30.4.07

Workingman's Death


BRD, Österreich 2005 (Workingman's Death) Regie: Michael Glawogger 126 Min. FSK 16
 
Bei Glawoggers Dokumentationen "Megacities" und "Working Mans Death" sieht man betörende Bilder, mitreißende Montagen und berauschende Musikhintergründe zum Elend der Welt. Passt nicht so ganz zueinander, fanden einige. (Und können in Glawoggers Spielfilm "Slumming" eine Figur sehen, die im gleichen Dilemma steckt.)
 
Der an "Powaqqatsi" erinnernde Elends-Reisetrip "Megacities" von Michael Glawogger zeigte eine ästhetisch durchkomponierte Weltreise zu den gewaltigen Mega-Städten unserer Zeit und zu einigen Menschen, die dort an den großen Rändern der Armut überleben. In Bombay, Moskau, Mexiko und New York führte uns die Kamera oft sehr reizvoll Exoten und Außenseiter vor. Das erzählt nur fragmentarisch etwas über die jeweiligen Menschen und ihre Umstände und ruft den Vorwurf "Voyeurismus" hervor.
 
In fünf Kapiteln und einem Epilog folgt Michael Glawogger nun in "Workingman's Death" den Spuren körperlicher Schwerstarbeit. Da sind die aberwitzig mutigen, auf eigene Faust schürfenden Arbeiter in illegalen Minen der Ukraine. Sie passen kaum zwischen die Felsen und zynisch könnte man vom "Gürtel enger schnallen" reden, denn in diesen ausgelutschten Bergbau-Resten ist nicht viel zu holen. Dann in einem Rausch aus giftig-gelben Nebeln die Schwefelarbeiter in Indonesien. Sie würden wahrscheinlich bei jeder sportlichen Höchstleistung mithalten, schleppen aber Tag für Tag die Schwefelbrocken aus höllischen Tiefen auf Bergkuppen, wo die Touristen mit den Kameras warten. Im Blut und verbranntem Fleisch stecken die Arbeiter auf in einem Schlachthof in Nigeria. Kaum erträgliche Szene belegen effektive Arbeitsteilung im Zerteilen und Verarbeiten von Tieren. Eindrucksvoll gigantisch dann die gestrandeten Ozeanriesen in Pakistan. Zahllose billige Arbeiter zerschneiden den Stahl und man kann sich gut vorstellen, dass keiner Pause macht, wenn mal eine haushohe Schiffwand zu früh herunterdonnert. Nach diesen exotischen und fast archaischen Ansichten von Ausbeutung und Kapitalismus, nach einem Seitenblick auf den Ruhr-Emscher-Park, der zum Kultur- und Spielplatz wurde, geben einem chinesische Stahlarbeitern den Rest: Sie stehen in den Startlöchern, um das ganze Elend zu wiederholen.

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Frankreich 2005 (La Tourneuse de Pages) Regie: Denis Dercourt mit Catherine Frot, Déborah François, Pascal Greggory, Clotilde Mollet, Xavier de Guillebon, Antoine Martynciow 85 Min.
 
Ein kleines, gemeines Stückchen aus Frankreich. Ein Rachefilm - aber kein Hauch vom amerikanischen Rot-Sehen. Im Gegenteil: "Das Mädchen, das die Seiten umblättert" kommt nüchtern bis harmlos daher, hat aber die Finesse eines Chabrol-Krimis. Vor allem Dieter Bohlen sollte diesen Film sehen.
 
Viele junge Mädchen huschen angespannt durch die Gänge. Ein Klavierwettbewerb. Nur Melanies fiel schon zuhause mit einer erschreckenden Entschlossenheit auf. Als dann der Piano-Star Ariane als Jurorin sich ausgerechnet bei Melanie von einem Autogrammwunsch ablenken lässt, kommt das junge Mädchen nie mehr zu ihrem Spiel. Traurig räumt sie die Beethoven-Figur weg, klappt das Piano zu.
 
Jahre später sieht man Melanie als stille, aber sehr effektive Praktikantin beim Anwalt Jean (Pascal Greggory, "La Vie en Rose"). Vereinsamt und verschlossen geht die junge Frau ihren Aufgaben nach. Zufällig ergibt sich ein Ferienjob beim Chef, der - Überraschung - mit Ariane verheiratet ist, die ihre Karriere zerstört hat. In der Zusammenfassung klingt es viel offensichtlicher, als es der reizvolle Film erzählt. Die Möglichkeiten der Rache liegen offen, aber Melanie spinnt ein unheimlich feines Netz. Sie setzt Arianes Sohn Tristan mit einem immer schnelleren Metronom und Bach unter Druck. Sie erhält höchstes Vertrauen, als einzige darf sie die Noten des Stars beim entscheidenden Konzert umblättern. Und erwischt ihn genau da, wo er fehlte: Beim Narzissmus. Ein gut getimter dreifacher Stich mit bachscher Komplexität steht am Ende einer perfekten Ausführung. Dabei kann man die Winkelzüge dieses unergründlichen Wesens fasziniert verfolgen, auch wenn man weiß, worauf es hinaus läuft.

25.4.07

Little Children


USA 2006 (Little Children) Regie: Todd Field mit Kate Winslet, Patrick Wilson, Jennifer Connelly 136 Min. FSK: ab 16
 
Die Stereotypen des us-amerikanischen Films öden meist mit ihren immergleichen Geschichten an: Von dem Highschool-Horror bis zur Familien-Komödie. Manchmal jedoch zeigt man uns echte Menschen, deren Lieben und Leiden universell berührt. "Little Children" ist so ein Glücksfall mit Kate Winslet in einer der Hauptrollen.
 
Die Erzählerstimme liefert eine kühle, nüchterne Analyse der Familienleben einer amerikanischen Vorstadt - wie ein Ethnologe, denkt Sarah (Kate Winslet), während sie völlig desinteressiert ihre Zeit auf dem Spielplatz absitzt. Die drei Mustermütter neben ihr, brave Bürgerinnen, wollen den Exhibitionisten kastrieren, der in ihr Viertel zog. Gleichzeitig geifern sie dem einzigen Mann nach, der sich hier um sein Kind kümmert. Brad (Patrick Wilson) will sein Jurastudium nicht abschließen und seine Frau Kathy (Jennifer Connelly) hat seit Monaten einen anderen im Bett - ihr kleiner Sohn Aaron liegt zwischen dem Paar, das keine Sexualleben mehr hat. Gleichzeitig kontrolliert Kathy, die das Geld reinbringt, seine Ausgaben. Gründe genug, um sich aus dieser lieb- und freudlosen Welt in eine Affäre zu stehlen. Einsamkeit zwingt zur verbotenen Suche nach Seelenverwandten, nach wenigstens einem Menschen, der einen versteht, seelisch und körperlich.
 
Dass diese unschuldige Flucht über Umwege dramatische Folgen hat, könnte als konstruierte Moral des Films gesehen werden. Doch wie das Schicksal hier Haken schlägt, raubt einem dem Atem. Der Ex-Wachmann Larry verdrängt die eigenen Probleme, indem er mit den "Guardians" Football spielt und den angeblichen Sittenstrolch Ronnie terrorisiert. Ein engstirniger Frauen-Lesekreis zerstückelt Madame Bovary als zu depressiv, unlesbar. Und verurteilt in diesem Spiegel die noch heimliche Affäre von Sarah. Die Verbindungen der Geschichten sind vielfältig und man kann sich fragen: Was bedroht die Kinder, die kleinen und die großen, wirklich? An den Erwachsenen nagt die Sehnsucht nach dem Glück, das zuletzt in Kindertagen empfunden wurde. So sieht Brad stundenlang den jugendlichen Skatern zu. Zusammen mit Sarah knutscht er im Mittelkreis des Spielfeldes. Nicht nur die Musik erinnert dabei an "American Beauty". Schauspieler Todd Field inszenierte seinen zweiten Spielfilm nach "In the Bedroom" (2001) mit einer Klarheit der Bilder, die fast hyper-realistisch wirkt. Darin zeigt sich deutlich, das was die Kinder wirklich verstört sind durchgeknallte Wachmänner und Eltern, die ein freudloses Leben nicht mehr ertragen.

24.4.07

Lieben und lassen

Lieben und lassen
 
USA 2006 (Catch and Release) Regie: Susannah Grant mit Jennifer Garner, Timothy Olyphant, Sam Jaeger 112 Min. FSK: o.A.
 
Nach dem Tode ihrer großen Liebe erfährt Gray (Jennifer Garner) von vielen unbekannten Seiten ihres geliebten Verlobten Grady. Ein dickes Konto, eine Geliebte, ein Kind. Man weiß halt nie, wer da neben einem liegt. Bei der Trauerfeier versteckt Gray sich verloren in der Badewanne, muss dort aber miterleben, wie Gradys bester Freund Fritz (Timothy Olyphant) eine Blondine auf der Kommode vernascht. Lachen und Weinen gehen wunderschön zusammen, wenn es richtig gemacht ist. Und "Lieben und lassen" ist eine stille Liebeskomödie mit einer sympathischen kantigen Hauptdarstellerin.
 
Die Trauer hält sich arg in Grenzen, dafür sorgen auch Grays zwei alberne Freunde Dennis und Sam (Kevin Smith), die eigentlich Dick und Doof Verliebt heißen könnten. Dogma-Regisseur Kevin Smith kommt dabei etwas gemäßigter (und redseliger) daher als bei seinen eigenen Filmen in der Rolle des Silent Bob. So kitzelt eher das Lachen die Tränchen hervor, allerdings immer mit einem melancholischen Unterton.
 
Regisseurin Susannah Grant war die Drehbuch-Autorin von "Erin Brockovich" und die Figur der kantigen, komischen, aber auch gefühlvollen Gray ähnelt der von Julia Roberts. Erneut zeigt sich, dass beim "Alias"-Star Jennifer Garner schon das Gesicht ein Schauspiel-Talent ist. Das Finale am kalifornischen Strand ist dann wieder zu schön um wahr zu sein, aber dafür geht man ja ins Kino.

Inland Empire


USA, Polen, Frankreich 2006 (Inland Empire) Regie: David Lynch mit Laura Dern, Jeremy Irons, Harry Dean Stanton 180 Min. FSK: ab 12
 
Filme von David Lynch sind rätselhafte Abgründe. Das Ohr im Gras von "Blue Velvet", das erzählerische Möbius-Band von "Lost Highway", das Böse in faszinierend verrückter Serienform von "Twin Peaks", die zwei Leben einer Schauspielerin am "Mulholland Drive". Und jetzt wieder eine Schauspieler, ein Dreh, ein Traum und erneut weiß man nicht, was ist was. Doch etwas ist anders bei diesen drei Stunden, die eindeutig Lynch, aber doch so gar nicht Lynch sind. De Regisseur experimentierte immer mit neuen Formen des Bildes, in den letzten Jahren auch mit neuen Formen des Filmvertriebs. Kurzfilme wurden im Abo im Internet angeboten. Und nun ein Kinofilm, der digital gedreht wurde. Vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass "Inland Empire" ein Lynch-Film ist, der wirkt, wie das Werk eines Filmhochschülers, der Lynch imitiert. Vielleicht brauchen die Verwirrungen, die Abgründe dieses einzigartigen Erzählers die Tiefe eines echten, altmodischen Kinobildes, um zu wirken, um die Aufmerksamkeit mitzunehmen in das Lynch-Labyrinth. Bei "Inland Empire" gelingt das leider nicht und viele Lynch-Fans gehen ganz anders verstört aus dem Kino.

Die Hochstapler


BRD 2006 Regie und Buch: Alexander Adolph Musik: Dieter Schleip 87 Min.
 
Vier Hochstapler erzählen vor der Kamera, wie sie belogen, betrogen und manipuliert haben. Das reißt als Ankündigung nicht vom Hocker. Doch Alexander Adolph, der ausgezeichnete Autor vieler Fernsehfilme, schafft es in seinem Kinodebüt als Regisseur mit unglaublichen Geschichten zu fesseln.
 
Torsten S., Marc Z., Peter G. und Jürgen H. reden. Sie reden davon, wie sie anderen viel Geld abgeluchst haben und sich letztendlich um Kopf und Kragen geredet haben. Die Rollen sind dabei vertauscht: Der unkenntlich als Schatten aufgenommen wurde, ist nicht der Verbrecher, es ist das Opfer. Die Täter bekommen gutes Licht und die volle Aufmerksamkeit der Kamera.
 
Dabei wirkt es gleichermaßen erschreckend und amüsant, wie leicht es anscheinend ist, den Leuten das Geld aus der Tasche zu leiern. Und es war nicht wenig Geld, nicht umsonst nennt man sie Millionenbetrüger. Ihr Geschichten sind so gut, dass man zwischendurch zweifelt: Ist das jetzt wirklich eine Dokumentation oder ist alles getürkt, fallen nur wir auf die Trickser rein.
 
Das an sich nicht besonders sensationelle Thema präsentiert sich in der Dokumentation äußerst spannend. Aber das ist bei Alexander Rudolph nicht überraschend, weil er schon für seine Tatort-Bücher Grimme-Preise erhalten hat. Auch die Musik ist ausgezeichnet: Es ist ungewöhnlich, dass ein Dokumentarfilm mit einem ausgeklügelten symphonischen Score aufwartet. Für "Die Hochstapler" komponierte Dieter Schleip, einer der renommiertesten Filmkomponisten Deutschlands.

Der Fluch der goldenen Blume


VR China 2006 (Man cheng jin dai huang jin jia) Regie: Zhang Yimou mit Gong Li, Chow Yun-Fat, Jay Chou 114 Min. FSK: ab 12
 
In China ist alles etwas mehr, etwas größer. So erhält auch der Begriff Monumentalfilm durch "Fluch der goldenen Blume" neue Dimensionen. Der ehemalige Autorenfilmer Zhang Yimou legt nach "House of Flying Daggers" und "Hero" wieder eine Großproduktion hin, bei der man Groß mit Großbuchstaben schreiben muss. Dagegen wirkt Bertoluccis Spektakel "Der letzte Kaiser" an der gleichen Stätte der Verbotenen Stadt wie ein menschenarmes Kammerspiel. Der teuerste chinesische Film bis jetzt glänzt golden und bunt. Doch vor allem in der Welt der Illusionen ist nicht alles Glänzende echtes Gold.
 
Das Vorspiel voller Erwartung: Ein Hochzeremoniell für den heimkehrenden Kaiser. Nicht nur die Gemahlin, gleich hunderte Frau schminken, pudern sich, legen edle Gewänder an. Alles eindrucksvollst - als dann auch das Gesicht von Gong Li die Leinwand füllt, ist die erste Gänsehaut angesagt. Ihre Herrscherin und Gefangene des Hofes zittert beim Anlegen der Goldbrosche, stickt mit unsicheren Fingern an einer goldenen Blume. Vergiftet von Eifersucht, Ekel gegenüber dem Mann und Herrscher sowie von dessen "Medizin", die eigens mit tödlichen Mittelchen präpariert wird. Doch ebenso unsicher wie tapfer schreitet die Kaiserin zum Empfang. Denn seit langem hat sie ein Verhältnis mit dem ältesten Sohn des Kaisers, dem Kind ihrer Vorgängerin. Da wo es ödipal wirkt, ist es moralisch ganz harmlos und staatlich lebensgefährlich. Doch in anderen Betten droht Blutschande.
 
Derweil schleifen sich Vater und Sohn draußen vor dem Palast zur Begrüßung aneinander die Schwerter ab. Ein funkensprühendes Spektakel und es wird nicht das letzte sein. Auch die wahre Mutter und ihr Sohn tasten sich bei einem Kung Fu-Kampf ab. Die gebrandmarkte und verbannte Frau verrät ihrer Konkurrentin vom mörderischen Giftplan. Zwei Frauen eint der Hass auf den Despoten. Zhang Yimou drehte also wieder ein Frauendrama wie zu den Zeiten, als er noch Kunstfilme machte?
 
Ja und Nein: Die enorme Tragik im Wirken eines grausamen Herrschers und eines noch gemeineren Schicksals verliert sich in all dem Glanz und unter dem dauernden Geheule des Chores. So ist es eindrucksvoll, erschütternd wenn sich über die Opfer ein ganzes Heer goldener Ritter hinwegstürmt. Aber auch symptomatisch. Da müssen Statistenheere den jahrelangen Hass einer arrangierten Beziehung ausspielen. Bei Schauspielern wie Gong Li und Chow Yun-Fat hätte das ohne Massenszenen vielleicht stärker sein können. Aber so haben das große und das feine Publikum etwas davon.
 
"Der Fluch der goldenen Blume" will Shakespeare sein und Kurosawas Verfilmungen des großen Dramaturgen. Das chinesische Monumental-Monster hat aber auch was von diesen Autokopien, die mit viel Popanz die geklauten Formen von Mercedes verschandeln. Dazu viele grandiose Momente mit schwirrenden Krummsäbeln, mit Heeren, die auf einem Meer von Chrysanthemen gegeneinander prallen. Fliegende Ninjas stürzen wie Krähen auf die fliehende Familie der Prinzen-Konkubine. Schwarz wie seine Ninja-Kämpfer ist das Gift, das der Kaiser seiner Frau in kleinen Dosen einflösst. Unfassbar wie nach dem großen Blutvergießen, da wo bei Hamlet nur noch Schweigen ist, die eifrigen Reinigungskräfte alles wieder herrichten, als sei nichts geschehen. Und so sitzt auch die Restfamilie zusammen. Eine letzte Konzentration für einen letzten großen Moment ohne monumentales Theater.

17.4.07

Shooter


USA 2007 (Shooter) Regie: Antoine Fuqua mit Mark Wahlberg, Kate Mara, Michael Pena 120 Min.
 
Da lässt ein US-Politiker für eine Öl-Pipeline in Afrika ein ganzes Dorf massakrieren. Da die Gerichtsbarkeit machtlos ist, bleibt nur Selbstjustiz und die Strafe lautet Tyrannen-Mord, ein Senator muss sterben. Das ist, extrem kurz gefasst, der Plot des Action-Films "Shooter". Erstaunlich, wie weit eine inkompetente Politik Drehbuchautoren treiben kann. Hollywood dreht beinah Politfilme!
 
"Shooter" beginnt mit einer dieser Dolchstoss-Legenden der Amerikaner. Von der Heimat verraten, lebt der Scharfschütze Bob Lee Swagger (Mark Wahlberg) zurückgezogen in irgendwelchen Wäldern. Kurz vorher fragte er sich, ob dieser geheime Einsatz in einem Land, mit dem ausnahmsweise kein Krieg herrscht, wohl dem Frieden diene. Da Bob ein echter Patriot ist - das heißt hier auch: ein kritischer Patriot, nimmt er doch wieder einen Auftrag an: Er soll einen Anschlag auf den Präsidenten theoretisch planen, um einen echten zu verhindern. Die vertrackte Geschichte riecht schon Meilen gegen den Wind nach Falle, auch wenn man nicht schon zehn Verschwörungs-Filme über den Kennedy-Mord gesehen hat.
 
Der aufmerksame Beobachter Bob bemerkt nicht, dass er Sündenbock sein soll. So wird der Präsident nach seiner Anleitung zur Zielscheibe, Bob selbst entkommt als vermeintlicher Mörder nur knapp der umgehenden Hinrichtung, Prinzip Lee Harvey Oswald. Wundersamerweise kann er in einer Stadt voller Polizeiwagen fliehen, taucht im wahrsten Sinne des Wortes unter. Wie einst (und demnächst wieder?) Rambo, wendet der Ex-Soldat nur seine speziellen Soldatentechniken in der Heimat an. (Falls noch jemand eines brauchte, ist auch dies ein Argument gegen Bundeswehr im eigenen Land.) Bob legt Tarn-Schminke aufs Gesicht und Zynismus in die Sprüche: Sie haben meinen Hund umgebracht - rechtfertigt seine Wut. Im Guerilla-Kampf legt der "Shooter" die Hintermänner der Verschwörung bloß und bringt sie eigenhändig zur Strecke.
 
Das ist dann etwas A-Team und McGywer aufgepeppt mit Folter und sexueller Gewalt. Die im Trend liegende politische Aussage wirkt dabei aufgesetzt und austauschbar: Das Grundprinzip der Demokratie ist, jeden der glaubt, er könne die Welt zum Besseren wandeln, umzubringen, " sagt ein Senator. "Shooter" ist keineswegs ein Politthriller wie "Blood Diamand" aber wenigstens zügig inszeniert.

16.4.07

Born to be wild


USA 2007 (Wild Hogs) Regie: Walt Becker mit John Travolta, William H. Macy, Tim Allen, Martin Lawrence 99 Min.
 
Unter echten Bikern gelten Harleys als Spießertum auf zwei Rädern. Dass sich die große Freiheit nicht mit ein paar PS kaufen lässt, dürfen vier Kumpel auf ihrem Road Trip als Mittel gegen Midlife Crisis ausleben. Wenn auch die Männer-Komödie "Born to be wild" inhaltlich etwas abgefahren daherkommt, vor allem am Anfang sorgt die gute Besetzung für viel Spaß.
 
Schon die erste Szene ist ein Knaller. Ein Knall, genauer gesagt, als Dudley beim furiosen Aufbruch aus der Vorstadtsiedlung die Briefkästen knickt und die Gärten umpflügt. Easy Rider sein, ist nicht ganz so easy mit hohen Cholesterin-Werten, Frau, Kinder und Midlife Crisis. Doug, Woody, Bobby und Dudley, alle auf ganz persönliche Weise frustriert, entschließen sich auf den Spuren der ersten Siedler und von Jack Kerouac loszufahren. Es gibt mindestens vier Gründe, die Tür hinter sich zu schließen und zu sehen, ob die Straße eine Antwort bringt.
 
Mit dem, von einer Ehefrau gestickten Logo "Wild Hogs" (der Originaltitel meint Wildschweine) und dem heißen Outfit geben sie sich viel cooler als sie wirklich sind, auf diesen "Road Trip", der die große Freiheit meint und eine Kinderei für Erwachsene zeigt. Alles Erdenkliche geht schief, ihr Zelt brennt ab, in der Panik vergessen sie, zu tanken, und werden in der Wüste von Geiern begleitet. Dann legen sich die Vorstadt-Bürger mit echten Rockern an und die Handlung sucht sich ein niedliches Westerndorf für eine Miniversion von "12 Uhr Mittag". Beim Chillifestival erweisen sich die vom Bürgerleben gestählten Weicheier als Stehaufmännchen und entdecken den Wert ihrer Freundschaft. Während Landschaften und die besten Rockmusiken der letzten drei Jahrhunderte vorüber ziehen, erreichen die Figuren bei ihrer Entwicklung nur ein Minimalziel. Wirkliche Lösungen gibt es kaum. Hauptsache das Bauchgefühl stimmt beim Abspann. Der ähnlich gelagerte "City Slickers" war dagegen schon ein hoch philosophisches Werk.
 
Die Komödianten aus den verschiedensten Ecken der Filmwelten von TV-Soap-Star Tim Allen über die noch swingende Hollywood-Legende John Travolta bis zum Independent-Star William H. Macy ("Fargo") zeigen deutliche Unterschiede im schauspielerischen Vermögen: Lawrence verbiegt sich für die billigen Scherze, Allen bleibt der gesetzte Sitcom-Scherzkeks, Macy gibt dem sympathischem Pechvogel Tiefe und Travolta chargiert zuviel. Bemerkenswert die gute Besetzung der Nebenrollen bis zum echten "Easy Rider" Peter Fonda. Trotzdem sorgen die vielen guten Scherze und die zügige Inszenierung für eine spaßige Motorrad-Runde.

9.4.07

Goodbye Bafana


BRD / Frankreich / Belgien / Großbritannien / Italien 2006 (Goodbye Bafana) Regie: Bille August mit Joseph Fiennes, Diane Kruger, Dennis Haysbert, Mehboob Bawa, Adrian Galley 117 Min.
 
Eigentlich lässt sich Geschichte recht raffiniert aus der Perspektive einer Randfigur erzählen: "Rosenkranz und Güldenstern" haben eine eigene und vor allem originelle Sicht auf ihren Fiktionskumpanen Hamlet. Hitler Sekretärin war nah dran am "Führer" - zu nah letztlich. Und dann wäre da der weiße Südafrikaner, der Nelson Mandela während der Apartheid Jahrzehnte lang bewachte. Doch dieser Versuch, in "Goodbye Bafana" eine bewegende Geschichte von schwarzem Widerstand und aufrechtem Kampf in Randnotizen zu erzählen, geriet zur verklärten und verfärbten Peinlichkeit.
 
Im Jahr 1968 tritt ein farb- und ausdrucksloser Wärter einen neuen Job auf der südafrikanischen Gefangeneninsel Robben Island an. Obwohl auch die Familien der Bewacher selber Gefangener der Insel sind, steht weißes Familienglück dabei im Mittelpunkt. Ein Glück, dass man seinem ärgsten Feind nicht wünschen würde: Das karrieregeiles Pärchen James (Ralph Fiennes) und Gloria Gregory (Diana Kruger) landet mitten im Hausfrauenklatsch einer Minigemeinschaft. Als quasselnde Friseuse macht sich das dumme Blondchen beliebt, bis ihr Mann Winnie Mandela einen Schokoriegel des gefangenen Nelson zusteckt. Nun gibt es Prügel und die Beförderung ist bedroht.
 
Dabei erwies sich James als idealer Spion für das Zensurbüro, denn er spricht Xhosa, die Sprache der rechtmäßigen Bewohner dieses Landstriches. So kontrolliert er nicht nur den einen Brief mit 500 Worten, den die Hochsicherheitsgefangenen, diese angeblichen "Terroristen", alle sechs Monate schreiben und empfangen dürfen. Er hört auch die Gespräche Mandelas mit, die ihm seinen Schützling langsam näher bringen. Heißt es anfangs bei den weißen Südafrikanern, man kämpfe und morde "für unsere Familie", geht es nach einem schlecht motivierten Gesinnungswandel um höhere Ziele. James liest selber die verbotenen Flugblätter des ANC und durchschaut die Propaganda des Staates.
 
Das einzige Moment für ein großes Drama, die Tatsache, dass James immer die Verantwortung für den Tod von Mandelas Sohn trägt, wird von Ralph Fiennes wortwörtlich "verspielt". Sein James ist ein ausdrucksloser Typ - so einen kann der kleine, unbegabtere Fiennes recht gut wiedergeben. Nur befürchtet man, dass er nicht viel mehr kann. Die nächste Katastrophe ist die Anti-Schauspielerin Diana Kruger. Wobei die indirekte Behauptung, dass ihre Figur eigentlich für den Machtwechsel in Südafrika verantwortlich ist, alles ins Absurde überführt: Denn hätte sie sich nicht mehr Gehalt erhofft, wäre James nie als ausgleichendes Moment der Wächter von Mandela geblieben...
 
Aber fast der ganze Film besteht aus Abziehbildern. Die Buren-Bullen sind alberne Schreihälse in kurzen Hosen, die unbedingt Kriege, notfalls Bürgerkriege wollen. Unter den gewöhnlichen Proleten vom Sicherheitsdienst ist James der einzige Mensch mit Gewissen. Das Sozialleben der Frauen ist nur lächerlich. Der titelgebende Bafana ist James' schwarzer Freund aus der Kindheit. Gute Idee, eigentlich, doch "Cache" von Michael Haneke macht klar, wie viel in so einer Erinnerung tatsächlich steckt.
 
Kurz: "Goodbye Bafana" erzählt mehr schlecht als recht von einer historischen Position, die nicht besonders interessiert. Kleinbürgerliche Sorgen erscheinen hier wichtiger als die wahrhaft großartige historische Figur Nelson Mandela. Selbst die Freundschaft der verschiedenen Männer taucht in der auf Weiß fixierten Perspektive nur in Fragmenten auf. So verwundert es nicht mehr, dass die zwei, drei wirklich bewegenden Momente Mandela und dem Befreiungskampf gehören.

8.4.07

Robert Altman's Last Radio Show


USA 2006 (A Prairie Home Companion) Regie: Robert Altman mit Woody Harrelson, Meryl Streep, Lily Tomlin, Tommy Lee Jones, Lindsay Lohan, Kevin Kline, Garrison Keillor 105 Min.
 
Robert Altmans Hommage an ein fast ausgestorbenes Entertainment, die Country-Radioshow, war an sich schon ein wunderbar ergreifendes und trotzdem leichtes Kunststück über den Abschied. Dass es nun Altmans letzter Film gewesen ist, gibt vor allen den Szenen vom Ende weitere Bedeutung. Und Gänsehaut-Garantie...
 
Seit 1974 versammelt die Radioshow "A Prairie Home Companion" in den USA Millionen andächtiger Zuhörer vor den Radios. Die Mischung aus Musik, Sketchen und Geschichten gilt mittlerweile als Kulturerbe. Dabei könnte man sich ignorant stilsicher von Sujet "Country-Musik" abwenden. Aber Johnny Cashs "Walk the Line" und der Neil Young-Konzertfilm "A Heart of Gold" haben hoffentlich auch hier den Boden bereitet, aus dem die Erkenntnis sprießen sollte, dass Country nicht nur das dämliche Jodeln von amerikanischen Hinterwäldlern ist. Robert Altman gelingt zusammen mit dem Autor, Hauptdarsteller und Moderator Garrison Keillor feinen Spott und eine ehrliche Liebeserklärung an die Menschen dieser Musik zusammenzupacken. Nach seinem Blick auf das Musikgeschäft von "Nashville" (1975) oder den Jazz in "Kansas City" (1996) ist "Robert Altman's Last Radio Show" sicherlich sein sanftester Film, ein Abschiedsfilm halt.
 
Hinter den Kulissen der Radioshow "A Prairie Home Companion" in dem Örtchen St. Paul in Keillors Heimatstaat Minnesota herrscht Hektik: Die unzertrennlichen Johnson Sisters (Meryl Streep & Lily Tomlin) - personifizierter Redefluss im Doppelpack - füllen mit ihrer Präsenz die ganze Garderobe, pudern sich die Nasen, quasseln von alten Zeiten, so wie sie es sicherlich schon seit ältesten Zeiten tun. Die Old Trailerhands Dusty (Woody Harrelson) und Lefty (John C. Reilly) schütteln mit heftigen Zoten und deftigen Cowboy-Liedern das Image von steifen Country-Leuten kräftig durch. Da liegen der alkoholische "liqueur" und das sexuelle "lick her" klanglich geährlich nahe beieinander (und fordern die Synchronisation heraus).
 
GK (Garrison Keillor) hält als Moderator und Seele die Radioshow zusammen, sorgt dafür dass der ausverkaufte Saal bei der Live-Show auf seine Kosten kommt. Wie ein Damokles-Schwert hängt der Besuch eines Abwicklers über dem Abend - ein Großkonzern will den Laden schließen. Da helfen auch die Bemühungen des eitlen Sicherheitsmannes (Kevin Kline) nicht. Und da wäre noch die mysteriöse Frau in Weiß, die hinter den Kulissen jemanden abholen will. Nachdem die Show nicht wie erwartet endet, schaut im Epilog der Tod noch mal vorbei. Und das ist große Lebens-Kunst ganz nebenbei: Humorvoll lässt Altman die Endlichkeit als Scherz und Schmerz erleben.
 
Auch dieser Altman ist ein echter Altman. Mit einem üblichen, aber immer wieder verblüffenden Star-Ensemble, mit den verwobenen Handlungssträngen, mit ausgefeilten Dialogen, mit genauem Blick und großem Herz für das Sujet und den Menschen dabei.

TMNT


USA 2007 (TMNT) Regie: Kevin Munroe ca. 90 Min.
 
Wer weiß heutzutage noch, wer Leonardo, Michelangelo und Raphael waren? Es scheinen Jahrhunderte vergangen, seit die wiedergeborenen Frösche als "Teenage Mutant Ninja Turtles" die Unterwelt unsicher machten. Nach dem ersten amphibischen Actionfilm aus dem Jahr 1990 folgten zwei, nicht mehr ganz so erfolgreiche Fortsetzungen und eine Pause von 14 Jahren. Die Rückkehr der vier kampferprobten Quack-Kämpfer erfolgt nun in anderem Format, als computer-animiertes Abenteuer.
 
Den Ninja-Turtles ergeht es wie vielen anderen Fortsetzungshelden: Donatello, Leonardo, Michelangelo und Raphael
beschäftigen sich mit sich selbst, bleiben lange Zeit Beobachter, brauchen Hypervision. Ihr ehemaliger Gegner Shredder ist besiegt, die neue Gefahr durch historische Monster aus der Hölle kriegen sie gar nicht mit. Doch der Großindustrielle Max Winters weiß, dass die Sterne bald perfekt stehen für seinen heimlichen Plan. Mit Hilfe einer rasanten Konkurrenz-Ninjatruppe sammelt er Monster wie bei einem Computerspiel.
 
"Teenage Mutant Ninja Turtles" waren schon immer mutierte Kindergeschichtchen, denn auch die froschigen Helden sind Kids, die Pizza fressen und viel Zeit vor Monitoren verspielen. Die irgendwann doch ganz flüssige Dramaturgie lässt sich positiv vemerken. Alle Kämpfchen sind unterlegt von ebenso martialischer wie nerviger Billigmusik, die man aus entsprechender Billig-Action kennt. Allerdings steht die digitale Animation den Turtles besser als der Mix aus Real- und Trickfilm beim letzten Versuch.

3.4.07

The Contract


BRD, USA 2006 (The Contract) Regie: Bruce Beresford mit Morgan Freeman, John Cusack, Jamie Anderson 96 Min. FSK: ab 16
 
Wenn Schauspieler sowohl liebenswerte Individuen als auch heimtückische Verbrecher spielen können, müssen sie wohl etwas drauf haben. Morgan Freeman kann sowohl den "Lieben Gott" als auch den raffinierten Auftragskiller geben. Der ehemalige Teenfilmstar John Cusack spielte schon mal den Homecoming-Killer in "Ein Mann, ein Mord", Nick Hornbys ewige(n) Single in "High Fidelity" und auch "Americas Sweatheart". Nun macht er als Ray, Trainer einer amerikanischen Baseball-Mannschaft, mit seinem Sohn Chris einen erzieherischen Naturtrip, weil dieser sich nicht ins Koma gesoffen hat, sondern Marihuana rauchte.
 
Wie gefährlich aber allein Erziehung sein kann, wird klar, als den beiden in einem Canyon ein FBI-Agent mit angekettetem Verbrecher Carden (Morgen Freeman) regelrecht vor die Füße fällt. Der Polizist überlebt es nicht. Der Killer weißt freundlich darauf hin, dass man ihn besser laufen ließe weil seine Kumpels nicht weit und sehr tödlich seinen. Doch Carden wählt die falschen Worte und fordert Ray heraus. Der will vielleicht seinem Sohn eine Lehre in Sachen Rechtschaffenheit geben, vielleicht geht auch der ehemalige Sheriff mit ihm durch. Jedenfalls wandelt er sich - etwas übertrieben - zum Dschungelkämpfer und es beginnt eine abenteuerliche Flucht über Stock und Steilhang im Naturgebiet.
 
Im Gegensatz zu vielen anderen "Thrillern", zu vielen anderen Filmen überhaupt, erweist sich "The Contract" als sorgfältig aufgebaut: Die knapp skizzierten Charaktere entwickeln sich im Laufe der zunehmenden Dramatik. Während Chris, der Junge, ausgeglichen und in der Natur in seinem Element ist, muss der Vater und Ex-Cop seine Rolle in der Extremsituation erst noch finden. Psychologie hat hier höheren Stellenwert als Knalleffekte. Aber wenn der Zuschauer einen Vertrag mit diesem Film eingeht, wird er mit Hochspannung belohnt, auch ohne vom Drehbuch verordnete Hektik. Dabei helfen - trotz der einfachen Ausgangssituation - durch unklare Fronten, wo der Jäger selbst ins Visier eines Verräters gerät. Die Erklärung ist dann wiederum atemberaubend: Da lassen Regierungsstellen tatsächlich einen einflussreichen Mann umbringen, weil er gegen die Ausweitung der Stammzellenforschung ist!
 
Morgan Freeman beeindruckt als relaxter Anführer einer Killer-Truppe. Sein Carden sagt selten etwas, aber wenn, dann trifft sein Satz besser als eine Kugel. Derweil trinkt das FBI Kaffee und amüsiert sich über die Dorfpolizisten, die noch nie von Croissants gehört haben. Dazu prangen auf der Leinwand satt die Bilder eines Meisters der Kamera namens Dante Spinotti. Regisseur Bruce Beresford beweist, dass er viele Genres meistern kann: Nach "Miss Daiys und ihr Chauffeur" (mit Freeman!) , "Stummer Schrei" und vielen anderen guten Arbeiten, ist die wiederum ein sehenswerter Film mit nicht mehr selbstverständlichen Qualitäten.

1.4.07

300


 
USA 2007 (300) Regie: Zack Snyder mit Gerard Butler, Lena Headey, Dominic West 116 Min. FSK: ab 16
 
Blut und Boden verteidigen. Hart wie Kreter-Stahl und zäh wie Leder sein. Keine Erfindung der Nazis. Schon die alten Griechen wussten, was Faschismus ist ... wenn man dem Machwerk "300" Glauben schenken sollte. Das digital stark verfremdete Gemetzel erzählt, wie 300 martialische Spartaner an der Landenge der Thermopylen ganz Griechenland gegen persische Horden verteidigen. Dabei ist das Abschlachten von tausenden Menschen ebenso abstoßend wie die gefeierte Geisteshaltung von Blut und Boden, Männern hart wie Stahl und Sterben für die Freiheit. Dass die gepiercten Horden ausgerechnet aus Persien - sprich: Iran - kommen, ist ebenso wenig Zufall wie solche Sprüche: "Freiheit ist nicht umsonst. Man muss für Freiheit zahlen."
 
Dabei ist haarsträubend dumm, was auf der Leinwand abläuft. Dass der Regen aus Bluttropfen in Zeitlupe hernieder sinkt, um dann auf dem Boden im Nichts zu verschwinden, ist Schlampigkeit der digitalen Trickser, die doch mit ihrem "Look" den ansonsten hoffnungslos überkommenen Film verkaufen sollen. (Das gilt auch für die noch längst nicht erfundenen Zahnfüllungen, die König Leonidas bei seiner Schreierei zum Besten gibt.) Die tapferen Spartaner, die ihre männlichen Nachkommen in die Wüste jagen, damit sie gestählt wiederkehren oder Tierfutter werden, zeigen über knappen Strings ihre Sixpacks, anstatt die Haut mit Rüstungen zu schützen. Xerxes gilt als durchaus moderner Herrscher, der seinen Vielvölkerstaat tolerant zusammenhielt. Hier in "300" sieht er verdächtig nach dem aus, was sich rassistische Schwulenhasser als Ausbund der Verkommenheit vorstellen: Piercings, Ohrringe, Schminke und eine irritierende androgyne Ausstrahlung können echte Männer nicht ungerührt lassen!
 
Deshalb mäht der echte Spartaner mit seinen Männerfreunden eine Angriffswelle nach der anderen nieder, dass man Leni Rieffenstahl noch im Grab jauchzen hört. Ein weiteres Verkaufsargument für die ekelhafte Schlachtplatte verweist auf die Vorlage, ein sogenanntes "Kultcomic" von Frank Miller. Während dessen Batman-Variation der Dunkelheit durchaus noch einige Schattierungen abgewinnen konnte, lieferte bereits die Verfilmung von "Sin City" nur Lust an Gewalt. Es gäbe da übrigens auch den "Kultcomic" von Art Spiegelman namens "Maus", in dem der Holocaust mit Mäusen (Juden) und Katzen (Nazis) exzellent erschütternd bebildert wurde. Vielleicht verfilmt man so was mal zur Abwechslung?

Fantastic Movie


USA 2007 (Epic Movie) Regie: Jason Friedberg, Aaron Seltzer, Adam Campbell, Jennifer Coolidge, Jayma Mays, Faune A. Chambers 86 Min. FSK: o.A.
 
Film-Sammelparodien wie "Scary Movie" oder jetzt "Epic Movie" sind dankbare Filme für den Kritiker, er braucht nur die Titel der veralberten Kinoshits aufzuzählen, schon sind die Zeilen voll. Doch wenn die Filmemacher ähnlich gearbeitet haben, um ihre 90 Minuten voll zu bekommen, wird es übel.
 
Der Auftakt gewinnt schnell unsere Sympathien, weil er sich über Tom Hanks und den "DaVinci Code" hermacht. Da hängt der ölige Tom direkt neben der Mona Lisa und der Snack-Automat hält die Lösung parat. Schwuppdiwupp geht es zum nächsten Film, mit dem Schokoriegel zieht man Willi Wonka durch den Kakao. Und erstaunlich ist die Ähnlichkeit dabei. Nicht nur der Szenenbauten und -verläufe. Nein, auch die Schauspieler sehen Johnny Depp, Tom Hanks, Samuel L. Jackson und anderen auf den ersten Blick richtig ähnlich. Das scheint originell, langweilt aber wie alles andere recht bald.
 
Zurück zur Handlung, die nur Vorwand für eine sinnfreie Folge von Scherzchen bietet: Vier Waisen finden ein Gewinner-Ticket der Schokoladenfabrik Willy Wonkas, um zu einer lustigen Hiphop-Melodie selber in den Süßigkeiten verarbeitet zu werden. Aber direkt danach geht es durch den Kleiderschrank nach Gnarnia. (Das "G" wurde aus Copyright-Gründen eingefügt.) Die Ansammlung hassenswerter Filme unterbricht eine Hausbegehung im MTV-Stil. Dann greifen auch die "X-Men" ein: Edward ist ein Mutant, der sich bei Gefahr in ein Huhn verwandelt. Wobei das englische "chicken" hauptsächlich Feigling bedeutet. Harry Potter darf als Rentner kiffen, der Karibik-Piraten-Captain Jack Swallows, selbst viel bessere Karikatur, lallt sich durch den Kampf gegen die Weiße Königin. Jack Black serviert als mexikanischer Koch Nacho Libre überfahrene Katzen - das macht dann gar keinen Sinn und auch keinen Spaß mehr.
 
Die guten Zucker-Parodien wie "Airport" oder "Loaded Gun" haben früher immer noch das Filmemachen selbst reflektiert, wenn etwa die subjektive Kamera gegen eine Fensterscheibe lief oder das Off-Orchester ins Bild kam. Jetzt rückt man die Action-Doubles ins Bild, die überhaupt keine Ähnlichkeit mit den geschonten Schauspielern haben. Haha! Und macht es nochmal. Dann noch einmal. Jetzt schon fünf Minuten lang ...

Klang der Stille


USA 2006 (Copying Beethoven) Regie: Agnieszka Holland mit Ed Harris, Diane Kruger, Matthew Goode 104 Min.
 
Man hat Angst in Wien vor "the beast", vor "dem Monster". Gemeint ist ein launiger, schikanierender Beethoven in seinen letzten Lebensjahren. Ein Genie, das nahezu nichts mehr hört und trotzdem besessen weiterkomponiert und - zum Schrecken der Musiker - auch dirigiert. Mit großer Bewunderung, aber ohne Angst landet im Jahre 1824 die talentierte, junge Komponistin Anna Holtz (Diana Kruger) beim stadtbekannten Grobian. Er sucht den besten Kopisten für seine dahingeklecksten Noten. Anna, die 23-jährige Frau erfährt erst Missachtung, dann erwächst sie innerhalb von fünf Minuten zur kongenialen Partnerin beim Korrigieren "falscher Kompositionen". So eine "Entdeckung" könnte ein großer Filmmoment sein. Hier wirkt es wie vom Drehbuch falsch komponiert.
 
Nun ist die selbstbewusste blonde Frau, die in einem Kloster wohnt, Haushälterin, Komponistin, wehrhafte Blitzableiterin und Ko-Komponistin. So erfahren wir, dass eigentlich Anna für die Wirkung der Neunten Sinfonie verantwortlich war. Keiner glaubte an das unmögliche Werk, in welchem der Chor viel zu lange tatenlos auf den ersten Einsatz warten muss. Doch indem sie mitten im Orchester dem Dirigenten van Beethoven "souffliert", rettet die Assistentin zusätzlich die Premiere des gemeinsamen Stückes!
 
Auch wer nur mal "Roll over Beethoven" gehört hat, ahnt wie viel Fantasie hier am Werke war. An sich nicht verwerflich, diese nach "Ludwig van B. - Meine unsterbliche Geliebte" und "Eroica" weitere Beethoven-Biographie hat andere Probleme. Ed Harris ("Pollock") spielt durchaus glaubhaft - wie ihn die akustische Isolation zum Außenseiter machte, thematisiert diese einfache Geschichte auch nicht. Das Problem des Films ist jedoch Diane Kruger, die immer noch glaubt, sie müsse Schauspielerin sein. The vorletztes Supermodel glänzt wieder als flache Harmlosigkeit. So war sie schon als Helena für die Katastrophe von "Troja" verantwortlich. Oder das unsägliche "Goodbye Bafana" - dort sorgt sie als Friseuse im Konsumrausch letztendlich für die Befreiung Nelson Mandela und Südafrika.
 
Wenn man dem "Klang der Stille" nichts abgewinnen kann, so ist dies hauptsächlich der Verdienst von Frau Kruger. Erinnert sich jemand an "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"? Auch dort eine junge Frau, die einem wesentlich älteren Genie dienend und inspirierend zur Seite steht. (Was insgesamt nicht reflektiert wird.) Gespielt von Scarlett Johansson, von der man immer noch spricht. (Wenn auch dieses Ein-Blick-Wunder kein besonders vielfältiges Repertoire zu haben scheint.) "Klang der Stille" klingt trotz vielfältiger Bemühungen in Kostüm und Kulisse nicht nach. Der Film erweist sich als hausbacken und bescheiden. Große Momente spielen so gut wie nie auf. Anfangs eine bewegte, expressive Kamera, später nur Abfilmen der historischen Kulissen. Schade, denn die engagierte Regisseurin Agnieszka Holland kann mehr, wie vielleicht am besten im dichten und ergreifenden Henry James-Drama "Washington Square" mit Maggie Smith zu erleben war.