29.12.08

Die Reise des chinesischen Trommlers


Hongkong, Taiwan, BRD 2007 (Zhan Gu / The Drummer) Regie: Kenneth Bi mit Jaycee Chan, Tony Leung, Angelica Lee, Roy Cheung 118 Min. FSK: ab 12

Hong Kong-Action, die nachdenklich macht? Ein Musikfilm, der über Leichen geht? „Die Reise des chinesischen Trommlers“ ist eine reiche Erfahrung, eine eindrucksvolle Bilderreise und eine Geschichte, die in viele Richtungen weiter wirkt.

Der junge Sid (Jaycee Chan, der Sohn von Jackie Chan) ist ein ignoranter junger Schnösel, der sich selbst zu wichtig nimmt. Als er mit der Geliebten eines Gangsterbosses ins Bett geht, führt dies zwangläufig zu großen Problemen, weil Sid nicht kapiert, mit welchen gnadenlosen Verbrechern er sich angelegt hat. Sids Vater Kwan (Tony Leung), selbst ein Unterwelt-Boss, kann das Leben des Sohns nur retten, in dem er ihn verschwinden lässt. Im taiwanesischen Exil langweilt sich Junior zuerst und versucht weiter, Blödsinn zu machen. Doch dann entdeckt er in den Bergen eine Gruppe von Zen-Trommlern. Zwar meint der begeisterte Schlagzeuger, hier könnte er direkt landen, doch in der Gegenwart der anderen Schüler ist der coole Sid nur noch ein Clown: Unkonzentriert, fahrig, ohne Disziplin. Statt zu trommeln, muss er erst Wasser holen und Steine durch die Gegend schleppen. Langsam respektiert er die Demut, wird ein anderer Mensch. Doch in Hong Kong wird die Situation für seinen Vater gefährlich...

„Die Reise des chinesischen Trommlers“ bietet eindrucksvolle Musik(er), Landschaften, Lebensweisheit und Spannung. Aber die Familiengeschichte ist nicht nur esoterisches Wohlfühlkino. Mit vielen Parallel-Montagen spielt man auch ein wenig „Der Pate“ des Hong Kong-Kinos. Denn die Qualitäten dieses rundum gelungenen Films liegen nicht allein in den einzelnen Elementen, die sich so schön plakativ bezeichnen lassen. Wie harmonisch Regisseur und Autor Kenneth Bi dies alles miteinander kombiniert, ist ganz besondere Kunst. Die Mischungen aus modernem Leben und spirituellen Traditionen, aus Gangstermilieu und Abgeschiedenheit von der Welt, von Hong Kong und den grünen Bergen Taiwans sind einzigartig und höchst sehenswert.

Kenneth Bi arbeitet mit großer Musik, sehr schönen Bildern und mutigen Montagen, die mehr den inneren Gefühlswelten als der äußeren Dramaturgie folgen. Das unkontrollierte und das kontrollierende Schlagen ziehen sich als Metapher durch den ganzen Film. Wunderbar und witzig ist das erste Trommelduell des arroganten Knaben mit der jüngsten Schülerin, auf die er ein Auge geworfen hat. Sid kann zwar „trommeln wie verrückt“, um den Verlust seiner Mutter zu überspielen, aber er zerbricht direkt seinen Schlagstock. Wie dieses unbeherrschte Handeln der vollen Konzentration gegenüber steht, ist nur eines der Bilder, in denen der Film tatsächlich (Geistes-) Haltung vermitteln und nahe legen kann.

Bonjour Tristesse DVD


USA 1957

Regie: Otto Preminger

„Bonjour Tristesse“ ist einer der bekanntesten Filme von Otto Preminger (1906-86). Der in Wien geborene Jude Preminger arbeitete zuerst am Theater, bevor er 1931 seinen ersten Film drehte. 1936 wanderte er in die USA aus. Von der Mitte der Vierziger bis Anfang der Sechziger galt er als einer der bedeutendsten Regisseure der Welt. Danach schwand sein Ansehen, obwohl er immer noch Filme machte. Neben einigen Höhepunkten der Filmgeschichte verdanken wir Preminger die Entdeckung von Jean Seberg als Johanna von Orleans in „Saint Jean“ und als gefährliche Tochter in „Bonjour Tristesse“ nach dem Roman von Francoise Sagan, der drei Jahre vor dem Film erschien.
Seberg spielt darin die Hauptrolle der jungen Frau, die auf extreme Weise das Verhältnis des geliebten Vaters Raymond (David Niven) zu seiner neuen Geliebten Anne (Deborah Kerr) sabotiert. Neben der unvergleichlichen Stimmung des Films bleibt der Wechsel von farbigen und Schwarz-Weiß-Szenen in Erinnerung. Wobei die Tristesse der Gegenwart im Grau der farbenfrohen Vergangenheit gegenüber steht. Derartige Kunstfertigkeit veranlasste den DVD-Vertrieb zur Warnung, dies sei kein technischer Fehler!

Kurzer Prozess - Righteous Kill


USA 2008 (Righteous Kill) Regie: Jon Avnet mit Al Pacino, Robert De Niro, 50 Cent 100 Min. FSK: ab 16

Doppeltes Copchen

Al DeNiro und Robert Pacino. In ihrer Einzigartigkeit gleichen sie sich, wie ein Ei dem anderen. Beiden haben sich die Straßen und Gassen des kriminellen Molochs New York mittlerweile tief ins Gesicht gefaltet. Beide kennen das Verbrechen in und auswendig, als Paten, Cops, Unterwelt-Bosse, Casino-Chefs, Mafia-Legenden und als edle Ritter des Gesetzes. Und sie verkörpern die Rollen mittlerweile derart vertraut, dass sie wahrscheinlich auch im richtigen Leben mit der billigsten Dienstmarken-Fälschung jeden ohne Gegenwehr verhaften könnten. Nun fesseln sie noch einmal gemeinsam auf der Leinwand, nachdem ihr Aufeinandertreffen in Michael Manns „Heat“ 1995 zur explosivsten Leinwandchemie der Filmgeschichte führte.

In „Heat“ jagte Al Pacino als erfolgreicher Detective Vincent Hanna das kriminelle Mastermind Neil McCauley, dem Robert De Niro Seele und Härte verlieh. Nun steht das Doppelpack der Megastars auf der gleichen Seite der recht durchlässigen Grenze zwischen Recht und Unrecht. Turk (Al Pacino) und Rooster (Robert De Niro) sind seid Ewigkeiten knallharte, aber rechtschaffene Polizisten in New York. Bis Rooster das Gesetz in die eigenen Hände nimmt: Als ein übler Typ, der seine Frau schlägt und die Stieftochter vergewaltigt hat, freigesprochen wird, verstecken die Cops eine Mord-Waffe in dessen Wohnung. Im Ergebnis landet der Verbrecher doch für Jahre im Knast - wenn auch wegen eines Fehlurteils.

Nach dieser Grenzüberschreitung häufen sich die Morde an Kriminellen, bei denen immer ein Zettel mit ein paar Schüttelreimen gefunden wird. Nicht besonders intelligent, dieser Serienmörder, aber erst einmal hinterlässt er keine Spur. Durch die Vielzahl der Fälle müssen Turk und Rooster mit zwei jüngeren Polizisten zusammenarbeiten. Die vermuten bald, einer aus den eigenen Reihen könnte der Täter sein. Denn er weiß viel über die Opfer, die ihn nahe an sich ran gelassen haben. Rooster wehrt die Theorie vehement ab, doch er selbst ist sehr verdächtig. Schon beim Baseball-Spiel der Kinder rastet er regelmäßig aus. Zudem hat er diesen gewalttätigen Sex mit einer Kollegin - bedenklich, bedenklich, dieser lustvolle Spaß.

Eigentlich ist sowieso seit den ersten Bildern alles klar, denn da gesteht Rooster die Morde an den Verbrechern in eine Kamera. Doch Cops und Kumpels halten immer zusammen, so ist auch dieser Thriller von Jon Avnet ein raffiniertes Spiel mit den Erwartungen. Avnets thematische Spannweite reicht vom Frauenfilm „Fried Green Tomatoes“ aus 1991 bis zum letzten Pacino-Film „88 Minutes“ aus 2007. Dieser „Kurze Prozess“ nun ist letztendlich und vor allem im Ende ein echter Männerfilm. Mit Männerfreundschaft, Männerfeindschaft und viel Adrenalin. Dass der eigentliche Gangster vom HipHop-Superstar 50 Cent gespielt wird, bleibt dabei Nebensache. Bemerkenswert, weil so jemand wie 50 Cent gerne mal das ganze Marketing eines durchschnittlichen Filmchens tragen muss. Hier, beim „doppelten Copchen“ Al-De-Niro ist er nur Leichtgewicht. Den nicht besonders originellen Film tragen allein die beiden New York-Veteranen. Sie kann man sich immer wieder gut ansehen. Nicht viel mehr bietet „Kurzer Prozess - Righteous Kill“, aber auch nicht weniger.

Bonjour Sagan


Frankreich 2008 (Sagan) Regie: Diane Kurys mit Sylvie Testud, Pierre Palmade, Jeanne Balibar, Lionel Abelanski, Guillaume Gallienne, Denis Podalydès 120 Min. FSK: ab 12

War Kafka wirklich so kränklich und vom Unglück verfolgt? Oder folgt das Bild des Dichters nur dem Klischee vom leidenden Künstler? Filmische Künstler-Biographien folgen nur zu gern diesem Muster vom „La vie en rose“ der Edith Piaf bis zu Salma Hayeks „Frida“ (Kahlo) - letztere wohl eher dem schmerzensreichen Original entsprechend. Es geht bei dieser Kritik nicht um die Erbsenzählerei, was denn „wahr“ und verbrieft sei. Auffällig ist allein, dass der Fokus auf die Schwere des Lebens all diese verfilmten Leben so austauschbar macht.

Wie schon beim „Vie en rose“ der Edith Piaf blickt (Françoise) „Sagan“ vom einsamen Alter zurück auf ein wildes, eigenwilliges Leben: Françoise Quoirez (1935-2004) veröffentlicht 1954 knapp 18-jährig unter dem Pseudonym Sagan wie selbstverständlich ihren ersten Roman „Bonjour Tristesse“, der sofort weltweit zu einem Erfolg wird. Auch dies tangiert die resolute junge Frau (eindrucksvoll verkörpert von Sylvie Testud) nicht weiter. Literaturpreise nimmt sie ebenso beiläufig entgegen wie die Zuneigung mehrerer Männer. Françoise Sagan, die aus einer wohlhabenden Pariser Familie stammt, lebt eigenwillig, unabhängig und vom Glück verwöhnt. Mit einem neuen Sportwagen und zwei frischen Freunden düst sie an die Küste, gewinnt Unsummen im Casino und kauft noch am gleichen Morgen mit dem Geld ein Landhaus, das von nun an ihr Heim sein soll. Dort versammelt sie sehnsüchtig Freunde, Kriecher, Bewunderer, Kritiker ohne Einfühlungsvermögen. Geradezu abhängig hüllt sie sich in die Harmonie dieses Kreises. Kritik an ihrer Arbeit führt - im Film - direkt zum tragischen Autounfall der damals 21-Jährigen, der ihre Gesundheit fortan belasten wird. Der Rest ihres Lebens ist bestimmt von der Sucht nach Menschen, die ihr Liebe und Aufmerksamkeit schenken, von Morphium und Koks als Droge gegen Schmerzen und Einsamkeit.

Dabei bleibt Sagan frech und forsch, eigenwillig und konsequent. Immer suchend baut sie mit Freundeskreisen eine Welt um sich herum, die in sich eine Revolution gegen die bürgerlichen Regeln und Rahmen darstellt: Im Kinderzimmer steht ein richtiges Pferd, der schwule Vater von Sagans Sohn küsst seinen Liebhaber und keinen kümmert es. Und dann ist da noch die Ruhelosigkeit: Als ihr mittlerweile erwachsener und fast vergessener Sohn nach langer Zeit mal wieder vorbeikommt, haut sie ab nach New York ohne ihn zu sehen. Mit der Concorde, es kann nicht schnell genug gehen: „Manchmal spürt man das Verlangen zu fliehen, einfach auszureißen, sich irgendwo zu verlieren. Aber manchmal geht man auch verloren, ohne es zu wollen, zufällig, durch einen Exzess.“

Regisseurin Diane Kurys („Das Liebesdrama von Venedig“) reiht aus der Biografie der Schriftstellerin Françoise Sagan verstreute Episoden aneinander, die dem lückenhaften Erinnern der heruntergekommenen Autorin entsprechen könnten. Die Episoden der Einsamkeit, mit Zeitenblendungen durch Fernsehberichte vom Algerienkonflikt oder den 68-er Unruhen in Paris halbwegs verortet, ergeben einen pessimistischen Blick aufs Leben. Sagan bleibt zeitlebens hilfesuchend und letztendlich verloren. Mit Koks und Wodka ruiniert sie auch ihre Kreativität. Ihr Wunsch nach Freiheit bleibt gefangen in der Drogen- und Liebessucht. Die ergibt dann das Beste des Films, die klugen, kompromisslosen Äußerungen im Off, die den Film im Trailer so spannend machen. Beispiel: „Warum können die Leute nicht loslassen, wenn die Liebe weg ist?“

Ihre Romane „Lieben Sie Brahms?“ (1959) oder „Brennender Sommer“ (1985) wurde immer wieder verfilmt, am bekanntesten ist „Bonjour Tristesse“, der Film von Otto Preminger. Jean Seberg spielt darin die Hauptrolle der jungen Frau, die auf extreme Weise das Verhältnis des geliebten Vaters Raymond (David Niven) zu seiner neuen Geliebten Anne (Deborah Kerr) sabotiert. Wobei die junge Seberg ebenso eindrucksvoll auf der Leinwand wirkte, wie nun die Sagan-Darstellerin Sylvie Testud, die man seit „Jenseits der Stille“ zwischen Frankreich und Deutschland in vielen Filmen wie „Karnaval“, „Maries Lied“ oder „La vie en rose“ sah.

22.12.08

So finster die Nacht


Schweden 2008 (Låt den rätte komma in) Regie: Tomas Alfredson mit Kåre Hedebrant, Lina Leandersson, Per Ragnar 114 Min. FSK: ab 16

Droben im Norden Europa kann es in den langen Nächten schon mal passieren, dass man sich mit einer Vampirin anfreundet. Die Kinder gehen im Dunkeln zur Schule und das winterliche Taglicht hat auch kein langes Leben. So geschieht es dem schmächtigen zwölfjährigen Oskar in Kopenhagen. Die gleichaltrige Nachbarin, die er abends auf dem Spielplatz trifft, ist seltsam. Aber er mag sie trotzdem. Auch weil sie ihm beibringt, sich zu wehren. Die Mordserie in der Gegend steht erst einmal nur für die Zuschauer in direktem Zusammenhang, denn Elis Vater versucht müde und ungeschickt, frisches Blut für das Vampirmädchen zu finden. Und da müssen halt auch einige Nachbarn dran glauben.

Bis auf wenige heftige Szenen ist „So finster die Nacht“ eher ein ganz toller Jugendfilm als ein vor allem spannender Vampirfilm. Doch die Mischung macht das kleine schwedische Meisterstück zu etwas ganz Besonderem. Man verfolgt die schwierige Freundschaft zwischen Oskar und Eli ebenso mit viel Mitgefühl, wie man die Ausbreitung der dürstenden Vampire im Wohnkomplex mit Humor und leichtem Schaudern erlebt. Sorgfältigst in Figuren und Szenenzeichnung begeistert der Film, der in kein Genre passt. Vor allem die ohne große Effekte faszinierenden Bilder, wie beim ersten Mord im verschneiten Birkenwäldchen, dem selbst der störende weiße Königspudel keinen Farbtupfer gibt, weisen „So finster die Nacht“ als Perle im Europäischen Kinoalltag aus.

Australia


Australien, USA 2008 (Australia) Regie: Baz Luhrmann mit Nicole Kidman, Hugh Jackman, David Wenham 166 Min.

Ganz knapp und ganz schön spannend reitet kurz vor Toresschluss der großartigste Film des Jahres ins Ziel: „Australia“ ist ein postmodernes „Vom Winde verweht“ - Epische Breitwandkino, ganz großer Film aber auch große Oper. Nach seinem wilden "William Shakespeare's Romeo and Juliet" und dem überbordenden Musical "Moulin Rouge" bespielt Baz Luhrmann nun ganz Australien als Bühne. Seine Stars sind - neben der unfassbaren, einzigartigen Landschaft - Nicole Kidman, Hugh Jackman und als Entdeckung der zwölfjährige Brandon Walters.

Schon die Ankunft von Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) ist ein großer Auftritt auf der Bühne, zu der Luhrmann den Hafen von Darwin macht. Sarah flog kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges resolut von England rüber, um ihren untreuen Mann heimzuholen. Der liegt allerdings schon tot auf der heruntergekommenen Farm Faraway Downs, der betrügerische Verwalter (David Wenham) wird mit einem gezielten Peitschenhieb gefeuert und nun muss die Lady sehen, wie sie die riesige Viehherde zum Hafen bekommt. Doch zum Glück und zum Augenschmaus für die Ladies ist da der knackige Viehtreiber Drover (Hugh Jackman): Rau und ungehobelt bietet er der eingebildeten Dame viel Reibungsfläche auf dem klassischen Viehtreck quer durch Australien.

Am Ziel könnte schon nach gut neunzig Minuten Happy End sein. „Australia“ ist im ersten Teil ein großes Abenteuer und im zweiten das größere, eine Familie zu finden. Denn der wahre Star des Films ist das „Halbblut“ Nullah, kein Held, kein großer Magier, ein kleiner Junge, der nicht weiß, was er kann. Vor den Behörden, die bis in die Siebziger Mischlingskinder den Eltern raubten und grausam kasernierten, versteckt sich das Kind auf Faraway Downs. Nullah ist zudem der Erzähler der großartigen Geschichte „Australia“, was dem Land und seinen eigentlichen Bewohnern die gegebene Ehre erweist.

Für 130 Mio. Dollar und mit extremen neun Monaten Drehzeit erfüllte sich Baz Luhrmann seinen Wunsch, ein australisches „Vom Winde verweht“ zu drehen. Als altmodisches Epos angelegt, ist sein großes Drama voller Romantik, Abenteuer, Komik und auch Mystik selbstverständlich schneller als der alte Klassiker. Reichlich Top Shots, die (künstlichen) Farben des Himmels, das ist auch Kitsch, aber großartiger. Während er sich mit dem Windrad von „Moulin Rouge“ selbst kommentiert, wird das Leitmotiv aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“, der Song „Somewhere over the Rainbow“, mit der Regenbogenschlange plötzlich zu einem Stück Aborigine-Mythologie. Aber der Regisseur einer tollen „Boheme“ muss ja begeistert sein von einer Kultur, die mit einem Lied durch Wüste findet.

Dem offenen Rassismus aus „Vom Winde verweht“ werden hier schon in den ersten zehn Minuten zwei große Einsätze für das Gemeinsame entgegen gesetzt. Lange bevor ein Multikulti-Treck quer durchs Land zieht und endgültig klar wird, dass dies grandiose Abenteuer immer ein Plädoyer für das Zusammenleben ist.

Nicole Kidman ist nach „Moulin Rouge“ und einem gerade wieder reaktivierten Chanel-Werbespot Luhrmans Star. Ihre Lady ist Zicke, mutige Heldin mit großem Herzen, die den Regen und im Regen liebt, ist kleines Mädchen und die schönste Frau in dieser Welt. Hugh Jackman gibt perfekt den richtigen, bärtigen Held, dem auch mal ein paar Tränchen über die sonnengegerbten Wangen rollen. Seine erste Liebeserklärung bei Lagerfeuer-Romantik unterm Flaschenbaum (!) lautet, er wolle mit niemand anderem mehr trinken. Nach einem kräftigen Schluck können sie dann auch ihre Leidenschaften nicht mehr zurückhalten.

Und damit sind sie wieder beieinander, die großen Vier von „Moulin Rouge“: Truth, Beauty, Freedom, and above all things, Love. Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Die Schönheit der Landschaften. Die Freiheit des Einzelnen, denn „Australia“ ist auch ein Film über das Gehenlassen. Und: Die Liebe, die hier alle Grenzen überschreitet. Denn „wenn du keine Liebe im Herzen hast, hast du nichts, keine Träume und keine Geschichte.“ Und dies ist eine gute Geschichte, eine der besten!

21.12.08

Buddenbrooks


BRD 2008 (Buddenbrooks) Regie: Dr. Heinrich Breloer mit Armin Mueller-Stahl, Iris Berben, Jessica Schwarz 151 Min. FSK: ab 6

Ein Drama, diese Mann-Verfilmung. Eine Familien-Katastrophe, oder eher eine konzeptuelle Katastrophe: Ideenarmes, steifes Abfilmen von Kulissen, Kostümen und Köpfen führt zu einer gefühlten Länge von sechs Stunden ödestem, falsch verstandenen Kultur-Kino. Ein starkes Argument, lieber den Roman von Thomas Mann zu lesen!

Patriarch Armin Mueller-Stahl führt Mitte des 19. Jahrhunderts in Lübeck ein florierendes Unternehmen. Mit Handel ist seine Familie zu Wohlstand und Ansehen gekommen. So trägt seine Frau Iris Berben auch immer schöne steife Kostüme und sie wohnen in einem tollen alten Haus mit vielen Angestellten, die eifrig durchs Bild wuseln. Doch die drei Kinder von Armin Mueller-Stahl werden Probleme machen und den Laden im Laufe der nächsten Jahrzehnte richtig runterwirtschaften.
Jessica Schwarz verliebt sich lieber und stimmt nur zickig den von Papa arrangierten Hochzeiten zu, die das Geschäft fördernd sollen. August Diehl lebt lieber in der Welt der Künste als wie ein Beamter hinter dem Schreibtisch abzustumpfen. Und Mark Waschke will als ältester Sohn von Armin Mueller-Stahl das Unternehmen erben und fortführen, ist aber nicht besonders glücklich dabei...

Moment mal, spielen sie nicht eigentlich Rollen? Mueller-Stahl, die Berben und alle anderen zu bekannten Gesichter? Wenn man sich ganz stark konzentriert und die Augen zusammenkneift, dann kann man sich vorstellen, dass da jemand anderes stehen sollte. Aber das funktioniert so gut wie nie. Man schaut ihnen immer zu, wie sie brav Literatur verfilmen.

Es gibt viele Literaturverfilmungen, die sich krampfhaft vom Original-Hintergrund lösen wollen, etwa Hamlet zu einem Wirtschaftboss machen (Regie Michael Almereyda) oder Romeo und Julia in New York mit Pistolen spielen lassen (Baz Luhrmann). Alles nur, um den starken Kern eines Werkes nach vorne zu bringen.

Breloer, der erfolgreiche TV-Regisseur von Doku-Dramen wie "Todesspiel" und "Die Manns - Ein Jahrhundertroman", „dokumentiert“ die Zeit und die Orte der Buddenbrooks möglichst genau. Was vielleicht dem Lübecker Tourismus dienen mag, nicht dem Film. Zwar raffte Breloer die Familien-Geschichte zusammen, konzentriert das Geschehen auf entscheidende Handlungsmomente, betont die wirtschaftlichen Aspekte, aber das Ergebnis aufwändiger Arbeiten von einiger Größe (über 16 Mio. Euro!) bleibt erschreckend uninteressant. Nur bei einigen Ausreißern aus dem „realistischen“ Einerlei schreckt man zeitweise aus der Kinodämmerung auf: Schrille Figuren wie den Hamburger Banker mit der furchtbaren Lache fallen völlig raus, leben aber mehr als die sonstigen staubtrockenen Figuren. Selbst der alkoholkranke, anfangs aufbegehrende Lebemann Christian von August Diehl wird zum vorüber ziehenden Schatten.

Das ist schon ein Kunststück: In den letzten Jahren mit mehreren hunderten Filmen vom verschrobenen Experiment bis zum Hollywood-Serienprodukt hat kein Film den Rezensenten so gelangweilt wie diese „Buddenbrooks“!

Wenn man sich dann noch die Extra-Minuten der von vornherein eingeplanten und mitfinanzierten zweiteiligen TV-Version hinzudenkt, wird einem um die Quote ganz bange. Doch vielleicht ist das tragische Ende der „Buddenbrooks“ ja auch der Untergang solcher „Amphibien-Filme“, die schizophren für Kino und TV-Zweiteiler produziert werden, und von daher nie so gut wie ein richtiger Kino- oder ein richtiger TV-Film sein können.

16.12.08

Novemberkind


BRD 2008 (Novemberkind) Regie: Christian Schwochow mit Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes, Christine Schorn 98 Min. FSK: ab 12

Man kann über die Fernsehbeteiligung an Kinofilmen schimpfen und diskutieren. Man kann wie Volker Schlöndorff bezweifeln, dass TV-Mehrteiler in der Kinokurzfassung wirklich sorgfältig gemacht werden. Aber auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung haben sich die Sender tatsächlich verdient gemacht. „Novemberkind“ ist wieder ein Beispiel für exzellentes Kino, das diesmal vom SWR als Abschlussfilm der Filmakademie Baden-Württemberg finanziert wurde.

Die lebenslustige Inga (Anna Maria Mühe) ist Antiquarin in Malchow, Mecklenburg-Vorpommern. Spielt Karten mit den Großeltern, die sie aufzogen, und vermisst ihre Freundin, die in den Westen zog. Eines Tages steht der etwas wirre Literaturprofessor Robert (Ulrich Matthes) vor ihr, stellt Fragen und streut kleine Hinweise aus. Er meint Ingas Mutter Anne (Anna Maria Mühe) gekannt zu haben, doch die soll schon vor vielen Jahren ertrunken sein. Roberts Geschichte erweist sich als wahr, alle Menschen um Inga haben ihr verschwiegen, dass ihre Mutter mit einem desertierten Sowjet-Soldaten aus der DDR floh und ihre Tochter zurückließ. Ingas Leben bricht zusammen. Um ihre Fragen zu klären, verlässt sie Malchow mit Robert und ihrer alten MZ, um per Motorrad plus Beiwagen nach ihrer Mutter zu suchen.

Christian Schwochow gelang mit dieser leisen Ost-West-Geschichte ein tolles Debüt. Die Verstrickungen und unmenschlichen Zwänge im DDR-Regime, die moralischen Abgründe der West-Kapitalisten führen zu einem Drama, das ganz undramatisch entdeckt wird. Schwochow erlaubt sich mit der exzellenten Kamera von Frank Lamm sehr entspannte, stimmungsvolle Aufnahmen der Gegend und intensive Zeichnungen der Menschen. Die Musik (Daniel Sus) ist ebenso zurückhaltend wie die Erzählung. Grandios in der Mutter-Tochter-Doppelrolle brilliert Anna Maria Mühe, die Tochter des schwierigen Ost-Künstlerpaares Ulrich Mühe and Jenny Gröllmann. Anna Maria Mühe sorgt für die emotionale Verankerung der Zuschauer in der Geschichte, etwa in den bewegenden Momenten der Leugnung, wenn nahe Menschen sie erkennen und doch so tun, als sähen sie nicht. Ulrich Matthes („Der neunte Tag“) spielt einen zwiespältigen Part, als Autor oder als Beobachter, als Erfinder oder Antreiber der Story. „Novemberkind“ - ein exzellenter Film, jetzt im Kino und irgendwann sicherlich nach Mitternacht im Fernsehen.

O'Horten


Norwegen, BRD, Frankreich 2007 (O'Horten) Regie: Bent Hamer mit Bård Owe, Espen Skjønberg, Ghita Nørby 89 Min. FSK: o.A.

Ein Abschied als skurrile Odyssee: Der norwegische Lokführer Odd Horten (fabelhaft: Bård Owe), ein stoischer Kapitän mit noch mehr Ruhe gebender Pfeife, muss nach seiner letzten Dienstfahrt ein absurdes Ritual seiner Kollegen über sich ergehen lassen. Das Absingen der Lokführer-Hymne und das Erraten von Lok-Geräuschen auf Schallplatte sind bereits atemberaubend absurd. Als dann der alte Mann über ein Gerüst fliehen will und in einer fremden Wohnung von einem kleinen Jungen zum Gutenachtgeschichten-Erzählen festgehalten wird, als er im Kinderbett einschläft, beginnt eine noch wunderlichere Reise durch Oslo.

Bent Hamer drehte bereits die wunderbar verrückte Küchen-Studie Kitchen Stories (2003) und dann mit Matt Dillon die Bukowski-Geschichte „Factotum“ (2005). „O'Horten“ ist erneut eine Perle der Erzählkunst. Es ist schwer zu beschreiben, wie gleichmütig und doch neugierig erstaunt der äußerst liebenswerte Horten die verrücktesten Situationen mitmacht. Dabei ergibt sich in einem Pfeifenladen mal grandioser Slapstick a la Jacques Tati, dann hüllt Melancholie die Begegnung mit einem verrückten Erfinder ein. Dass eine blinde Nachtfahrt durch die verschneite Stadt wie selbstverständlich fast ohne größere Schäden verläuft, betont das Traumhafte von Hortens Erlebnissen. Doch die Folge von grandiosen Szenen ist keine Nummernrevue, Horten geht seinen Weg, erfüllt am Ende todesmutig den Mädchentraum seiner alten Mutter und verlässt dieses Märchen wieder durch den Eisenbahntunnel, den er schon zu Beginn befuhr. Horten ist in einem etwas weniger seltsamen Leben angekommen, aber man braucht sich keine Sorgen um diesen Mann zu machen, zu sehr sprüht er regungslos vor Lust auf Leben.

Ein Geheimnis


Frankreich 2007 (Un secret) Regie: Claude Miller mit Cécile de France, Patrick Bruel, Ludivine Sagnier, Julie Depardieu, Mathieu Amalric 105 Min.

Kein Geheimnis sind die Deportationen französischer Juden durch deutsche Soldaten während der Besatzung. Eine besonders sensibel und psychologisch spannend erzählte Geschichte über die Folgen eines dieser Verbrechen vermittelt „Ein Geheimnis“. Und dazu im Kern des historischen Sturms ein ungewöhnliches Drama von Liebe und Eifersucht.

Der junge François ist ein Tagträumer. Er fantasiert sich einen Bruder herbei, der alles kann, was der schwächliche, achtjährige Knabe nicht vermag: Den Sprung vom Fünfmeter-Brett ins Schwimmbad, die Turnübungen am Reck. Es ist das Jahr 1955 in Paris. Tania und Maxime (Cécile de France und Patrick Bruel), die Eltern von François, sind ausgesprochen sportlich und schön. Bei den Nazis wären sie glatt als Muster-Arier durchgegangen, doch sie sind Juden. Und Jahre später, als François die Träume vom Bruder und die Missachtung im Blick des Vaters zu sehr quälen, klärt ihn die Nachbarin über die Vergangenheit auf. Damit eröffnet sich ein Abgrund mit all den Toten, den Ermordeten aus seiner Familie, den Freunden der Eltern und vor allem mit dem Bruder, von dem François nie wusste.

Regisseur Claude Miller bearbeitete (zusammen mit Natalie Carter) und verfilmte Philippe Grimberts autobiographischen Roman "Un secret / Ein Geheimnis" mit drei Zeitebenen, die elegant ineinander fließen (Schnitt: Véronique Lange), so wie sie sich in den Menschen gegenseitig bedingen. Dabei wirkt die farbige Vergangenheit präsenter als das „aktuelle“ Leben von François, das nur noch ein grauer Schatten zu sein scheint.

Die Geschichte der Grimberts beginnt bei einer Hochzeit mit fataler Begegnung 1936. Noch bei der Geburt von Maximes ersten Sohn Simon ist das Treffen von Hitler und Mussolini nur eine Zeitungsnotiz. Später, als unter der Besatzung und Kollaboration aus der Rue Rabelais die Petain-Straße wurde, weigert sich Maxime, den Judenstern zu tragen. Es sei ein Stern für die schwachen und er sei stark. Er bezeichnet sich gar als antisemitischer Jude, der nicht glaubt, dass die Franzosen ihren jüdischen Landsleuten etwas antun würden. Ihm gelingt auch die Flucht in die freie Zone Frankreichs, doch die schwelende Eifersucht seiner Frau führt zu einem tragischen Medea-Moment, das die Geschichte dieser Familie für immer prägen wird.

Eine folgenschwere Liebesgeschichte wird erzählt über Blicke, die für einen Bruchteil von Sekunden zu lang verharren, oder sich zu rasch abwenden. So dezent setzt der Film auch seine anderen Akzente, fügt minimale Verzögerungen für die großen emotionalen Momente ein. „Ein Geheimnis“ verzeichnet die unlösbare Verbindung von Vergangenem und Gegenwart in genauen und intensiven Details. Die verwobenen Bilder prägen sich ein, ohne einzulullen. So soll irritieren, dass unter den immer wieder dokumentarisch in die Handlung geschnittenen Zeitbildern ausgerechnet der Körperkult von Leni Riefenstahl in den Olympia-Träumen von Maxime aufblitzt.

„Ein Geheimnis“ ist prominent besetzt mit den Superstars Cécile de France und Patrick Bruel, mit „der Tochter“ Julie Depardieu und dem immer wieder begeisternden Mathieu Amalric („Schmetterling und Taucherglocke“). Die Musik schrieb der Komponist vom verstorbenen Polen Kieslowski, Zbigniew Preisner („Drei Farben: Blau“).

Wild Child


USA 2008 (Wild Child) Regie: Nick Moore mit Emma Roberts, Natasha Richardson, Shirley Henderson 98 Min. FSK: o.A.

Als es die verzogene Göre in Los Angeles zu weit treibt, schickt sie der Vater auf ein englisches Internat. Die 16-jährige Poppy findet dort alles furchtbar, ihr glänzender Glitterauftritt steht krass im Gegensatz zu den Schuluniformen der anderen. Poppy will nur eines - schnell weg. Doch je trotziger sie auftritt, umso mehr Freundinnen findet sie. Sogar die Schulmannschaft im Lacrosse möbelt die ignorante Amerikanerin auf. Doch als sie endlich akzeptiert ist und sich angepasst hat, droht eine Intrige sie von der Schule zu werfen.

„Wild Child“ ist ein braves Besserungsfilmchen für aufmüpfige Teenager - doch wirklich aufmüpfige Teenager werden sich diesen Film nicht ansehen. Er ist in der Handlung eher trivial, nicht besonders originell, aber wenigstens anständig inszeniert. Die anfangs wilde, später rührende Story bietet einen Mix aus richtigen und Abziehfiguren. Julia Roberts' Nichte Emma beeindruckt darin als Hauptdarstellerin nicht besonders. Mehr Substanz hat etwa Natasha Richardson als Direktorin. Doch für junge Mädchen wird „Wild Child“ bis zur großen Solidaritätsszene für etwas Spaß und reichlich Wohlgefühl sorgen.

15.12.08

Lakeview Terrace


USA 2008 (Regie:    Neil LaBute) mit Samuel L. Jackson, Kerry Washington, Patrick Wilson 111 Min. FSK: ab 12

Der San-Andreas-Graben durchzieht Kalifornien von Nord nach Süd und sorgt für Spannungen in der Erdkruste, sowie in Folge immer wieder für Erdbeben. Andere Verwerfungen - die in der amerikanischen Gesellschaft - sorgen ebenfalls für Spannungen an der Westküste der USA, das zeigen Filme wie „Crash“ oder Altmans „Short Cuts“ auf exzellente Weise. Nicht in die Kiste „Meisterwerke“ gehört „Lakeview Terrace“, aber dank einiger Klasse bei Schauspiel und Skript gerät das Nachbarschaftsdrama nicht zu schnell auf die Schiene trivialer Gewalt (-filme).

Lisa und Chris Mattson (Kerry Washington, Patrick Wilson), ein frisch vermähltes und verliebtes Paar ziehen in ihr neues Luxushaus im wohlhabenden Viertel Lakeview Terrace in der Nähe von Los Angeles. Die Freude an den eigenen vier Wänden, dem Pool und dem großartigen Ausblick wird schnell vom Nachbarn Abel Turner (Samuel L. Jackson) gestört. Der irritiert mit kleinen Gemeinheiten und grellen Sicherheitsscheinwerfern in der Nacht. Dass Lisa eine Schwarze und Chris weiß ist, kann eigentlich nicht der Grund für die Vorbehalte sein, auch Abel hat schwarze Haut. Der wohlhabende Yuppie Chris kann sich gegen den vor Gewalt und Selbstbewusstsein strotzenden Polizisten Abel nicht mal im nachbarlichen Gespräch durchsetzen. Eine Demütigung, die Abel sichtlich auskostet. Zudem hat er immer das letzte Wort: „Sie können ja die Polizei rufen. Ich weiß, wer gerade Dienst hat“. Es beginnt ein raffiniertes psychologisches Spiel namens Nachbarschaftskrieg, wobei der Provokateur sich selbst oft nicht im Griff hat. Ein Spiel mit tödlichem Ausgang.

In „Lakeview Terrace“ kommt eine Vielzahl von Konflikten und Spannungen zusammen: Schwarz und Weiß, Mann und Frau, reich und Polizei-Einkommen, liberal und moralisch, entspannt und engstirnig, hoffnungsvoll und frustriert
Demokraten und Konservative. Diese Bruchlinien verlaufen nicht nur längs der Grundstücksgrenzen. Auch Lisa und Chris treibt es auseinander. Ihr Vater hat ihnen ein Haus gekauft, respektiert aber nicht den Schwiegersohn.

Während auf der gegenüber liegenden Seite des Tales einer der kalifornischen Waldbrände wütet, könnte der Nachbarschaftsstreit in einen billigen Actionfilm ausarten oder nach Nachmittags-TV aussehen. Nur die ordentlich aufgebaute Geschichte und Samuel L. Jackson als beängstigend guter Darsteller machen „Lakeview Terrace“ ansehbar. Zwischen Psychopath und bedauernswertem Opfer ist Abel kein Hüter seines Nachbarn, und wenn man den Namen biblisch und bildlich sieht, scheint Abel diesmal der Täter zu sein. Diese Ambivalenz bleibt bis zum Ende, das nach einem kurzen Actionfinale nur vermeintlich brutale Selbstjustiz vollzieht. Wenn man wirklich die Möglichkeiten und verpassten Chancen abwägt, ergibt sich ein bitterer, ungerechter Sch(l)uss.

10.12.08

The Women - Von großen und kleinen Affären


USA 2008 (The Women) Regie: Diane English mit Meg Ryan, Annette Bening, Eva Mendes, Debra Messing, Jada Pinkett Smith, Bette Midler, Candice Bergen 114 Min. FSK o.A.

Noch ein Remake, aber diesmal so unnötig wie der gesamte Kram in den Shopping-Taschen einer frustrierten Frau. Womit wir bei den Klischees wären, und die bietet der Film im Übermaß. Er besteht eigentlich nur aus Klischees. Und da die auch nicht besonders überzeugend spielen, kann man das Filmchen ebenso vergessen wie die Modekapriolen vom vergangenen Jahr.

Von George Cukors noch immer aktuellen Original „The Women“ (Die Frauen) aus dem Jahre 1939 wurde die Idee übernommen, dass im gesamten Film kein Mann zu sehen ist. Und die Figuren, die Handlung sowie viele Szenen. Trotzdem ist das Original ein Spaß, ein Genuss mit Biss und Weisheiten. Das Remake ist ... nichts.

Mary (1939: Norma Shearer / 2008: Meg Ryan) erfährt vom Betrug ihres Götter-Gatten Stephen. Der wurde von der „femme fatale“ Crystal (raffiniert: Joan Crawford / simpel: Eva Mendes) verführt. Doch mit Hilfe der Freundinnen nimmt Mary nach etwas Jammern den Kampf um das eigenen Leben auf. Von Mary bis Crystal sind alle Figuren völlig überzeichnet, aber lassen darin den Kern von Wahrheit vermissen, der bei Cukor die überzogene Oberflächlichkeit der Modewelt ausglich. Marys Workaholic-Freundin etwa ist heutzutage so arrogant, dass es sie gar nicht interessiert, ob ihre Gemeinheiten ankommen. Frauen, weit über den Rand des Nervenzusammenbruchs. Oder: „Sex and the City“ auf uninteressant gedreht. Zu betrauern ist auch der Niedergang von Meg Ryan, die nicht nur eine verlorene Gattin spielt, sondern immer in der Rolle verloren bleibt und mit ihren nun albernen Manierismen und den furchtbar aufgeblasenen Lippen keinen Moment interessiert.

9.12.08

Transsiberian


GB, BRD, Spanien 2007 (Transsiberian) Regie: Brad Anderson mit Woody Harrelson, Emily Mortimer, Kate Mara, Ben Kingsley 111 Min. FSK: ab 16

"The Machinist" von Brad Anderson war eine Sensation: Ein extremes Psychogramm mit einem extremen Christian „American Psycho“ Bale  in der extremen Hauptrolle. Nun spielt der Maschinist gar nicht mit, oder man sieht nicht, wie er die Transsibirische Eisenbahn befeuert. Was die Geschichte von zwei amerikanischen Touristen antreibt, ist etwas ganz anderes, immer wieder als Genre oder Klischee Bekanntes. Doch die Bilder und vor allem das Schauspiel von Emily Mortimer und Ben Kingsley machen die Fahrt interessant.

Roy und Jessie, ein amerikanisches Paar, fährt nach erfolgreicher Missionsarbeit in China mit der „Transsibirischen“ in Richtung Westen. Auf dem Weg nach Moskau hören sie zuerst ahnungsvolle Geschichten von Korruption und Verbrechen. Dann teilen sie das Abteil mit dem jüngeren Pärchen Abby und Carlos. Der Latino ist ganz platt der unsympathische Tunichtgut und Verführer. Es ist nicht viel von ihm zu erwarten, oder genauer: alles Üble kommt in Folge von ihm. Er spielt mit dem Pärchen und sie lassen sich fragwürdig leicht verführen. Jessie, die einstige Trinkerin, die nun für eine Freikirche missionierte, ist zerrissen zwischen „chica mala“ und bravem Mädchen. Die interessante Frau spürt immer noch eine Unruhe, obwohl sie jetzt mit dem Langeweiler Jessie zusammen lebt. Als der den Zug nach einer Pause verpasst, als sich Carlos als Drogenschmuggler und Vergewaltiger zeigt, beginnt ein Drama, das mit Toten und einem großen Zusammenstoß endet.

Maschinist Brad Anderson sorgt für eine planmäßige Fahrt auf bekannten Genregleisen. Eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen, spannende faltige und urige Gesichter lockern den Thriller auf, der auch ein Härtetest für eine problematische Beziehung wird. Inszenatorisch wird die Stimmung im Zug aufgenommen, aber es gelingen nur ein paar besondere Momente, etwa wenn Carlos in einer verlassenen Kirche den verwitterten Ikonen gleicht. Harrelson gibt einen Langeweiler, den man schon nach wenigen Minuten nicht mehr sehen will. So werden Jessies Abwege verständlich. Emily Mortimer fasziniert hingegen als gebrochene Figur. Als Fotografin schaut sie genauer hin, wie Blicke überhaupt eine gute Rolle spielen. Mortimer kann mit ihrer Mimik immer wieder fesseln. Man fragt sich, ob sie nicht unterfordert war. Zumindest Ben Kingsley als zwielichtiger russischer Kommissar hält ihr stand.

Der Tag an dem die Erde stillstand


USA 2008 (The Day the Earth Stood Still) Regie: Scott Derrickson mit Keanu Reeves, Jennifer Connelly, Kathy Bates 103 Min. FSK: ab 12

"Wieso dieses Remake?" ... wird niemand fragen! Der Science Fiction „Der Tag an dem die Erde stillstand“
über den verantwortungslosen Umgang der Menschen mit ihrer Erde kommt nach über 55 Jahren mit perfektem Timing ins Kino. Auch weil die mit einfachen Emotionen und großen Effekten bewegende Story um den "Alien" Keanu Reeves in Frage stellt, ob es noch kurz vor 12 oder schon zu spät ist.

Erst taucht dieses Objekt in der Tiefe des Alls auf und dann geht alles ganz schnell. Nur Minuten bleiben Politikern, Militärs und Wissenschaftler, sich auf einen katastrophalen Einschlag mitten in Manhattan vorzubereiten. Die Bevölkerung gibt man direkt verloren, der Präsident taucht unter und niemals wieder auf. Das ähnelt alles den Geschichten und Filmen über Invasionen vom Mars und anderswo. Doch die kleinen Details, wie Menschen miteinander umgehen, wie Regierungen sich um ihre Bevölkerungen kümmern, gewinnen angesichts der späteren außerirdischen Gretchenfrage reizvoll an Bedeutung. Anfangs, nachdem statt des Einschlages eine riesige, leuchtende Kugel im Central Park New Yorks landet, steht die Frage zentral, wie wir mit Fremden umgehen.

Hier qualifiziert sich die Wissenschaftlerin Dr. Helen Benson (Jennifer Connelly) als Hauptfigur der Geschichte: Während alle anderen sich erschreckt auf den Boden werfen oder erstmal schießen, bevor sie Fragen stellen (große amerikanische Tradition!), geht Helen auf den Fremden zu, reicht ihm die Hand. Klaatu nennt sich der Botschafter in Menschengestalt. Oder besser: in Gestalt von Keanu Reeves, der ja in seinen Rollen irgendwo zwischen Erlöser und Außerirdisch, oder zumindest Abgehoben schwebt. Klaatu kommt wie ein Kind auf unsere Welt, lernt schnell und wächst mächtig. Der US-Regierung (böse: Kathy Bates), die ihn als Forschungsobjekt zerschnibbeln und dann foltern will, entflieht er mit Hilfe von Helen. Die rätselt zwar über die Absichten des seltsamen Botschafters, begleitet ihn aber auf seiner Reise. Tatsächlich will Klaatu die Erde retten, aber nicht mit, sondern vor den Menschen. Ein riesiger Roboter wartet auf den Befehl zur Zerstörung der Menschheit und ihrer perversen Schöpfungen. Nur Helen und ihr kleiner Stiefsohn Jacob Benson (Jaden Smith) könnten den radikalen Umweltretter noch bewegen, den Menschen die Fähigkeit zum Lernen und zur Veränderung zuzutrauen...

„Der Tag an dem die Erde stillstand“ fühlt sich als rührendes Zukunftsmärchen sehr gegenwärtig an! Noch mehr als die Umweltverschmutzung und der Raubbau werden in der us-zentristischen Perspektive die beschränkten Politiker und Militärs vorgeführt. Sie verhalten sich genauso kindisch wie das trotzige Kind Jacob, das auch erst mal den Fremden erschießen will. Helen Benson hingegen lebt bis in die nicht gezeigte Biografie hinein, Vertrauen, Offenheit und ein sehr großes Herz vor. Connelly hält mit dieser Figur sogar neben Keanu Reeves, der minimalistischen Matrix für große Bedeutungen, stand. Dass der im Computer designte Gigant Gort und all die gewaltigen Effekten des teuren Films mit den kleinsten menschlichen Regungen harmonieren, macht den Film gelungen. Und lässt zumindest für den Fortbestand guter Blockbuster hoffen. Das mit der echten Erde ist leider keine einfache Hollywood-Geschichte mit eingebautem Happy End.

2.12.08

Vicky Cristina Barcelona


USA 2008 (Vicky Cristina Barcelona) Regie: Woody Allen mit Scarlett Johansson, Penélope Cruz, Javier Bardem 96 Min. FSK: ab 6

Allen Unkenrufen und auch "Casandras Traum" zum Trotz kann Woody Allen es doch noch. Man sagte ihm schon nach, er würde wieder in Spanien drehen, nur um dort lokale Produktionsgelder abzuschöpfen. Doch Barcelona hat den filmischen Exil-New Yorker derart inspiriert, dass es die Stadt völlig verdient, in den Titel der ebenso lustvollen wie hintersinnigen Liebes-Komödie "Vicky Cristina Barcelona" aufgenommen zu werden.

Ihr Leben ist ebenso geregelt wie die baldige Hochzeit: Vicky (Rebecca Hall) hat den richtigen Mann, der täglich zur Arbeit geht und gut Geld nach Hause bringt. Vor der Hochzeit mit dem New Yorker Geschäftsmann will sie noch einmal mit der Freundin Cristina (Scarlett Johansson) brav einen Ausflug nach Barcelona zu genießen. Doch dann der große Auftritt von Antonio (Javier Bardem)! Der Latin Lover und Künstler fragt die jungen Frauen im Restaurant unverfroren und eindeutig, ob sie das Wochenende mit ihm verbringen wollen. Cristina ist gerade zwischen zwei Beziehungen und hätte nichts dagegen, während sich Vicky pikiert und steif an ein wenig Alkohol festhält.

Es kommt, wie es kommen muss und doch ganz anders: Cristina ist völlig besoffen bald aus dem Rennen und Antonio interessiert sich plötzlich sehr zurückhaltend für Vicky. Das hinterlässt Spuren und eine zweifelnde Verlobte. Wie all diese Verwirrten ihre Gefühle zu verstecken glauben und doch unübersehbar zeigen, ist eines der großen Vergnügen an diesem Woody Allen. Ein anderes der Genuss, mit dem er nicht nur seine Figuren, sondern auch immer wieder die Zuschauer in die Irre führt. Denn während Vicky halbwegs heimlich nach Antonio schmachtet und Gewissensbisse pflegt, geht Cristina schnell zum Angriff über und schnappt sich den unglücklich verliebten Spanier. Sie zieht glücklich verliebt zu ihm ins traumhafte Atelier und alles läuft so gut wie eine Zwischenlösung sein kann, bis Antonias wahnsinnige Liebe in Form von María Elena (Penélope Cruz) über alles hereinbricht. Nun knistern die Kinopolster vor Erotik, die Fetzen fliegen vor Leidenschaft ebenso wie die Messer. Die blasse Cristina, der vormalige Vamp, tut einem in diesem aufschäumenden Bermuda-Beziehungsdreieck plötzlich richtig Leid und Vicky weiß gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht.

„Vicky Cristina Barcelona“ - zeigt überraschend gut und spritzig Leidenschaften und Lachen,  Liebe und Leiden. All diese pursten Zutaten eines menschlichen und komischen Beziehungsdramas bringt Woody Allen auf den Punkt und die Leinwand. Bardem und Cruz als wahnsinnige Lover sind atemberaubend gut. Gänzlich entgegengesetzte Vorstellungen von Liebe beweisen die Weisheit, diese Dinge nie begreifen zu können. New York bekommt in Person eines furchtbar langweiligen Zukünftigen viele Spitzen des beleidigten New Yorkers Allen ab. Mit Scarlett Johansson als Salz in der scharf kochenden Liebessuppe lotet der Altmeister der intellektuellen Komödie noch einmal reizend und durchaus mit ernstem Hintersinn Varianten von Liebe und Sexualität aus.

Quarantäne


USA 2008 (Quarantine) Regie: John Erick Dowdle mit Johnathon Schaech, Jennifer Carpenter, Joey King 89 Min. FSK: ab 16

Weshalb die Spanier immer wieder wirklich gute und vor allem originelle Horrorfilme produzieren, bleibt ein spannendes Rätsel. Weshalb in einem ganz normalen Wohnhaus ein Virus ausbricht, blieb im Original mit dem Titel "[Rec]" auch lange ein Geheimnis. Das amerikanische Remake kam vor allem schnell, kaum ein Jahr nach der spanischen Vorlage. Dafür geht es gröber und offensichtlicher zu Werke. Doch wer das kleine, aber äußerst effektive, raffinierte und heftige Horror-Gesellenstück von Jaume Balagueró und Paco Plaza verpasste, sich von heftigen Schrecken nicht abschrecken lässt, wird sich gerne in diese "Quarantäne" begeben.

Der Anfang riskiert es, Zuschauer zu verlieren: Absichtlich flach kommt der TV-Bericht über den Dienst einer Feuerwehrstaffel nachts und live aus einer Feuerwache in San Francisco. Die zotige Führung durch Garage, Kantine und Hinterzimmer langweilt nicht nur die Moderatorin. Als dann der lang erwartete Einsatz kommt, kann sie es kaum erwarten. In einem mehrstöckigen Wohnhaus habe eine alte Frau in ihrem Appartement geschrien. Nach Aufbrechen der Tür irritiert die verstörte Dame im blutigen Nachthemd - ein paar Momente. Dann fällt sie rasend einen Polizisten an und die Zombie-Fütterung kann beginnen. Denn Hilfe kommt nicht mehr, das Haus wurde wegen biologischer Kontaminierung verschlossen und steht unter Bewachung von Scharfschützen. Und in den unübersichtlichen Winkeln greift die Epidemie heftig um sich. Die Bedrohung steigert sich schnell, bis nur noch Flackerlicht, Wackelkamera, Blair Witch-Effekte und Panik übrig bleiben. Das wirkt sehr simpel, ist aber schrecklich effektiv. Bis zum vollen Einsatz der subjektiven Kamera - als Waffe gegen die Zombies.

"Quarantäne" wirkt in allen Belangen wie eine Billigversion von "[Rec]", ist offensichtlicher und nicht so schreckhaft. Und dies obwohl die meisten Szenen identisch nachgedreht wurden. Weshalb das Original "[Rec]" keine Jugendfreigabe erhielt und das Remake schon ab 16 zu genießen ist, bleibt auch ein Rätsel. Zumindest die amerikanische Originalversion ist nicht weniger blutig oder brutal. Vielleicht nicht so raffiniert im Erschrecken. Oder die Einschnitte für den deutschen Markt haben wieder für eine Verstümmelung des Originalwerkes gesorgt.

Madagascar 2


USA 2008 (Madagascar: Escape 2 Africa) Regie: Eric Darnell, Tom McGrath 90 Min. FSK: o.A.

DreamWorks' Wildes Tierleben - das war 2005 eine Sensation in Sachen Zeichentrick-Humor und ein Kassenhit zudem. Nun startet das tierische Quartett aus Löwe Alex, Zebra Marty, Giraffe Melman und Nilpferd Gloria zu einer weiteren Bruchlandung - und sie haben den überdrehten Spaß noch immer im Blut oder in der Farbe der Computer-Animation. Geschickt vermeiden sie Wiederholungen und lassen doch all den beliebten üblichen Verdächtigen und den Affen Zucker geben. Bis zu den unglaublich suspekten Pinguinen.

Wie ein großes, mehrteiliges Kino-Epos verdient auch "Madagascar" sein "Prequel", das erzählt "Was vorher geschah ...": Die dramatische Kindheit von Alex nämlich! Der Star des Zoos von New York hinterließ seine ersten Pfotenabdrucke im afrikanischen Savannen-Sand. Unter den wachsamen Augen seines Vaters, des Königs der Löwen. Wachsam, aber auch skeptisch. Denn die ballettartigen Tanzschritte des niedlichen Juniors irritierten den liebevollen Kraft-Papa schon etwas. Doch als dieser mal wieder unlustig seinen Rang verteidigen musste, lockten Wildräuber den kleinen Alex aus dem Reservat und nach einer abenteuerlichen Reise landete er unter den Menschen der Ostküsten-Metropole.

Nach diesem mutigen Sprung direkt in die Action-Handlung fasst "Madagascar 2" rasant zusammen was danach und was beim letzten Mal passierte. Beim Kritiker macht sich angesichts dieser Erzähl-Ökonomie Erleichterung breit - denn mit Wiederholungen füllen andere Fortsetzungen gerne mal den ganzen Film. Diese Erfolgsfolge ist jedoch so frisch, sie könnte auch "Serengeti 1" heißen.

Spätestens wenn die durchgeknallten Lemuren auf Madagascar mit ihrem wahnsinnigen Grinsen in die Kamera blicken und die mysteriösen Pinguine das Ruder eines Flugzeuges übernehmen, ist das herrliche Humorgefühl wieder da. Hier werden Tiere nicht nur so vermenschlicht, dass man ihnen statt Futter gleich reihenweise Oscar-Trophäen zuwerfen möchte. Die überdrehten Charaktere drehen die Evolution gleich noch eine Stufe weiter, die Spaß-Evolution vor allem.

Mittels einer Riesen-Flitsche startet der Jumbo mit dem Löwen Alex, Zebra Marty, Giraffe Melman und dem Nilpferd Gloria von Madagascar in Richtung Heimat, in Richtung New York. Doch da die zu Recht recht arroganten Pinguine in der Steuerkanzel mit anderen Dingen beschäftigt sind, gibt es eine Bruchlandung irgendwo in Afrika. Gelegenheit für die Zoo-Helden, ihre Wurzeln auszugraben, oder „Roots“ wie Marty in einem der vielen gesungenen und eingeflochtenen Medienzitate treffend erwähnt. Alex tanzt sich mutig zum König der Löwen, Gloria und Melman finden überraschend ihre Liebe, während Marty sich selbst findet - in ein paar hundert identischen Zebras.

Die Mimik der Haupthelden überzeugt wieder einmal, ansonsten streben die Zeichnungen gar nicht nach der Perfektion vom Konkurrenten Pixar. Umwerfend sind allerdings die verrückten Nebenfiguren. Der überkandidelte Lemurenkönig Julien (im Original gesprochen von „Borat“ Sacha Baron Cohen) und noch schärfer die Pinguintruppe, die diesmal mit einer Horde Schimpansen in die verrücktesten Situationen gerät.