentina (Natalja Rudakowa) auf den Beifahrersitz.

Rasende Verfolgungen, ruppige Action und rasante Faustkämpfe - das verspricht auch „Transporter 3“ dem männlichen Zielpublikum. Für eventuelle weibliche Begleitung macht Jason Statham im Anzug eine gute Figur, wobei er Jackett, Hemd und Krawatte auch mal als Waffe benutzt. Im Nebeneffekt legt dies Stathams Sixpack bloß. Routiniert muss er als Fahrer alle seine professionellen Regeln über Bord schmeißen. Und irgendwie haben die Macher um Taxi-Produzent Luc Besson auch ein paar Regeln des anständigen Actionfilms vergessen, immer wieder überziehen sie die Stunts in Lächerliche, etwa wenn Statham mit einem BMX-Rad quer durch Häuser und Hallen sein eigenes Auto verfolgt oder, wieder am Lenkrad, den schwarzen Audi auf zwei Rädern zwischen fahrenden LKWs hindurch zwängt. Franks reizende Begleiterin aus der Ukraine bleibt recht blass und redet dauernd übers Essen, leider nicht in einer witzigen Art, wie man es von Tarantino kennt. Ansonsten sind die Nebenrollen gut mit prägnanten Charakterköpfen wie François Berléand und Jeroen Krabbé (als ukrainischer Umwelt-Minister) besetzt. Sie werden länger in Erinnerung bleiben als dieser Film.

3.1.09

Warlords


VR China, Hongkong 2007 (Tau Ming Chong) Regie: Peter Chan, Wai Man Yip mit Jet Li, Andy Lau, Takeshi Kaneshiro, 113 Min. FSK: ab 16

Es war einmal im Wilden Osten: Ein großes Drama in shakespeareschen Dimensionen, vom Aufstieg eines unerschrockenen Kriegers, von Freundschaft und dem Vertrauen unter Brüdern, von einer tragischen Liebe, welche die anderen Bande belasten wird. Das Ganze ausgeführt mit gleich drei Superstars aus drei chinesischen Politbereichen - Jet Li aus dem volksrepublikanischen Peking, Andy Lau aus dem wieder eingegliederten Hongkong und Takeshi Kaneshiro aus dem verfeindeten Bruderstaat Taiwan. Gewaltig, gewalttätig und sehr eindrucksvoll.

Um 1870 schlägt man sich in China mit Schwestern und Lanzen, metzelt sich beim Bürgerkrieg aber auch schon fortschrittlich mit Gewehren und Kanonen dahin. Das Ergebnis ist gleich zu Anfang furchtbar. Eine Landschaft aus Leichen, der ein verstörter Mann entsteigt. General Pang (Jet Li) ist der einzige Überlebende einer entsetzlichen Schlacht. Verloren irrt er durch die Trümmer kriegsversehrter Häuser bis ihn eine Frau aufnimmt, für eine Nacht an ihrer Seite beherbergt und zur Ruhe kommen lässt. Kurz darauf wird Peng in einem Dorf von Räubern aufgenommen und schließlich Blutsbruder der beiden Führer Zhao Er-Hu (Andy Lau) und Jiang Wu-Yang (Takeshi Kaneshiro). Dass die Frau, die Peng aufnahm, ausgerechnet mit Zhao Er-Hu zusammenlebt, ist die Saat der Tragödie, auf dieses kriegerische Historien-Epos zwangsläufig zusteuert.

Nach einem Überfall verlassen die Blutsbrüder mit hundert hungrigen Männern das Dorf, um sich bei kleinen, lokalen Fürsten als Söldner zu verdingen. Mit ihrem kriegerischen Mut, der an Wahnsinn grenzt, besiegen sie ein Heer nach dem anderen, erobern zum Erstaunen ihrer feisten Feudalherren uneinnehmbare Städte bis zur mächtigen Metropole Nanking. General Pang erfährt am Ende dieses Siegeszuges höchste Weihen der Kaiserin. Aber nicht nur Gegner metzelt dieser Kampf reihenweise nieder, auf der blutigen Strecke bleiben auch Moral, Anstand und der Pakt unter Brüdern.

Es geht wahrlich um „Warlords“, um Kriegsherren, in diesem aufwändigen asiatischen Schlachten-Spektakel - und wer sich beim „Herr der Ringe“ am endlosen Metzeln ergötzen konnte, kommt auch bei „Warlords“ des Thailänders Peter Chan, der bislang mit dem schönen, modernen Melodram „Comrades: Almost a Love Story“ beeindruckte, auf seine Kosten. Blut hat zumindest überall die gleiche Farbe. Dass asiatisches Kampfkino in den Action-Choreografien dem westlichen immer noch überlegen ist, mag als ästhetischer Pluspunkt gelten. Bis zum finalen Duell in Regen und Matsch im Stile von Leone und Scorsese ist „Warlords“ großes Kino, wenn auch in der Originalversion in den Gemetzeln und Massakern sehr körperlich und drastisch. Die deutsche Version verzichtet deshalb auch auf fast fünfzehn Minuten.